24.10.2012

Actionreiche Szenen gestalten

Heute schaffe ich es mal wohl wieder, so viel Text zu schreiben, dass andere Menschen blass werden. Allerdings handelt es sich „nur“ um Kommentare. Viele dieser Kommentare sind reine Beobachtungen. Manchmal ballen sich dieser allerdings auch in ein Stück längeren Textes.
Der folgende Text besteht aus zwei Kommentaren, die allerdings eng miteinander zusammenhängen. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, wie man eine völlig missglückte Stelle aus Cusslers ›Eisberg‹ dramatischer gestalteten könnte und ich glaube, dass mir eine recht brauchbare Alternative dazu eingefallen ist. Wichtiger allerdings sind die Maximen, die ich daraus erstellt habe. 

(1)
Allerdings schafft es Cussler auch immer wieder, komplett idiotische Abfolgen zu schreiben. 
„Noch zweimal wiederholten sie das Manöver, und noch zweimal warf Pitt seine verbeulten Kanister, die Feuer und Verwüstung spien, hinüber. Dann war seine behelfsmäßige Artillerie aufgebraucht. 
Nach kurzem erhielt die Grimsi einen fürchterlichen Schlag. Eine gewaltige Druckwelle fegte alles, was nicht niet- und nagelfest war, über Bord.“ (149) 
Hier stimmt die Logik beim Übergang der Absätze überhaupt nicht. Erstens muss irgendetwas dazwischen passieren. Zweitens dürfte das Tragflächenboot, was hier donnernd explodiert, vorher explodieren und dies müsste auch vorher sichtbar sein. So kommt der „fürchterliche Schlag“ sehr überraschend, vor allem aber erstmal komplett unmotiviert. Natürlich gibt es solche Ereignisse, die „plötzlich“ eintreten. Aber damit sollten Schriftsteller sehr vorsichtig umgehen. Tauchen sie zu häufig in Geschichten auf, zerreißen sie den logischen Zusammenhang. Und an dieser Stelle wäre es schon gar nicht nötig gewesen. 
Ein zweites Problem ist, dass der folgende Satz ein Ereignis in die vollendete Vergangenheit schiebt, das sich gut zur Dramatisierung hätte nutzen lassen: „Das Tragflächenboot war donnernd explodiert und stand vom Bug bis zum Heck in lodernden Flammen.“ (149) 

(2)
Wie also hätte Cussler das besser machen können? 
„Dann war seine behelfsmäßige Artillerie aufgebraucht. Pitt hoffte, dass das reichte. Glücklicherweise hatte jeder Wurf gut getroffen. 
Unterdessen hatte Sandecker den Motor gedrosselt. Auch er schien darauf zu warten, was passierte.
Einige Sekunden lang starrte Pitt angestrengt in den Nebel und versuchte, die Vorgänge auf dem Schiff nachzuvollziehen. Er hörte Rufe und er konnte Schemen ausmachen, die sich hastig bewegten. Offensichtlich löschte die Mannschaft mit großer Hektik die Feuer. Und es sah so aus, als gelänge ihr das auch. Der Lichtschein wurde schwächer und schwächer. 
Dann flackerte ein riesiger Feuerball auf, der einer Sonne im morgendlichen Dunst glich. Im nächsten Moment erschütterte eine Druckwelle die Grimsi. Sie fegte alles, was nicht niet- und nagelfest war, über Bord. Pitt ließ sich rechtzeitig fallen. Trotzdem riss ihn die Luft mit und er rutschte unsanft über das Deck, bis er gegen die Bugwand prallte. Er stieß sich Schulter und Kopf an und war sich fast sicher, dass er an beiden Stellen die nächsten Tage ordentliche blaue Flecken bekommen würde. Doch gleichzeitig grinste er auch. Sie hatten mit ihrem riskanten Angriff erreicht, was sie kaum hoffen konnten: das Tragflächenboot war explodiert.“ 
Was habe ich gemacht? 
(1) Zunächst einmal habe ich die Ereignisse geordnet. Sie passieren in einer Reihenfolge hintereinander, wie dies für eine dramatische Erzählung wichtig ist. Cussler erzählt nämlich irgendetwas, um dann wichtige Geschehnisse nachträglich einzufügen. Ein weiteres Beispiel: „… ehe Pitt, den es auch umgerissen hatte, …“ (149). Diese Passage habe ich dort eingefügt, wo sie tatsächlich zeitlich passiert. Und ich glaube sagen zu dürfen, dass die Stelle wesentlich an „Fahrt“ aufgenommen hat, auch wenn sie länger ist. In der Erzählforschung nennt man solche Rückblenden Analepsen (siehe Genette: Die Erzählung; Bode: Der Roman). Sie taugen allerdings für actionreiche Szenen überhaupt nicht (meiner Ansicht nach). Deshalb die Maxime: in actionreichen Szenen strikt die zeitliche Reihenfolge einhalten
(2) Dann habe ich Pitt dorthin gestellt, wo er als Protagonist hingehört: als Zentrum des Erlebens. Denn der zweite Fehler, den Cussler hier begeht, ist, dass er die Ereignisse so schildert, als passierten sie objektiv. Das tun sie natürlich irgendwie auch. Aber das wesentliche Moment einer Geschichte ist doch, dass sie jemandem zustoßen, also dem Protagonisten zum Beispiel. Das hat zudem den Vorteil, dass der Leser sich besser mit dem Protagonisten identifizieren kann und zum anderen ist es wiederum ein Stück Charakterisierung des Protagonisten. Und diese Fähigkeit fehlt Cussler ebenfalls weitestgehend. Pitt erscheint blass und leer und die hineingeschmissenen, fast hysterischen Beschreibungen seines Innenlebens („sich zitternd auf seine Füße stellte und ungläubig auf das Tragflächenboot starrte“ (149)) machen die Sache ja auch nicht besser. Deshalb die Maxime: in actionreichen Szenen eine stark personalisierte Sicht verwenden
(3) Schließlich habe ich hier eine strikte Steigerung eingebaut. Zunächst kündige ich das Ereignis an und zwar völlig abstrakt („Pitt hoffte, dass das reichte.“: reichte wofür?; ebenso: „Auch er schien darauf zu warten, was passierte.“). Solche abstrakten Ankündigungen sind in handlungsorientierten Romanen recht häufig. Sie werden dann sofort sinnlich-konkret aufgefüllt, also durch eine genaue Schilderung. Die Steigerung nun besteht darin, dass von einer Hoffnung auf Erfolg über ein erwartetes Ereignis, das angestrengte Beobachten und schließlich der scheinbare Misserfolg (das Feuer wird gelöscht) das darauf folgende Ereignis vorbereitet wird. Das ist etwas ganz anderes, als was bei Cussler passiert. Bei dem hüpft das Geschehen wie der Kastenteufel aus dem Kasten. Und auch so etwas zerreißt die Geschichte. Maxime: das wesentliche Ereignis muss vorbereitet werden, möglichst mit einer Steigerung

siehe auch:

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