07.10.2012

Mathematische Technik und mathematische Bildung

Seit einigen Tagen verbringe ich meine Zeit nicht mehr damit (oder nur noch sehr wenig), mein Spracherkennungsprogramm mit neuen Wörtern zu füttern. Stattdessen schiebe ich meine ganzen Kommentare in den Zettelkasten. Insgeheim fürchte ich mich schon davor, zu meinen Kommentaren zu Kant zukommen. Zur Anthropologie habe ich rein zahlenmäßig fast 300.000 Wörter geschrieben, zur Kritik der Urteilskraft dürften es zwar wesentlich weniger, aber immer noch sehr viele sein. Und zur Kritik der reinen Vernunft, die ich eigentlich noch gar nicht angefangen habe, gründlich zu lesen, sind es auch schon 40.000 Wörter.

Gerade aber stolpere ich über einige Anmerkungen zu Walter Breidenbach, der 1963 ein ganz bezaubernd schönes Buch im Hermann Schroedel Verlag veröffentlicht hat: Rechnen in der Volksschule. Eine Methodik.
Hier eine kleine Auswahl meiner Kommentare, bzw. Zitate. Direkte Zitate stehen in Anführungsstrichen und mit Angabe der Seitenzahl dahinter, Zusammenfassungen nur mit der Seitenzahl und freie Kommentare (also Assoziationen) mit einem „zu“ vor der Seitenzahl.
"Mathematik ist die Lehre von den denkmöglichen Strukturen."
(Seite 15)  

Breidenbach unterscheidet zwischen der mathematischen Technik und der mathematischen Bildung. Die Technik besteht im richtigen Umgang mit Sätzen und Verfahren. Sie wird durch Üben gelernt. Mathematische Bildung verknüpft er mit der Fantasie, dem planmäßigen Denken und also insgesamt mit schöpferischen Kräften (Fantasie + Problemlösen = schöpferische Kraft).
(Seite 13) 

"Was in der Unterweisung zeitlich den größeren Raum einnimmt, so glaubt man, müsse das für die Mathematik Charakteristische sein. Dabei gehören die eingeübt in Formeln und Rechenverfahren nur zu dem Handwerkszeug, dessen sich der Geist beim Studium eines mathematischen Gegenstandes oder der Lösung eines mathematischen Problems bedient. Welches Werkzeug aber in einem besonderen Falle einzusetzen ist, darüber sagt das Werkzeug selbst wenig oder nichts aus. Schon eine richtige Auswahl erfordert eine freie Entscheidung des Geistes. Bei bisher ungelösten Problemen muss sich der Geist das brauchbare Werkzeug oft sogar das selber schaffen." 
(Seite 13) 

Die Unterscheidung zwischen schöpferischer Mathematik und den Techniken ist unklar. Dies liegt daran, dass Mathematik, wenn sie über Strukturen läuft, immer eingeübt, immer automatisiert werden kann. D.h., dass die schöpferische Kraft durch wiederholte Tätigkeit in eine Technik übergeht. 
(Zu Seite 13) 

"Als selbst ein einfacher mathematischer Satz erstmalig gefunden wurde, da war das für den Finder eine sehr aufregende Angelegenheit. Er hat, vielleicht nach langem Nachdenken, plötzlich eine Vermutung; er prüft in Einzelfällen nach, ob sie stimmt; bejahendenfalls versucht er, die Vermutung allgemein zu beweisen; ein Beweisgedanken will sich nicht einstellen; er zweifelt, ob die Vermutung überhaupt allgemein stimmt; er prüft noch einmal einige weitere Einzelfälle; er versucht den Beweis für einen Einzelfall; wenn er gelingt, versucht den Beweisgedanken für den allgemeinen Fall auszunutzen; während der ganzen Zeit ist er in einer ermattenden Spannung, zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und hergerissen; bis er im günstigen Fall den Lohn für seine Bemühungen erhält, indem er den Beweis findet." 
(Seite 13) 

Dies ins Psychologische übersetzt: Erfindung, Schöpfung: Problemlösen (als selbst ein einfacher mathematischer Satz erstmalig gefunden wurde); Emotion, wobei sich nicht deutlich sagen lässt, um welche Emotion es sich handelt (aufregende Angelegenheit = Verwirrung der Emotionen, Unentschiedenheit, die Bewertung ist noch offen); Rubikonmodell: abwägen, planen, die Vermutung punktiert den Zustand des Geistes: es gibt eine Idee, die man überprüfen kann (abwägen: zum Denkbaren kommen; planen: zum gedachten Handeln kommen); das Schöpferische hängt immer mit einer Akkomodation, ein Anpassung der Denkstrukturen zusammen, während im zweiten Schritt eine Assimilation stattfindet, ein Überprüfen in Einzelfällen, ob etwas in dieser Art und Weise stimmt; die Generalisierung schätzt auch die Reichweite einer Lösungsmöglichkeit ab (für welche Fälle gilt dies? Wo funktioniert eine Lösung und wo nicht?) … 
(zu Seite 13) 

Im Kompetenzmodell kürzt sich das Rubikonmodell nach und nach ab: während im ersten Moment noch überhaupt keine Idee der Handlung vorhanden sein dürfte, erzeugt sich über das mehrmalige Tun eine Sicherheit, durch die ein gedankliches Hin und Her im konkreten Ablauf möglich wird. Gleichzeitig verschwindet aber das ursprüngliche Motiv, das den Handelnden motiviert hat. 
(zu Seite 13)

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