27.05.2018

In Kürze

Zeit zum Schreiben? Ja, aber wenig bis gar keine Zeit, es dann für die Veröffentlichung zu überarbeiten.
Was ich mache, gemacht habe? Einen Kanban-Kurs. Kanban ist auch als Solo wunderbar. Kleine, konkrete Ziele setzen, wie man dies Tag für Tag in der Schule macht. Nur ist es im privaten Bereich etwas entspannter.
Einen Scrum-Kurs. Spannend, und erinnert ein wenig an die Montessori-Pädagogik (jedenfalls mehr als an die alltägliche Schulpraxis).
Dann noch: Python, insbesondere itertools und functools, numpy und pandas. Letzteres wieder über einen Kurs, den ich aber durch ausgiebige Ausflüge in die Dokumentationen anreichere. Auch dafür habe ich eigentlich keine Zeit. - Tant pis!

13.05.2018

Von beunruhigender Vieldeutigkeit

Eigentlich wollte ich, schon in den Osterferien, ein paar Notizen zu Heine ordnen und veröffentlichen. Daraus wurde nichts. Auch heute noch nicht. Ich habe viel, viel zu viel zu tun. Und das, obwohl mir die Schule gerade eine ganze Menge an Brückentagen beschert, bzw. verlängerten Wochenenden: drei innerhalb von vier Wochen.

Schema Z (oder L)

Tatsächlich habe ich aber auch an Lacan gearbeitet. Jacques Lacan hat in den fünfziger Jahren ein Schema ausgearbeitet, welches bei mir lange Zeit unter Schema Z gelaufen ist, welches ich jetzt aber auch als Schema L identifiziert habe. Und sofern ich mich in meinen Kommentaren nicht trüge, wird es bei jedem Interpreten anders gedeutet. Das ist unschön.
Nun, nicht ganz. Jede Interpretation hat etwas für sich, aber man läuft eben doch in Gefahr, dass man, wenn man sich einfach nur auf eine Interpretation bezieht, bei all jenen, die andere Bücher gelesen haben, Unverständnis hervorruft.

Ein Doppelgänger

Zentral bei meiner damaligen Arbeit war die erste Ballade aus Traumbilder, eines der ganz frühen Werke Heinrich Heines, genauer Traumbilder II. Diese ist aufgebaut wie ein Märchen, mit einer dreimaligen Prüfung und sich wiederholenden Dialogen (mit minimalen Änderungen).
Die ›wunderschöne, süße Maid‹ erinnert durchgehend an einen „schrecklichen Doppelgänger“; ihre Verquickung mit dem Tod wird schon in der „Rahmenerzählung“ angedeutet: „Ein Traum, gar seltsam schauerlich, / Ergötzte und erschreckte mich.“ (Zeilen 1+2)
Erzähltechnisch haben wir es hier aber auch mit einer Ankündigung zu tun, die in der letzten Zeile des Gedichts (Zeile 88) durch das „und bin erwacht“ abgeschlossen wird, also mit einer klassischen Technik des Spannungsaufbaus. Zum Spannungsaufbau gehört auch die dreimalige Prüfung.

Spiegelstadium und Ideal in der Sprache

Aus der lacanschen Psychoanalyse kennen wir die Folgen des Spiegelstadiums. Hier empfängt der Säugling vor dem Spiegel sein eigenes Bild als ein äußerliches. Von Anfang an gehört also das Selbstbild nicht dem Säugling selbst, sondern der Kultur und ihren Apparaturen. Dies führt, entlang dieser kulturellen Matrix, zu einer Wandlung des Selbstbildes in den technologischen Umfeldern.
Nun gibt es eine zweite Art und Weise des Subjekts, nach seiner Vollständigkeit und Einheitlichkeit zu haschen: diese besteht darin, jenes Wort zu finden, das ganz und gar für sich selbst steht und doch „das Richtige“ bedeutet. Damit wendet sich das Subjekt der Sprache zu, bzw. der sprachlichen Ordnung, die es aber nur sprechend durchmessen kann. Die Struktur der Sprache wird in der sprachlichen Handlung erfahren, aber nicht überblickt. So ist die sprachliche Ordnung für das Subjekt fragmentiert. Und sie ist umso mehr fragmentiert, als dem Sprechenden bewusst wird, dass die Sprache ein abstraktes Schema, das Sprechen aber eine konkrete Handlung ist.

Idylle und Schaum

Heine zeichnet nun dieses Erwachen aus einer Idylle („Blumenland“, Zeile 17) in starken Bildern nach. Das Statische und Statuenhafte der einleitenden Verse gerät rasch in Bewegung und wird zweimal durch die Verse „Und als sie dies gesprochen kaum, / Zerfloss das ganze Bild, wie Schaum. –“ (Zeilen 35/36, 59/60) abrupt unterbrochen, um sofort wieder anzusetzen (gleich einem Wiederholungszwang).
Nun mag ich nicht weiter auf all die Bezüge in Heines Gedicht eingehen. Aber schon diese eingeflochtene Formel hat es „in sich“: ist sie doch auf der einen Seite ein Verweis auf eine umgedrehte Geburt der Venus, die hier eben nicht dem Schaum entsteigt, sondern in ihn zurückkehrt. Und auf der anderen Seite greift dieser Vers die damals wohl hervorragend bekannte Mär der Undine auf, die aus Kummer über die unerwiderte Liebe zu Schaum zerfließt.

Eine Beunruhigung

So weit, so gut. Ein wenig hatte ich gehofft, aus meinen ersten Notizen samt Lacan eine festere, klarer strukturierte Interpretation erstellen zu können. Es ist mir nicht gelungen. Ob dies nun nur der stippvisitenartigen Arbeitsweise, meinem nun fast schon tragischen Unverständnis für Lacan oder aber der realen Vieldeutigkeit des Textes geschuldet ist, mag ich gar nicht entscheiden. Jedenfalls ist die Vieldeutigkeit beunruhigend.

01.05.2018

Schwarzes Buch

Ich gebe zu, ich bin verfallen. Einem Buch, das ich zwar schon seit einiger Zeit besitze, aber erst heute beginnen konnte. Es ist ein schwarzes, depressives Buch, aber zugleich eine kluge, in Halbsätzen doch auch mutmachende Analyse. Gemeint ist Der Rechtsruck. Skizzen zu einer Theorie des politischen Kulturwandels von Markus Metz und Georg Seeßlen, denen wir bereits so schöne düstere Bücher wie Blödmaschinen und Freiheit und Kontrolle verdanken.
Besonders frappant finde ich die Aussagen zum Umkippen sogenannter Linksintellektueller in Rechtsintellektuelle, wie etwa bei Jürgen Elsässer oder Jean Ziegler. Tatsächlich, und da gebe ich den beiden Autoren durchaus sehr recht, hat sich innerhalb des liberalen Milieus ein Dogmatismus ausgebreitet, der eine feindliche Übernahme gar nicht mehr nötig machte. Auch der Gedanke, dass das linke bürgerliche Milieu sich mehr um Identitätspolitik als um Solidarität über die Grenzen verschiedener Lebenswelten hinweg gekümmert habe, kann ich gut nachvollziehen. Auch die Universitäten sind längst in die innere Emigration und die äußere Abgrenzung gegangen: symptomatisch dafür, dass ich lesen durfte, dass die geschlechtersensible Sprache wenigstens an den Universitäten durchgesetzt sei und das sei ja die Hauptsache. Auch so wird eine tolerante, auf Dialog bedachte Umgangsweise durch zunehmend verhärtete Strukturen aufgefressen.
Dass der Konservatismus sich heute nicht einmal mehr die Mühe gibt, zumindest öffentlich das Volk in den Mittelpunkt zu stellen, kann man an solchen Horrorgestalten wie einen Jens Spahn sehen. Die AfD gibt sich ja gelegentlich zumindest noch die Mühe, ihren neoliberalen Ausverkauf in faschistisch-rassistisch-völkisches Kasperletheater zu verkleiden.
Kann man also das Buch empfehlen? Nein, natürlich nicht. Es ist zu gut, zu klar, zu gelassen. Man kann sich seinen Argumenten nicht entziehen. Und um des lieben, eigenen Seelenfriedens willen sollte man die Finger davon lassen. Wer sich dagegen über die Zerwürfnisse der Demokratie informieren möchte, dem seien diese Seiten wiederum ans Herz gelegt.

Ich lese auch: oder würde gerne lesen:
Slavoj Zizek: Lacan. Eine Einführung
Dietrich Eggert: Raum-Zeit-Inventar
Letzteres trägt den sperrigen Untertitel: der Entwicklung der räumlichen und zeitlichen Dimension bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter und deren Bedeutung für den Erwerb der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen.