23.11.2017

Nachrichten aus der Zwischenwelt

Ich weiß nicht, wann ich für die Zeiten, in denen ich eigentlich nichts veröffentliche, die Überschrift Nachrichten aus der Zwischenwelt erfunden habe. Nun, es ist wohl, nach zwei Wochen Funkstille auch angebracht.
Es ist ja auch nicht so, dass ich nicht schreibe. Ich kommentiere sehr viel, aber erstens derzeit querbeet, nach den täglichen Anforderungen und Erinnerungsresten, und zweitens vieles zu Schülern und persönlichen Dingen, also nichts, was ich ungefiltert an die Öffentlichkeit geben würde.
Insbesondere meine Auseinandersetzung mit der Mathedidaktik schreitet nur langsam voran. Oder schnell, je nachdem. Denn ich habe ziemlich rasch mehr als nur einige fachliche Lücken in meinem Verständnis entdeckt; und soweit ich dies in einem solchen frühen Stadium sagen kann, auch fachliche Lücken in der Literatur. Sich mit seinen eigenen Lücken auseinanderzusetzen ist sinnvoll; inwiefern die Lücken in der Fachliteratur sich als Täuschungen herausstellen, bleibt abzuwarten.
Doch ich habe auch nicht wirklich Zeit. Die Arbeit an der Didaktik ist doch noch deutlich etwas anderes als die Unterrichtsplanung. Und die steht nun mal im Mittelpunkt.

06.11.2017

Diagrammatik

Über was ich mir heute Gedanken gemacht habe!
Neben all den kleinen, berufsbedingten Texten entwickelt sich die Arbeit an der Diagrammatik zu einem Thema, das so ziemlich alles, was ich bisher in meinem Leben geschrieben habe, umfasst.

Was ist Diagrammatik?

Dazu möchte ich nicht allzu ausführlich werden. Als Diagramme kann man alle Erzeugnisse bezeichnen, die einen Erkenntnisgewinn beabsichtigen und auf eine Fläche aufgetragen werden. Das ist nur eine grobe Definition. Aber sie zeigt, auch wenn dann noch ein paar Einschränkungen dazu kommen, auf ein weites Feld.
Daran kann man nun aber so ziemlich alles, was in Büchern vorkommt, festmachen. Denn nicht das Material, sondern der Blickwinkel auf das Material ist letztendlich entscheidend, ob ich etwas als Diagramm verstehe oder nicht. Selbst Bilder sind Diagramme, so das berühmte Bild Las Meninas von Velazquez. Dieses hat der französische Philosoph Michel Foucault seinem Buch Die Ordnung der Dinge in einer mittlerweile ebenso berühmten Interpretation vorangestellt.

Vielfalt der Diagramme

Was gehört noch dazu (und was habe ich heute in meinen Notizen erwähnt)? Bilder vom Zirkel und der Gebrauch des Zirkels selbst, Bilder von Wetterströmungen, die Kinderszenen von Schumann, den seltsamen dreidimensionalen Kupferstichen von Escher, eine Website von einem ökologischen Landwirtschaftsbetrieb und eine von einer Ferienanlage für Klassenfahrten, Mindmaps und Cluster, ein Interview mit Reichsbürgern (gerade im Tagesspiegel erschienen), Schreibpläne von Nietzsche in der Zeit vor der Veröffentlichung des Zarathustra, ...
Interessiert bin ich daran auch deshalb, weil ich ganz zu meiner Anfangszeit als Schreibcoach den Begriff "verorten" als einen meiner zentralen Arbeitsbegriffe neu definiert habe. Damit meinte ich, dass Figuren einer Erzählung immer in einem Raumbezug auftauchen müssen, damit sich dem Leser die Szene erschließt und vorstellbar wird. Auch das ist eine Art von Diagrammatik. Deshalb ist mir der Gedanke sehr vertraut.

Bis in die Unendlichkeit ... (haha!)

Nun, auch bei meiner Arbeit mit den Schulbüchern führt mich die Auseinandersetzung nicht nur zu einer genaueren Betrachtung der Schulbücher selbst - denn jede Schulbuchseite kann als Diagramm gelesen werden -, sondern auch darüber hinaus: wenn man die Möglichkeiten abschätzen möchte, wie Diagramme verstanden werden, spielen psychologische Theorien eine wichtige Rolle. Und diese kommen dann mit weiteren Diagrammen.
So öffnet sich hinter Verknüpfung ein weiterer Knotenpunkt. Und das hat mich, nachdem ich den Morgen etwas schläfrig herumgelümmelt habe, den Nachmittag umso fruchtbarer gemacht.

Weiterhin ist mein zentraler Referenztext Figuration, Erkenntnis, Anschauung von Sybille Krämer. Ein großartiges Buch, ich sagte es bereits.

04.11.2017

Aktionismus im Schulfach Programmieren

Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Achim Berg, hat für die Schulen das Fach Programmieren gewünscht. Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen. Ich hätte dieses Fach auch lieber heute als morgen regelhaft auf der Stundentafel stehen. Es gibt allerdings zwei gravierende Einwände, hier auf die üblichen Verfahrensweisen in der Schule zurückzugreifen.

Interdisziplinarität

Wie viele moderne Wissenschaften ist auch das Programmieren eine interdisziplinäre. Dies findet man eigentlich bei allen Wissenschaften mit einem praktischen Anwendungsbereich; historisch gesehen also zum Beispiel auch bei der Medizin und der Juristik. Die Pädagogik ist ebenfalls ein interdisziplinärer Fachbereich, und das nicht nur deshalb, weil Pädagogen immer auch unterschiedliche Fächer studieren, die später den Lernstoff für den Unterricht bilden.
Tatsächlich ist die Idee der Interdisziplinarität sogar ein recht altes Phänomen. Von den sogenannten Universalgelehrten über immerhin noch sehr weit tragende Philosophen (zum Beispiel Leibniz) bis zu den Neukantianern (Ernst Mach zum Beispiel war zugleich Physiker, Psychologe und Philosoph) sind die klassischen Disziplinen zwar in den Fakultäten getrennt, aber durch die persönlichen Interessen immer wieder auch aufgeweicht und mit fruchtbaren Gedanken versorgt worden.
Programmieren nun automatisiert Arbeitsprozesse; und diese Arbeitsprozesse liegen gerade außerhalb des Programmierens, jenseits des eigentlichen Fachs. Die Frage ist also, ob sich nicht im Zuge moderner Unterrichtsgestaltung weniger das Fach Programmieren mit zusätzlichen Unterrichtsstunden anbietet, als vielmehr dieses integrativ in den Unterricht hineinzunehmen.

Voraussetzungen des Programmierens

Ich habe es heute Morgen schon geschrieben: ein wichtiger Aspekt meiner derzeitigen Arbeit ist die didaktisch-methodische Aufbereitung des Programmierens. Dazu gehören auch Lernvoraussetzungen und begleitendes Lernen darzustellen. Das begleitende Lernen behandelt parallel zu einem Lernstoff weitere Lernstoffe, die sich gegenseitig stützen und zu „synergetischen“ Effekten führt. Bei den Lernvoraussetzungen hat man, je nach Stand des Wissens notwendige Kompetenzen für weitere Lernschritte herauszuarbeiten.
So ist zum Beispiel bei grafischen Spielen eine grundlegende Kenntnis des Koordinatensystems unerlässlich, sofern diese nicht allzu dilettantisch ausfallen sollen. Und wenn wir bei den grafischen Spielen bleiben, dann sind auch die Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung wichtig, um zu ansprechenden Grafiken zu kommen.
Sofern ich die Literatur der Zeit überblicke, sind diese Voraussetzungen für das Programmieren nur wenig analysiert worden. Das allerdings wäre nun kein Problem, nein, es ist tatsächlich kein Problem. Dazu sind keine umfangreichen Studien notwendig, sondern nur einigermaßen erfahrene Pädagogen, die das Lernmaterial ordentlich analysieren und Querverbindungen zu anderen Lernstoffen ziehen.
Das einzige Hindernis dabei ist, dass man dafür Zeit braucht. Mir ist zwar relativ klar, dass Geometrie und Grammatik stark in das Programmieren hinein spielen; aber die feineren Verbindungslinien zwischen diesen Gebieten und zu anderen Voraussetzungen habe ich bisher nur in Einzelfällen skizzieren können. Es wäre ja schon großartig, wenn es überhaupt ein paar Artikel mit Hintergrundinformationen dazu gäbe, statt hier immer wieder den reinen Pragmatismus zu pflegen. Der ist zwar für den raschen Gebrauch im Unterricht ganz nett, aber für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Bildungsinhalten des Stoffes zu oberflächlich.

Logik der Arbeit

Mit der Logik allerdings hat der gute Herr Berg es dann doch nicht so richtig. Wenn in den nächsten 20 Jahren die Hälfte der Aufgaben von Maschinen und Computern erledigt werden, könnte man doch meinen, dass die Menschen dann auch nur noch die Hälfte der Zeit arbeiten müssten. Wir leben sowieso in einer Zeit der Überproduktion, und das nicht erst, seitdem das Computerzeitalter angebrochen ist.
Aber nein. Es wird nicht umverteilt. Das bedingungslose Grundeinkommen wird nicht ausgedehnt. Stattdessen setzt man auf den digitalisierten Arbeitsmarkt. Zwar ist das nicht falsch, aber eben nur ein Teil der Wahrheit. Der Arbeitsmarkt muss sich eben ändern; und auch das Leben der Menschen muss neu überdacht werden. Gerade das darf nicht nationalen Animositäten und einem weltweit gefräßigen Kapitalismus scheitern.

Zählen

Die Arbeit der letzten Tage kann ich nicht so ganz einschätzen. Auf der einen Seite habe ich nicht einmal einen Bruchteil der Strecke zurückgelegt, den ich bewältigen wollte, bzw. will. Mir war schon von Anfang an klar, dass dies eher die Arbeit von zwei Jahren wird. Und auf der anderen Seite habe ich doch recht viele Entdeckungen gemacht, die mich zwar auf Umwege gebracht haben, die ich aber als durchaus sehr sinnvoll empfinde.

Modellieren, Mathematisieren

Worum geht es also? Ganz zu Beginn: um eine Didaktik des Programmierens. Derzeit: um das Modellieren und Mathematisieren, und hier fast noch im „Urschleim“, um das Zählen und die ersten Strukturen im Zahlenraum. Eine wichtige, wenn auch immer noch recht unvollständige Zwischenstation habe ich gestern Morgen mit dem Artikel zum Zahlenstrahl veröffentlicht.

Raum-Zeit-Verknüpfungen

Immer wieder wichtig dabei ist die Verknüpfung zwischen Raum und Zeit, die ich mal formal, mal semiotisch und mal phänomenologisch betrachte. Das sehr bewundernswerte Werk von Sybille Krämer, Figuration, Anschauung, Erkenntnis. Grundlinien einer Diagrammatologie leitet mich weiterhin dazu an, auch wenn sich jetzt erste Brüche ergeben; was aber immer so ist: je länger man sich mit einem beschäftigt, umso mehr schreibt man es nicht nur um, sondern auf seine Art und Weise auch neu.

Raumgreifendes Zählen

Zum Zählen schreibt Krämer:
Zu zählen ist eine Handlung in der Zeit. Was »Zeitlichkeit« bedeutet, kann kaum eindringlicher erfahren werden als durch die sukzessive, getaktete Erzeugung von Zahlen im Aufzählen. Doch am Zahlenstrahl wird die Zähloperation zu einer raumgreifenden Bewegung, bei der die Linie mit Auge oder Finger »abgeschritten« werden kann. Der geistige Umgang mit Zahlen wird als räumliche Mobilität entlang des Zahlenstrahls vollzogen.
Krämer, Sybille: Figuration, Anschauung, Erkenntnis. Grundlinien einer Diagrammatologie. Berlin 2016, S. 31

Zählen als raumzeitlicher Kompromiss

Ich setze den Akzent anders. Das Zählen entstammt einer Räumlichkeit, an der sich die Zeitlichkeit der Handlung probiert. Tatsächlich wird die Zeitlichkeit des Zählens nicht verräumlicht, sondern man könnte das Zählen eher als einer der möglichen Kompromissbildungen zwischen räumlicher Umwelt und zeitlicher Umwelterfahrung, zwischen der Abfolge der Tätigkeiten und der Lokalisierung der Tätigkeitsmittel ansehen. Dass dies nur eine der Kompromissbildungen ist, lässt darauf schließen, dass noch weitere Bedingungen beim Zählen migriert werden, etwa zum Beispiel kognitive Bedürfnisse (Problemlösen) oder emotionale (Angstabwehr und Ordnung).

Grenze und Tausch

Ich setze also eher auf die transformierende und psychologischen Aspekte des Zählens, während Krämer durch ihren diskursanalytischen Ansatz strukturelle Aspekte in den Blick nimmt. Dass diese sich gelegentlich, so wie hier, in einer Art und Weise treffen, dass man sie nicht mehr deutlich voneinander zu unterscheiden vermag, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Trennung zwischen beiden besteht, und bestehen bleiben muss, um darüber einen weiteren Austausch zu ermöglichen. Man könnte auch sagen, dass ich mich darum bemühe, die Gedankengänge Krämers zu repsychologisieren, zumindest aber zu didaktisieren.

03.11.2017

De Bonos neue Denkschule

Der amerikanische Denktrainer Edward de Bono ist seit vielen Jahren für seine erfolgreichen Methoden bekannt, Denken kreativer und erfolgreicher zu machen.
Denken kann man lernen. Die Frage ist nur: wie?

Denkmuster trainieren

Ganz zentral stehen in de Bonos Programm eine Reihe von Denkmustern, die er Werkzeuge nennt. Diese Werkzeuge kann man wie kleine Computerprogramme sehen, die etwas in etwas anderes übersetzen. Und das ist eigentlich schon der ganze Zauber.

Gibt es Denkfehler?

Man sollte annehmen, dass de Bono jetzt eine Reihe von Denkfehlern benennt, die man mit seinem Buch vermeiden kann.
Der überraschende Antwort des Autors ist, dass es gar keine Denkfehler gibt, sondern nur Wahrnehmungsfehler. Dabei beruft er sich auf den amerikanischen Psychologen David Perkins. Dieser nennt vier Wege, wie man sich am Wahrnehmen hindert.
Das erste Problem ist, dass man glaubt, alle Möglichkeiten bereits zu sehen.
Das nächste Problem ist, dass man glaubt, alle Hinweise (Informationen) für mögliche Lösungen zu sehen.
Ein weiteres Problem sind beschränkende Gedanken, die wir nicht wahrnehmen.
Als letztes Problem sieht Perkins darin, dass wir zu frühe Lösungen oder Sackgassen des Denkens nicht als Durchgangsstationen begreifen.
Man kann sich jetzt darüber streiten, ob dies wirklich Wahrnehmungsfehler sind. Viel wichtiger sind die Schlussfolgerungen, die Perkins daraus zieht.
Man solle nämlich (1) viele Lösungen erarbeiten, (2) versteckte Informationen aufsuchen, (3) beschränkende Gedanken enttarnen und (4) frühe oder erste Lösungen als Durchgangsstationen begreifen.
Nun sind diese Vorschläge ziemlich abstrakt. Die Methoden, die de Bono entwickelt hat, sind dagegen sofort nachvollziehbar.

PMI

Die erste Methode, die de Bono in seinem Buch vorstellt, ist so einfach, wie wirkungsvoll.
Die Buchstaben PMI stehen für plus, minus und interessant.
Dieses Werkzeug kann man auf Meinungen und Lösungen anwenden. Dazu schreibt man unter Plus alle positiven Aspekte auf, unter Minus alle negativen Aspekte und unter Interessant alle interessanten Aspekte.
Sinn und Zweck dieses Werkzeuges ist es, eine breitere Sichtweise auf eine Meinung oder eine Lösung zu finden, so dass man diese relativieren kann.
De Bono schreibt, dass viel zu viele Menschen glauben, ihre Meinung sei richtig und ihre ganze Kraft darauf verschwenden, ihren Standpunkt zu verteidigen. Sie nehmen sich dadurch die Chance, bessere Lernwege oder Handlungen zu finden. Mit diesem kleinen Denkmuster trainiert man sich an, immer zuerst einen differenzierteren Standpunkt zu entwickeln.

AMA

Der Name dieses Werkzeugs steht für Alternativen, Möglichkeiten und Auswahl. Es geht darum, Alternativen zu entwickeln.
Indem man AMA bewusst anwendet, findet man neue Erklärungen und ordnet diese nach ihrer Wichtigkeit. Auch dieses Werkzeug ist denkbar einfach. Man kann es beim Überprüfen, Planen und Entscheiden einsetzen.

Wichtig ist das Üben!

Immer wieder kann man Menschen treffen, die von de Bono enttäuscht sind. Fragt man etwas genauer nach, dann findet man bei all diesen Enttäuschten ein und denselben Fehler. Sie haben ein oder mehrere Bücher von de Bono gelesen, sich gedacht, dass dies alles ja unglaublich einfach ist und dass sie es in der entsprechenden Situation sofort einsetzen können.
So einfach ist das aber nicht. Zunächst sind Trockenübungen wichtig. De Bono betont immer wieder, dass seine Werkzeuge für Denkmuster stehen. Denkmuster müssen eingeübt werden. Dazu braucht man Zeit, vor allem aber regelmäßige Wiederholung.
Der amerikanische Psychologe John Anderson schreibt, dass Menschen zunächst Faktenwissen wahrnehmen. Dieses kann nur oberflächlich angewendet werden. Erst durch Herumprobieren und Einüben automatisiert man dieses Wissen und erzeugt ein sogenanntes prozedurales Muster. Der Vorteil solcher prozeduralen Muster besteht darin, dass sie im Hintergrund unseres Denkens automatisch ablaufen und man sich nicht mehr anstrengen muss, wenn man mit einem solchen Muster denken will.
Nehmen Sie sich also für jedes Werkzeug mindestens eine Woche, um dieses täglich zu trainieren. Danach wiederholen Sie in regelmäßigen Abständen die Übung. Erst wenn Sie merken, dass sich eine Übung oder ein Werkzeug von alleine aufdrängt, können sie das bewusste Trainieren unterlassen.

Fazit

Auch wenn man vollmundigen Ankündigungen im Klappentext nicht glauben sollte, so ist dieses Buch trotzdem recht praktisch. Es ist sehr verständlich geschrieben. Der Leser sollte für die Umsetzung allerdings eine gewisse Hartnäckigkeit und Ernsthaftigkeit mitbringen. Anderenfalls lohnt sich de Bonos Denkschule tatsächlich nicht.

Die Emotionstheorie von Plutchik

Emotionen spielen in unserem Alltag eine wichtige Rolle. Auch der Begriff der emotionalen Intelligenz ist in aller Munde. Neben den durchaus wichtigen Alltagstheorien über Emotionen gibt es viele wissenschaftliche Ansätze. Einer davon soll hier vorgestellt werden.

Acht grundlegende Emotionen

Der amerikanische Psychologe Robert Plutchik hat zwei grundlegende Bewegungsrichtungen bei den Emotionen unterschieden: eine verbindende und eine trennende. Über diese erste Unterscheidung kommt er zu acht Basisemotionen.
Die vier verbindenden Basisemotionen sind Freude, Vertrauen, Überraschung und Erwartung.
Die vier trennenden Basisemotionen sind Furcht, Trauer, Ekel und Ärger.

Intensität und Kombination der Emotionen

Diese acht Formen der Emotion existieren in unterschiedlicher Intensität und können sich miteinander kombinieren. Für die unterschiedliche Intensität der verschiedenen Emotionen seien hier zwei Beispiele genannt. Nehmen wir zum Beispiel Freude. Bei einer hohen Intensität nennen wir den Ausdruck von Freude Ekstase. Bei einer niedrigen Intensität nennen wir dies Freudigkeit, Gelassenheit oder Fröhlichkeit.
Ähnlich ist es zum Beispiel beim Ärger. In einer hohen Intensität erscheint dieser als Zorn oder Wut, bei einer niedrigen Intensität als Feindseligkeit oder Verärgerung.
Kombinieren sich zwei Emotionen, entstehen neue, abgeleitete Gefühle. So nennt Plutchik die Verbindung von Freude und Vertrauen Liebe. Kombinieren sich zum Beispiel Vertrauen und Überraschung, entsteht Neugier. Zynismus wiederum sei, so Plutchik, eine Mischung aus Ekel und Erwartung.

Kann man Emotionen lernen?

Eine der wichtigsten Erkenntnisse in der Emotionstheorie allerdings ist, dass es zwar elementare Gefühle gibt, dass man aber lernt, wann man sie hat. Das heißt, man kann durchaus ein Gefühl verlernen oder erlernen. Dabei allerdings sollte man vorsichtig sein, denn zunächst denkt man, dass es sinnvoll ist, negative Emotionen aus seinem Leben zu verbannen. Es gibt aber äußerst sinnvolle Ableitungen von schlechten Gefühlen.
So ist eine "verfeinerte" Version der Angst die Fähigkeit, sich von etwas zu distanzieren, zum Beispiel von anderen Meinungen. Plutchik sieht den Ursprung der Angst in der Funktion, sich in Sicherheit zu bringen. Dies geschieht durch eine Flucht. Dieses Moment der Flucht steckt auch hinter der Distanzierung von fremden Meinungen. Solchen sehr erwachsenen Verhaltensweisen basieren natürlich auf der ganzen persönlichen Geschichte der Gefühle.
In der Distanzierung spielen noch andere Gefühlserfahrungen eine Rolle. Häufig "zerstört" man auch diese anderen Meinung, sei es durch offene Kritik, sei es durch verächtlichem Gedanken. Dies kann man wiederum auf die Grundemotion des Ärgers zurückführen.
Von dem Standpunkt der Gefühle aus leisten Gedanken und Handlungen mehrererlei. Zunächst einmal sind es die Elemente, an die sich Gefühle binden können. Zudem mischen sich die Grundgefühle in den Gedanken und Handlungen und können in unterschiedlicher Intensität ausgedrückt werden. Schließlich verfeinert eine reiche Gedankenwelt die Emotionen, bis zu dem Moment, in dem sie gar nicht mehr für uns wahrnehmbar sind.
So kann man abschließend sagen, dass die Grundemotionen zwar angeboren sind, deren Intensität, Mischung und Verfeinerung aber erlernt werden. Zudem erlernen Menschen auch, in welchen Situationen sie welche Gefühle bevorzugen.

Überlebensstrategien

Plutchik hat die Emotionen in der Evolution verankert. Er postuliert fünf wichtige Elemente, die jede Grundemotion ausmachen.
Das erste Element ist das Reizereignis. Damit ist ein Reiz gemeint, der aktuell vorliegt und mit dem besonderen Gefühl einhergeht. Das zweite Element ist die kognitive Einschätzung. Diese repräsentiert den aktuell wahrgenommenen Zustand. Als drittes Element kommt die subjektive Reaktion dazu, die aus dem Grundgefühl besteht. Schließlich gibt es noch ein Verhalten, das durch die Emotion ausgelöst wird und eine evolutionäre Funktion. Mit dieser wird die Anpassungsleistung an die Umwelt bezeichnet.
Ärger zum Beispiel wird durch ein Hindernis ausgelöst. In Gedanken wird dieses Hindernis als Feind bewertet (kognitive Einschätzung). Das dazugehörige Verhalten ist der Angriff und evolutionäre Funktion besteht in der Zerstörung eines Hindernisses.
Die Trauer begleitet den Verlust eines wertvollen Objekts. In diesem Fall stehen sich allerdings die kognitive Einschätzung und das Verhalten entgegen. Die kognitive Einschätzung ist, dass man das Objekt aufgeben sollte, während das Verhalten jemanden ruft. Dieser jemand ist entweder das verlorene Objekt selbst, oder jemand, der einem dabei hilft, dieses verlorene Objekt wiederzuerlangen.

Wie geht man mit Emotionen um?

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass man möglichst viele Handlungen kennen sollte. Zudem ist eine umfassende Bildung wichtig, um viele verschiedene Gedanken entwickeln zu können. Das klassische Lernen ist also ebenso notwendig für eine reiche Gefühlswelt, wie die praktischen Tätigkeiten.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass Gefühle in jedem Gedanken und jeder Handlung enthalten sind, aber nicht offen daliegen. Man kann sie jedoch aus dem Bewegungsimpuls erschließen. Um dies gut zu können, ist eine hohe Bewusstheit des eigenen Denkens und eine sensible Reflexion des eigenen Handelns nötig.
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, auf eine emotional besetzte Situation andere Gefühle auszuprobieren. So kann man zum Beispiel einen Menschen, auf den man ärgerlich ist, mit einem Gefühl der Überraschung "besetzen".
Gelingt dies, ersetzt man nämlich den Impuls zur Zerstörung durch einen Impuls, sich neu zu orientieren. Dadurch können aus einer Situation neue Einsichten entstehen. Bei dieser dritten Möglichkeit geht es allerdings nicht darum, sich emotional umzupolen, sondern ausschließlich darum, durch andere Gefühle eine andere Sichtweise auf eine bestimmte Situation zu erproben.

Emotionale Kompetenz

Folgt man den Gedankengängen von Plutchik, dann gibt es keine emotionale Intelligenz. Diese müsste nämlich angeboren sein. Stattdessen kann man von einer emotionalen Kompetenz reden. Diese kann erlernt werden, wenn auch nur auf dem indirekten Weg der wissenschaftlichen, kulturellen und praktischen Bildung.

Zählen, Zusammenfassen, Abstrahieren

Wenn das Zählen durch das Rechnen zusammengefasst wird, dann ist das Diagramm insgesamt vielleicht keine Synopsis, sondern eine Verkürzung von Handlungen durch Automatisierung.
So kann eine Menge in die Vorstellung eines strukturierten Materials übersetzt werden (zum Beispiel in Einer, Zehner und Hunderter in Form von Klötzchen, Stäben und Flächen). Die Vorstellung selbst aber muss gelernt werden, und von der verkürzenden Vorstellung der ursprüngliche Handlungszusammenhang verfügbar sein.
Dann könnte man auch, umgekehrt, sagen, dass man ein Diagramm erst dann verstanden hat, wenn es nicht nur als Bild, sondern als eine Sammlung automatisierter Handlungen begriffen wird.
(Wir müssten also jedes Diagramm wieder auf sinnlich-praktische, individual-menschliche Zusammenhänge zurückführen.)

Der Zahlenstrahl

Kinder auf dem Weg ins formale Denken zu begleiten ist gelegentlich eine recht aufregende Sache. Wie immer finden sich bei ihnen tausenderlei Wege an, die mal schneller, mal langsamer, mal ohne großes Zutun, mal nur mit massiver Hilfe zum schulischen, nein, eigentlich denkerischen Erfolg führt. Im folgenden Artikel werde ich eine knappe und auf weniges begrenzte Materialanalyse mit fachdidaktischen Überlegungen vorstellen.

Rechnen in Kultur

Abgekürztes Zählen

Rechnen, so lautet eine kurze, zunächst überraschende Definition, ist abgekürztes Zählen. Der Weg dorthin führt schließlich zu einem Verständnis vom Zahlenraum, der die moderne Kultur prägt, mathematisch gesehen aber nur einer von vielen ist. So ist seine Beherrschung auf der einen Seite Voraussetzung für eine kompetente Teilnahme an der Kultur, auf der anderen Seite aber das Modell, von dem aus die formale, d. h. eigentliche Mathematik aufgebaut werden kann.
Umso wichtiger ist es, beim Erwerb grundlegender Rechenfähigkeit den Finger auf kritische Momente zu legen und diese gründlich zu betrachten. Ein solcher Moment der Übergang vom Einheiten-zählen zum Kopfrechnen im Hunderterraum.

Stützende Materialien

Auffällig sind dabei die vielen verschiedenen Materialisierungen, die dem Mathematiklehrer zur Verfügung stehen, vom Kastanienhaufen bis zu den Aufgabenbündeln der halbschriftlichen Addition, wie man sie häufig in Mathematikbüchern findet. Dass diese Materialien nicht einfach nur Materie sind, sondern dem rechnenden Denken voraus laufen und es stützen, schreibt Sybille Krämer in ihrem Buch Figuration, Anschauung, Erkenntnis:
Ob mit den Fingern unserer Hand, mit Perlen des Abakus, mit Rechensteinen auf dem Rechenbrett oder mit schriftlichen Zeichen auf dem Papier hantierend: Komplexe Zahlenprobleme werden lösbar durch regelhafte Manipulationen mit taktil und visuell zugänglichen Konfigurationen, die ihrerseits mit für uns unzugänglichen, nicht beobachtbaren Objekten und deren Relationen »irgendwie« verbunden sind. Das Rechnen zeigt auf elementare Weise: Geistige Tätigkeiten können so eingerichtet bzw. formatiert werden, dass sie in Gestalt handgreifliche Aktivitäten, situiert im Materialitätskontinuum der beobachtbaren Welt, vollzogen werden können. (12)

Flexibles formales Denken

Ergänzt werden muss diese Erläuterung dadurch, dass der materielle Umgang mit rechnerischen Operationen umgekehrt zum Aufbau von formalen Vorstellungen dient, sodass sich das Denken nach und nach vom materiellen Substrat ablösen kann. Ziel des Rechnens ist, den Zahlenraum in seiner Struktur und seinen Operationsmöglichkeiten zu erfassen. Ziel dieses Erfassens ist es, das Zählen flexibel abkürzen zu können. Flexibel heißt in diesem Fall, dass Rechnen in unterschiedlichen pragmatischen Situationen formal wie inhaltlich richtig verwendet wird.

Der Erwachsene und das rechnende Kind

Automatischer Erfolg

So hoch die Ziele des Mathematikunterrichts auch sind, denn nichts anderes als eine sehr eigene Art des Denkens und der Weltbetrachtung durch eine Sprache, die nicht semantisch, sondern relational ist, wird hier angestrebt; so hoch diese Ziele auch sind, so ist er Erfolg doch regelmäßig feststellbar. Dies birgt trotzdem einige Probleme, wenn man als Erwachsener Zeuge oder Anleiter von Lernprozessen wird, in denen sich Kinder den Zahlenraum gerade erarbeiten.

Unbewusste Aneignung

Denn im zweitbesten Fall hat sich der Erwachsene die Operationen und die Struktur so gut angeeignet, dass er sie „im Schlaf“ verwendet. Er hat sie überautomatisiert, sodass sie nicht mehr bewusst ausgeführt werden. Dass dies allerdings ein langer Prozess war, der nach der ersten Beherrschung mit jeder weiteren Rechnung vertieft wurde, dessen erinnern die wenigsten. So ist die Fähigkeit eines Erwachsenen, ein Ergebnis zu „sehen“, keine Selbstverständlichkeit. Mit der Leichtigkeit, mit der wir rechnen, geht gelegentlich ein mangelnder Respekt für die Kinder einher, die erst noch zu einer solchen Leichtigkeit finden müssen.

Hürden der Aneignung

Umso wichtiger ist, sich klarzumachen, wie viele verschiedene Klippen und Hürden von Kindern überwunden werden. Dazu dient eine penible und dichte Beschreibung, die ich hier an einigen wenigen, aber zentralen Rechenmaterialien aufzeigen möchte. Dabei wird der Zahlenstrahl im Zentrum stehen.
Es gibt allerdings noch einen zweiten Grund, warum zumindest Grundschullehrer sich gerade auf die Materialität ihrer Lernhilfen gut anschauen sollten. Gerade für die schwächeren Kinder muss man eine hohe Sensibilität auch für die feinstofflichen Ansprüche erarbeiten; und dazu gehört, dass man die Zwiespältigkeiten eines Modells genauso wie die Brüche beim Übergang von einem Modell zu einem anderen versteht. Um nur ein Beispiel zu nennen: der Zahlenstrahl verläuft regelmäßig von links nach rechts aufsteigend, während die ausgeschriebene Zahl von rechts nach links aufsteigt. Kindern mit einem schlechten Körpergefühl oder einer Regelunsicherheit kann dies zum Verhängnis werden und den weiteren Mathematikunterricht sogar qualvoll machen.

Im Blickpunkt: das mathematische Material

Ziel ist die Beherrschung des Zahlenraums; doch der pädagogische Anspruch muss notwendig dazu führen, den Weg dorthin genauer zu betrachten. Dazu gehört auch das mathematische Material.
Dieses möchte ich im folgenden genauer anschauen, besondere den Zahlenstrahl, aber auch die Zahlen selbst und das Hunderterfeld, welches häufig zeitgleich oder sogar im Verbund für Übungen verwendet wird.

Materialisationen

Materielle Raumzeitlichkeit

Der Werkzeugcharakter des Materials führt auf eine Schnittstelle von Raum und Zeit zurück. Ist der Raum für sich abstrakt, so wird er durch die Gegenstände darin konkret. Dasselbe gilt für die Zeit, sofern diese sich durch Veränderungen kenntlich macht. Diese Raum-Zeit wird erhandelt. An ihrer Schnittstelle findet sich der menschliche Körper, der auf seine Umwelt einwirkt.
Da der Mensch Raum und Zeit nur mittelbar begreift, spricht man auch von Verzeitlichungen und Verräumlichungen, mit denen der Mensch nicht nur auf seine Umwelt einwirkt, sondern diese erschafft.
So wird auch klar, warum Rechnen Lernmaterial braucht. Nur dadurch, dass der Zahlenraum zunächst räumlich präsent ist, kann er durchwandert werden und nach und nach ihm eigenen Raumzeitlichkeit als kognitive Struktur vorgestellt und angeeignet werden.

Vom substanziellen zum topologischen Raum

Dabei ergibt sich eine erste Schwierigkeit. Die reine Mathematik braucht einen topologischen, nicht-substantiellen Raum. Über alle Hilfsmittel der Materialisierung hinweg ist das Ziel also auch, das Denken mathematischer Topologien zu ermöglichen und zu fördern, aber eben nicht zu hindern.
Aus der Zählreihe, die ein Zahlenstrahl zunächst ist, soll eine Zahlenreihe werden, deren innere Struktur zum Lösen abstrakter und konkreter Probleme dienen kann. Kern des Problemlösens ist aber zunächst die Transformation.

Transformierendes Handeln

Schon im Zählen finden wir eine solche. Eine beliebige Menge durch das Zählen in eine Reihe gebracht und Lautbildern verbunden. Das Abzählen, auch wenn es noch sehr ungeschickt ist, führt regelmäßig dazu, dass gleiche oder ähnliche Elemente in eine Reihe gelegt werden. Damit wird auch einer der Aspekte des Zahlbegriffs erfasst: eine Zahl bezeichnet die Stellung eines Elementes in einer Reihe.
Auch die andere grundlegende Operation wird entdeckt und rasch mit Zahlen in Verbindung gebracht: aus einem Haufen wird durch das Zählen eine Menge. Gleichförmige Objekte lassen sich bündeln und sie lassen sich sogar in mehrere Bündel einteilen, die man wiederum für sich zählen kann, unabhängig der Elemente, die sich darin befinden. Eine Zahl bezeichnet die Mächtigkeit einer Menge.

Entzeitlichen

Im Bündeln wird noch eine dritte Sache erfahren, die topologische Räume kennzeichnet: diese sind „unzeitlich“; auch wenn sie Prozesse abbilden, liegen diese doch nebeneinander. Beweisen braucht zwar seine Zeit, doch der vollzogene mathematische Beweis erstreckt sich vom Anfang bis zum Ende auf der Fläche eines Papiers und kann dort in alle Richtungen durchmessen und begutachtet werden. Beständig wird die Zeit des Handelns aus der mathematischen Darstellung wieder entfernt. Selbst das Abkürzen und Zusammenfassen von Kastanien, einer Tätigkeit, die nur in der Zeit stattfinden kann, wird von den fertigen Häuflein nicht angezeigt. Schon bei grundlegenden Rechenhandlungen ist die zeitliche Abfolge darin oft unsichtbar oder sogar unverfügbar.
Da auch die Art und Weise der Materialisierung eigentlich keine Rolle spielt, besteht Rechnen durch die Abbildung eines topologischen Raumes auf sich selbst oder auf einen anderen topologischen Raum (zum Beispiel ein Koordinatensystem).

Das EIS-Modell

Dass aber Mathematik nicht vom Material abhängig ist, ermöglicht, mit verschiedenen Repräsentationen zu arbeiten. Eine für uns hier hinreichend gute Einteilung solcher Repräsentationen ist das EIS-Modell. Dabei steht E für enaktive Medien, also solche, an denen man Handlungen ausführt, I für ikonische, also solche, die man sinnlich wahrnimmt, schließlich, mit S, symbolische, die etwas anderes als sich selbst repräsentieren. Nun ist diese Einteilung kritisch zu sehen. Mit was man handelt, muss sinnlich präsent sein. Da aber in jedem Material auch Verhältnisse zu entdecken sind, die nur indirekt behandelt werden können und unsinnlich bleiben, bilden sich daran auch Symbole aus. Auf den Erwerb solcher Symbole ist die Mathematik gerichtet.
Da wir aber fließende Übergänge im Material finden, müssen wir dies auch beim Erwerb von Rechenkompetenz beachten und uns zu Nutze machen.

Repräsentation des Mathematischen

Betrachten wir zunächst das Bündeln genauer.
Enaktiv geschieht dies, wenn eine Zahlenreihe nicht Schritt für Schritt, sondern in Zweierschritten oder Fünferschritten abgezählt wird, so wie ein Verkäufer die Anzahl der Ein-Cent-Stücke aus seiner Kasse durch Zehnerbündelung rasch zu einer Gesamtsumme zusammenzählt.
Manche in der Schule verwendete Zahlenstrahle sind auf mehrfache Weise ikonisch gegliedert. So werden neben den Einern durch kurze Striche die Fünfer durch mittlere und die Zehner durch längere Striche markiert. Zudem sind die Zwischenräume von den geraden Zahlen blassblau, vor den ungeraden Zahlen blassgelb und damit in Zweierbündel eingefärbt.
Auf die symbolische Repräsentation werde ich gleich etwas ausführlicher eingehen. Wichtig ist hier zunächst den Unterschied zwischen der enaktiven und der ikonischen Repräsentation hinzuweisen.
In der enaktiven Repräsentation wird Zeit durch die körperliche Bewegung sichtbar: deshalb verweist diese auf die Reihe, während die ikonische Repräsentation, zumindest in ihrer üblichsten Form als visuelle, oft Mengen darstellt. Natürlich können auch hier Reihen dargestellt werden, doch erfordern diese häufig zusätzliche hinweisende grafische Elemente, zum Beispiel Pfeile oder, wie in Mathematikbüchern der Grundschule üblich, hüpfende Mäuse und dergleichen mehr. Beide zusammen verdeutlichen den Mengen- und den Reihenaspekt von Zahlen.

Zahlen

Ikon und Symbol

Was nun die Zahlen angeht, so sind diese zwar einerseits symbolisch. Die Ziffer ›4‹ besitzt so wenig Ähnlichkeit mit den vier Stiften, die vor einem Schüler liegen, wie das Wort ›Hund‹ mit dem Hund des Nachbarn.
Trotzdem besitzen Zahlen einen Rest an Ikonizität, bilden also ein anderes Bild in gewisser Weise ab. Die Bedeutung einer Ziffer innerhalb einer Zahl ändert sich zwar mit dem Platz, an dem sie steht. Aber wo immer auch sie zu stehen kommt, ergibt sie im Gesamtzusammenhang eine Zahl.
Würfelt man dagegen die Buchstaben eines Wortes durcheinander, erhält man auch sinnlose Kombinationen. Dadurch kann man aber auch sagen, dass die einzelnen Stellen in einer Zahl zueinander ein geregeltes Verhältnis besitzen. Sie lassen sich durch Gesetzmäßigkeiten ausdrücken, während der zweite Buchstabe in dem Wort ›Hund‹ kein anderes Verhältnis zu dem dritten hat, als dass diese eben so zusammenstehen müssen.
Die Stellen in einer Zahl beschreiben etwas, wenn auch innerhalb einer streng formalen Norm, während die Stellen in einem Wort rein normativ sind. (Allerdings vernachlässige ich hier die Morphologie von Wörtern, die dann doch eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen lassen.)

Innere Analogie

Das spezifische innere Verhältnis von Zahlen kann analogisch betrachtet werden: ein Hunderter verhält sich zu einem Zehner wie ein Zehner zu einem Einer. Dieses Verhältnis ist in der Zahl gerichtet und verläuft von rechts (der kleinsten Zahl) nach links (der größten Zahl). Gegenüber dem Zahlenstrahl und dem Hunderterfeld besitzt die symbolisch codierte Zahl einen Vorteil: Sie arbeitet nicht mehr mit räumlichen Proportionen von gleichwertigen Elementen, sondern mit einer gleichartigen Bündelungsart: immer zehn von der nächst niedrigeren Mächtigkeit. Nur so können Einer auf dieselbe Weise gebündelt werden, wie Zehner, Hunderter und Tausender.
Deutlich dürfte sein, dass sich auch hier einige Hürden aufzeigen lassen. Die erste Hürde ist die Richtung. So zeigen die Zahlenstrahlen von links nach rechts, während die Zahl von rechts nach links zeigt. Zudem ist die Benennung der Zahlen gelegentlich anders als die Stellen, die aufgeschrieben werden müssen. Wir sagen zwar ›dreihunderteinundsiebzig‹, aber wir schreiben nicht ›317‹ sondern ›371‹. Wird die Zahl dagegen in ihrer Richtung anders aufgefasst, liest man gelegentlich auch ›713‹.

Kontextbedeutung von Zahlen

Eine andere Hürde kann sich daraus ergeben, dass Zahlen zwar häufig, aber nicht nur zum Rechnen benutzt werden. Wenn Peter im Haus mit der Nummer 5 wohnt, Jörg dagegen mit der Nummer 6, wohnen sie, wenn sie zusammenziehen, nicht automatisch im Haus mit der Nummer 11.
Auch lassen sich aus dem Gewichtsangaben für die Zutaten eines Plätzchenteiges nicht die Anzahl der Plätzchen mathematisch errechnen. Dieses Verhältnis lässt sich nur abschätzen; nun ist abschätzen ebenfalls eine wichtige mathematische Kompetenz, aber eine, die wir hier beiseite lassen wollen.

Bedeutungsvielfalt materialisierter Zahlen

Deutlich aber sollte sein, dass Zahlen in unserer Umwelt nicht nur im streng mathematischen Sinne ordnen, sondern auch noch andere Ordnungs- und Orientierungsfunktionen wahrnehmen können, und dass die Verknüpfung von Zahlen zwar formal möglich, aber häufig nicht praktisch und sinnvoll ist.
Zudem sollte klar geworden sein, dass der formelle Abstand zwischen der Kastanienreihe und dem Zahlenstrahl ein gänzlich anderer ist, als der zwischen einem Zahlenstrahl und dem Aufbau der symbolisierten Zahlen. Insbesondere aber die als Wort ausgeschriebene Zahl bereitet Kindern immer wieder Mühe, da sie eine Unterbrechung der Gerichtetheit beinhalten.

Das Hunderterfeld

Aufbau des Hunderterfeldes

Um die Leistungsfähigkeit der symbolisierten Zahlen zu verdeutlichen, schauen wir uns jetzt das Hunderterfeld an. Das Hunderterfeld enthält die ersten 100 Zahlen, angefangen mit der Eins. Das Feld ist in zehn Zeilen und zehn Spalten aufgeteilt. Werden die Zahlen ausgeschrieben, so steht die Eins in der Ecke links oben, die 100 in der Ecke rechts unten. Von der Eins aus wird zunächst nach rechts weiter gezählt. Sobald die erste Zeile gefüllt ist, wird die zweite von links nach rechts ausgefüllt, und so weiter bis zum letzten Feld.
Die einzelnen Felder stehen dann zusammen mit der Symbolisierung darin für jeweils eine Zahl. Die Gleichförmigkeit wird durch die gleichgroßen Quadrate des Feldes unterstrichen. Allerdings wird die Linearität des Zahlenstrahls aufgebrochen. Und auch die Möglichkeit des Immer-weiter-so, welches manche Kinder im Zahlenstrahl entdecken, scheint das Hunderterfeld nicht zu bieten. Es ist begrenzt, oder wird als begrenzt wahrgenommen.

Problematische Übergänge

Nun kann das Hunderterfeld zwar zur Verwirrung führen; denn zum einen ist für manche Kinder das Wechseln der Zeile beim Abzählen schwierig: sie geraten regelmäßig zum Beispiel beim Übergang von der 30 zur 31 entweder auf die 21 oder die 41. Und zum anderen verwirrt Kinder gelegentlich auch der fast entgegengesetzte Aufbau von Zahlenstrahl und Hundertfeld: ist beim Zahlenstrahl die Zahl durch einen Strich repräsentiert, der Sprung aber durch eine weiße Lücke, so ist im Hundertfeld die Zahl ein weißes Feld, während der Sprung durch die als Strich gezeichnete Abgrenzung zweier Felder dargestellt wird.

Verdeutlichungen

Trotz dieser Unsicherheiten bietet aber dieser Wechsel auch mehrere Vorteile. Die verschiedenen Repräsentationen fördern die Kinder, vom materiellen Substrat abzusehen und den Zahlenraum zu denken. Zum anderen verdeutlicht der besondere Aufbau des Hunderterfeldes den Aufbau der Zahlensymbole. Es erfährt nämlich deutlicher, dass 37 + 6 und 57 + 6 im Ergebnis zum selben Einer führen und in dieselbe Spalte.

Rechenstrategien

Grundlegend müssen Kinder nicht nur das Rechnen im Hunderterraum lernen, sondern vor allem auch Rechenstrategien. Rechenstrategien helfen Kindern, günstigere Rechenwege zu finden und dadurch schneller zu richtigen Ergebnissen zu kommen. Eine Rechenstrategie ist zum Beispiel 99 + 88 in folgender Weise zu rechnen: 100 + 90 und dann 3 abzuziehen. Je länger Zahlen werden, umso eher können und müssen verschiedene Strategien miteinander kombiniert werden. Dann aber ist es günstig, wenn diese vorher gut eingeübt worden sind, so dass sie automatisch gesehen und ausgeführt werden.

Wege zum formalen Denken

Abstrahieren und verinnerlichen

Didaktisch gesehen hat dieser Teil des Mathematikunterrichts zwei Aufgaben, die mehr und mehr zusammengeführt werden: es führt die Kinder von der Materialisierung über die Visualisierung zur reinen Vorstellung, und zugleich führt es sie vom Handeln über das Sehen zum Denken. Der Unterricht hat als Leitlinien die zunehmende Abstraktion und die zunehmende Verinnerlichung und als Ziel das formale Denken.

Mathematisieren

Einen der wichtigsten Aspekte werde ich allerdings nicht beleuchten: das Mathematisieren oder, länger formuliert, das mathematische Modellieren. In der angewandten Mathematik werden mathematische Zusammenhänge in die Umwelt hinein- und herausgelesen. Solche Formalisierungen helfen gerade durch ihre Strenge und ihre begrenzte Sicht auf die Wirklichkeit auch wieder, dieses andere, das Nicht-Formalisierbare, in den Blick zu rücken.

Sachtexte

Tatsächlich bildet aber gerade dieser Aspekt für mich auch noch zahlreiche Hürden. Er ist wesentlich komplexer zu beschreiben als der oben dargestellte. Dass man ihm doch mit einiger Dringlichkeit Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte, wird nicht nur daraus verständlich, dass angewandte Mathematik den weitaus größten Teil mathematischer Praxis in wohl jeglicher Kultur ausmacht. Zudem liegt gerade bei der Vermittlung auch für Kinder und Lehrer eine besondere Hürde. Dies sieht man schon alleine daran, dass Sachaufgaben nicht sonderlich beliebt sind.