02.08.2008

Metaphern

Metaphern sind ein wichtiges Werkzeug im Coaching und der systemischen Beratung. In diesem Beitrag erörtere ich zunächst linguistische Begriffe wie Zeichen, Metapher, Vergleich & Analogie, Symbol, Pictura, Inscriptio/Subscriptio/Emblem. Diese Abschnitte habe ich durch Übungen ergänzt. Von diesem Grundgerüst aus kritisiere ich die Unschärfe des Metaphern-Begriffs in der Coaching-Literatur. In zwei Beispielen nehme ich anschließend auf Techniken des Coachings bezug.


Eine ausführlichere Ausführung finden Sie in meinem E-Book Metaphorik. Strategien der Verbildlichung.









Metaphern werden heute - in der therapeutischen und in der Coaching-Literatur - gerne mit anderen rhetorischen Mitteln verwechselt, zum Beispiel der Analogie, oder der Pictura oder dem Symbol. Verwechseln ist vielleicht nicht das richtige Wort: übermäßig zusammengefasst trifft es eher. Denn die Metapher ist die Grundlage dieser anderen Figuren.
Da Metaphern ein hervorragendes Mittel sind, um etwas zu verbildlichen, sollte man sich mit ihnen etwas genauer beschäftigen. Da Metaphern aber auch sehr abgedroschen sein können, ist eine etwas genauere Beschäftigung mit ihnen sinnvoll, um sie besser einsetzen zu können.
Verbildlichungen sind deshalb so nützlich, weil sie auf die synthetischen Funktionen des Gehirns zugreifen und so analytische und synthetische Bereiche zusammenbringen. Das Bild überrascht, erhöht die Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit und kann eine angespannte Situation spielerisch oder humorvoll auflockern.

Zeichen

Metaphern basieren auf Zeichen. Die Formel für die Metapher lautet: ein Zeichen für ein anderes.
Was aber ist ein Zeichen? - Zunächst besteht ein Zeichen aus drei Komponenten: Signifikant, Signifikat und der Relation zwischen beiden. Der Signifikant ist zum Beispiel der Ausdruck "Tisch", den ich in einem Zusammenhang äußere, um jemanden darauf hinzuweisen, dass er sich an den Tisch setzen soll. Man bezeichnet den Signifikanten im Falle des Sprechens auch als Lautbild. Beim Schreiben heißt er dementsprechend Schriftbild (und nicht, wie oft gesagt, Schriftzeichen). Das Signifikat dagegen ist das Vorstellungsbild, also das, was man sich unter einem /Tisch/ vorstellt.
Vorstellungbild und Lautbild, Signifikat und Signifikant zusammen bilden ein Zeichen. Die Beziehung zwischen beiden Teilen ist sehr unterschiedlich geregelt, meist aber durch eine kulturelle Gewohnheit. Denn zwischen dem Lautbild "Tisch" und der Vorstellung eines Tisches gibt es keine Ähnlichkeit und auch keine Notwendigkeit. Die Beziehung ist rein willkürlich; und kann trotzdem nicht so ohne weiteres geändert werden, da unsere Sprache sich auf diese Gewohnheit stützt. Käme ich in eine Bäckerei und würde mit der Ansage "Sieben Tische" in Wirklichkeit drei Schrippen haben wollen, würde ich nur auf Unverständnis stoßen.

Metaphern

Metaphern ersetzen ein Zeichen durch ein anderes. "Achilles, der Löwe" - das klassische Beispiel für eine Metapher - ist in Wirklichkeit schon eine Gleichsetzung, die durch die syntaktische Form ausgedrückt wird. Trotzdem ist natürlich auch das eine (erweiterte) Metapher. Wie man sich Achilles vorzustellen hat, ist ein wenig schwierig. Vermutlich so, wie man dies durch den Troja-Film kennt, Brad Pitt mit Brustpanzer und Beinschienen und markig zusammengekniffenen Augen. Und ein Löwe ist eben ein Löwe.
Da sich aber Achilles und Löwe weder durch ihr Lautbild noch durch das Vorstellungsbild ähneln, spricht man von einer Ersetzung oder eben einer Metapher.
Nun ist die Frage, was eine Metapher leistet. Denn ersetzen kann man vieles und das mit durchaus unterschiedlichem Erfolg.
Eine Metapher bildet einen heimlichen Oberbegriff, bzw. stützt sich auf eine unausgesprochene Eigenschaft. Für Achilles und seinen Löwen ist diese Eigenschaft die Stärke, die Achilles hat und die durch den Löwen "illustriert" wird. Heute würde man vielleicht sagen: Achilles, der LKW.
Oder wenn man zu seinem Kind sagt: "Na, du Hummel?", weil es von einer Ware zur anderen im Supermarkt fliegt, wie eine Hummel von Blüte zu Blüte. Wobei man hier schon merkt, dass manche Metaphern nur eine gemeinsame Eigenschaft evozieren, andere Metaphern ganze Bilderfolgen und damit in den Bereich der Analogie oder der Pictura übergehen.

Übung I

Suchen Sie sich einige Personen aus Ihrem Umfeld, schreiben Sie einige ihrer Eigenschaften auf und suchen Sie zu diesen Eigenschaften andere Lebewesen, Dinge oder Ereignisse, die auch diese Eigenschaften besitzen. Bleiben Sie dabei auf der spielerischen Ebene, lassen Sie also auch Absurdes zu.
Beispiel: Peter → verschwiegen → Bankgeheimnis, Grab, Orion (der Stern, nicht der Versandhandel), ...
Am besten, Sie legen zu jeder Person eine kleine mind-map an. Von der Person weg gibt es dann eine erste Stufe mit deren Eigenschaften, und eine zweite Stufe mit anderen Lebewesen, Dingen und Ereignissen.
Der zweite Teil der Aufgabe besteht darin, diese Verbindungen in Sätze zu verwandeln. Schreiben Sie zu jeder Verbindung einen Satz, wobei Sie die Eigenschaft nicht erwähnen.
Beispiel: "Peter ist unser Orion."
Hier wie auch bei allen folgenden Übungen kommt es nicht so sehr auf die Tauglichkeit an. Beim Produzieren von Ideen sind 95% immer Mist und können kurz darauf in den Papierkorb wandern. Trotzdem hat diese Übung den Effekt, Metaphern leichter zu bilden: ihre Wirkung entfaltet sich also zunächst nicht im Ergebnis, sondern im Einschleifen von Denkmustern.

Übung II

Suchen Sie sich eine Eigenschaft und notieren Sie dazu Lebewesen, Personen, Ereignisse und Gegenstände, die dazu passen. Dazu passen heißt zunächst nur, dass diese für Sie passen, nicht für andere. Gerade bei emotional gefärbten Eigenschaften wie "lästig", "erotisch", "kauzig" sind das meist sehr subjektive Einschätzungen.
Beispiel: lästig → Mücken, Straßenlärm, pöbelnde Betrunkene, ...
Auch diese Beispiele verpacken Sie in Bilder: "Mücken sind die pöbelnden Betrunkenen des Finnlandherbstes." (Keine Angst: unter all solchen schrägen und teilweise holprigen Sätzen finden sich dann auch ein paar echte Knüller.)

(Metaphorischer) Vergleich/Analogie

Vergleiche und Analogien setzen Metaphern an mehreren Punkten. Zu einem Schüler, der immer wieder Probleme hatte, die Buchstaben zu einem Wort zusammenzuziehen, sagte ich: "Du kennst dich ja gut mit Flugzeugen aus. Bei einem Flugzeug ist das doch so: Es fährt, hebt ein wenig vom Boden ab, fällt auf den Boden zurück, hebt ein bisschen länger ab, fällt auf den Boden zurück und das noch zwei-, dreimal, bis es schließlich ganz abhebt und fliegt." (Dem Schüler habe ich das Bild dann natürlich näher erläutert: dass es ein Bild des Lernens ist und dass er sich keine Sorgen machen muss, wenn sein "Flugzeug" noch einmal den Boden berührt und er selbst sich kräftig durchgeschüttelt fühlt.)
Die Formel für den Vergleich lautet: a verhält sich zu b wie x zu y. - Im metaphorischen Vergleich wird der zweite Teil meist nur angedeutet: a verhält sich zu b (wie x zu y).
Bei Matthias Pöhm findet man eine ganze Menge solcher Vergleiche, unter anderem folgende:
(Tony Blair besetzt nach einer "Wahlniederlage" etliche Ministerposten neu) → "Was Blair hier macht, ist das bloße Umstellen der Liegestühle auf der Titanic."
(Angelika Merkel feiert sich drei Monate vor der Bundestagswahl als Siegerin) → (Joschka Fischer:) "Gegenwärtig kommen Sie mir mit Ihren Umfragen wie ein wunderbar anzuschauendes Souflé im Ofen vor. Wir werden sehen, was von der Größe in den letzten drei Wochen übrig bleibt, wenn der Souverän da hineinpiekst."
Solche Vergleiche werden aus allen Bereichen der Kultur herangezogen: aus Klassikern (Titanic), aus der Küche (Souflé), aus der Tierwelt, der Technik, etc.
Hier muss man schon etwas trickreicher mit allen möglichen Formen der Metapher arbeiten; so wie Joschka Fischer die Umfrageergebnisse als Souflé bezeichnet, damit schon andeutet, dass da viel Luft drinnen ist, und das Hineinpieksen als Metapher für die echte Wahl dann zu einer nur sehr andeutungsvollen Verbildlichung nutzt: was bleibt davon übrig? recht wenig, wenn es zusammengefallen ist. Das ist dann eine Mischung aus Metapher, Personalisierung und Anspielung.
Man unterscheidet hier auch zwischen dem bildspendenden Bereich (z.B. Backen eines Souflé) und einem bildempfangenden Bereich (z.B. Wahlkampf).
→ Übrigens ist die Bibel voller Gleichnisse (falls jemand das nicht weiß), und insofern auch für die Rhetorik ein großartiges Buch: man denke nur an das Gleichnis vom Sämann, vom verlorenen Sohn oder vom barmherzigen Samariter. Das Gleichnis (rhetorisch: Parabol) erweitert den Vergleich und ähnelt der Pictura.

Übung III

Mit diesen zahlreichen Möglichkeiten, einen bildspendenden und einen bildempfangenden Bereich zu kombinieren, müssen Sie jetzt auch spielen.
Beschreiben Sie einen Vorgang, einen technischen Ablauf, einen berühmten Abschnitt aus einem Film. Lassen Sie möglichst zwischen den Zeilen ein wenig Platz. Dann ergänzen Sie diesen Ablauf durch Umdeutungen auf den Büroalltag, die Kultur, die Politik, die Wirtschaft, das Liebesleben, die Kindererziehung, usw. Natürlich nicht auf alle gleichzeitig. Suchen Sie sich hier einen oder zwei Bereiche aus.
Spielen Sie mit den Metaphernmöglichkeiten, aber schaffen Sie keine fertigen Analogien. Denn was für den Schüler und seinem Lesenlernen gilt, gilt, auf anderer Ebene, für Sie, wenn Sie sich die Technik des Analogisierens erarbeiten wollen. Denn zum einen müssen Sie Ihre Aufmerksamkeit für die metaphorischen Möglichkeiten realer Vorgänge erhöhen; zum zweiten eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit der Wirklichkeit entwickeln (die Wirklichkeit ist nicht nur "wirklich", sondern auch "bildlich"); zum dritten braucht man eine gute Allgemeinbildung für das Analogisieren, und vor allem eine gut verbundene Allgemeinbildung, also eine, die sich rasch hervorholen lässt und regelmäßig genutzt wird; zum vierten aber ist es eine Gewöhnung an diese Technik und fünftes hat man selbst dann noch nicht eindeutig überzeugende Ergebnisse, sondern oft genug Ausschuss dabei.
→ Kreative Techniken sind extrem wichtig: was diese in Verruf gebracht hat, war der Glaube, jede geistige Blähung müsse schon gefeiert werden. In Wahrheit ist eine scharfe Auswahl erst das, was die kreative Phase nützlich macht. Kreative Ergebnisse müssen auf ihre Funktionalität überprüft werden.

Übung IV

Ein nettes Spiel, das man mit Freunden und Kollegen spielen kann: jeder bringt eine Tageszeitung mit - das muss keine ganz aktuelle sein -, man liest daraus einen kurzen Abschnitt vor oder fasst einen Abschnitt zusammen und schließt mit den Worten: "das ist wie ..."
Jetzt sind die anderen dran, diesen Bereich mit einer Metaphorisierung zu versorgen. Wer sich meldet und eine solche Metaphorisierung vorbringen kann (auch diese muss nicht "gut" sein), gibt das nächste Thema vor.
Hier sollte man ein wenig geduldig sein und eventuell dann in der Gruppe an dem Bild noch ein wenig herumbasteln. Und natürlich sollte man es sich ein wenig plauschig machen, und guten Wein bereitstellen. Oft wird nach einer Anfangsphase, die etwas zäher läuft, die Stimmung gelöst und man beginnt, wirkliche Ideen zu produzieren, die teilweise sehr skurril ausfallen, so dass man viel zu lachen hat.

Symbole

Im Prinzip sind Symbole nichts anderes als Vergleiche. Sie kommen meist aus einem klassischen Bereich; so zum Beispiel der Ausspruch "Das also war des Pudels Kern.", der anzeigt, dass hier etwas zum Vorschein gekommen ist, was vorher verborgen war (wobei die meisten nicht wissen, was dann folgt, aber nachzulesen ist im ersten Teil von Faust ab Vers 1324).
Symbole sind also kondensierte und hinreichend bekannte Anspielungen aus dem Zitate- und Sprücheschatz.

Übung V

Sammeln Sie Zitate und Sprüche. Notieren Sie sich den Sinngehalt und eine Situation, in der man diesen Spruch anwenden kann. Zitate und Sprüche gibt es haufenweise und billig. Deshalb ist es wichtig, diese - und wenn auch nur als Trockenübung - mit einem praktischen Gebrauch, einer Situation zu versorgen. Nutzen Sie dazu vor allem bekannte Klassiker (auch wenn diese heute niemand mehr kennt) und gehen Sie diese systematisch durch: den Faust, die Balladen von Schiller, Kleists Käthchen von Heilbronn oder den Prinzen von Homburg, die Effie Briest usw.

Übung VI

Symbole wirken auch dann besonders gut, wenn sie ein wenig verfremdet werden. Verfremden heißt hier, dass ein Klassikerzitat aus dem originalen Bereich in einen aktuellen Bereich übertragen wird. So zum Beispiel: "Zu Petra, der Tyrannin, schlich / Karl-Heinz, die Beschwerde im Gewande ..."; wenn man eine Situation auflockern möchte. Oder, wie ich mal (zu meiner eigenen Überraschung übrigens) in einem Referat sagte: "Das war die Nachtigall, noch nicht die Lerche."; denn die Studenten hatten den Satz, den ich davor geäußert hatte, als Schlusssatz verstanden (typisch Student: sobald man meint, etwas sei der Schlusssatz, wollen alle davonrauschen).
Hier also Ihre Aufgabe: verfremden Sie Klassiker, bekannte, unbekannte, möglichst solche mit einem ordentlichen Versmaß, in aktuelle Situationen. Ersetzen Sie so viele Wörter wie nötig, aber so wenig Wörter wie möglich, um hier ein Zusammentreffen zwischen Aktuellem und Klassischem plastisch zu machen. (→ wiki der geflügelten Worte)

Pictura

In dieser Bezeichnung steckt unverhohlen das Bild. Eine Pictura deutet nur noch an, dass es eine metaphorische Übertragung gibt. Typisches Beispiel ist wiederum ein mittlerweile Symbol gewordenes Bild: "Da geht eher das Kamel durchs Nadelöhr."
Nehmen wir das Beispiel von Joschka Fischers Souflé, dann hätte er eine pictura geschaffen, wenn er gesagt hätte: "Nun, so ein Souflé sieht im Ofen sehr prall und appetitlich aus. Sobald man aber hineinsticht, bleibt wenig davon übrig." - Die Übertragung in die aktuelle Situation hat dann der Hörer / Leser zu besorgen.
Meist steckt in solch einer Pictura eine feine oder grobe Ironie, eine indirekte Provokation. Sie kann analogisierend sein, wie bei dem Souflé, oder kontrastierend wie bei dem Kamel im Nadelöhr.

Inscriptio, Subscriptio → das Emblem

Klassischerweise werden solche Picturas dann mit einem Titelzitat und einer allgemeinen Weisheit versehen; die Herkunft der Pictura ist wörtlich zu lesen: dies war früher ein Bild, das meist einen Bibelspruch illustriert hat, so wie das Kamel im Nadelöhr, das aus dem Markus-Evangelium stammt (Markus 10,25).
Die Inscriptio bestand dann aus dem Bibelspruch, den die Pictura verbildlicht hat. Oder die Inscriptio bestand aus einem bekannten Klassikerzitat.
Die Subscriptio bildet die Übertragung in die aktuelle Situation. So wird in einem mittelalterlichen Flugblatt ein Kamel abgebildet, welches durch ein Nadelöhr geht und darunter findet sich folgender Spruch: "Was du nit glaubtest / das geschiht. / Wie? sol nicht ein Camel durch eine Nadel gehn? / Wann du den Teütschen Fried jetzt wider sihst entstehn."
Später wurde die Pictura meist schriftlich dargestellt:
PHÄNOMEN
Wenn zu der Regenwand
Phöbus sich gattet,
Gleich steht ein Bogenrand
Farbig beschattet.
Im Nebel gleichen Kreis
Seh' ich gezogen,
Zwar ist der Bogen weiß,
Doch Himmelsbogen.
So sollst du, muntrer Greis,
Dich nicht betrüben:
Sind gleich die Haare weiß,
Doch wirst du lieben.
(Goethe, GW II S. 13)
Die Inscriptio ist hier zu einem Titel zusammengezogen (Phänomen), die Pictura wird aus den ersten acht Versen gebildet, und die Subscriptio aus den letzten vier Versen.
Eine solche Pictura mit Inscriptio und Subscriptio nennt man auch Emblem oder, wenn die Pictura schriftlich ist, Goethe-Symbol.

Übung VII

Nehmen Sie eine Analogie, trennen Sie die Pictura und die Subscriptio und schreiben Sie zu beiden einen separaten Text, oder, wenn es Ihnen Spaß macht, ein Gedicht in klassischem Versmaß. Fügen Sie dann noch einen Titel oder einen Titel mit einem klassischen Zitat hinzu, wenn Sie ein passendes finden.
Gerade bei längeren Texten sollten Sie auf die Satzmelodien achten. Ein holpriger Text wird nicht so schnell als ein Gefüge aus komplexen Metaphern gelesen. Das Melodisieren allerdings verlangt viel Übung und Sprachgefühl. Probieren Sie das aus, aber überfordern Sie sich nicht.

Coaching-Begriffe

Die Coaching-Literatur finde ich verstümmelnd, was solche linguistischen Einheiten angeht. Dabei sind sie nicht schwierig gegeneinander abzugrenzen und insofern kann man sich auch dieser Begriffe auf eine saubere Art und Weise bedienen. Das Wischiwaschi mancher Trainer führt dann zum Beispiel dazu, dass keine richtige Erklärung mehr stattfindet, die dem Klienten ein sauberes Einüben von Techniken ermöglicht.
Neben einer klaren Begriffsbildung ist eine genaue Operationalisierung aber wichtig.
Man fängt begriffliche Unsicherheiten heute zum Beispiel auch mit dem Verweis auf die Unsicherheit kreativer Leistungen auf. Und das ist ja richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob ich keine Metapher herstellen kann, oder ob ich keine passende Metapher herstellen kann. Metaphern kann man immer herstellen. Nur passen tun sie eben selten. Aber auch da mache ich einen Unterschied: es geht nicht um das kreative Genie, sondern zunächst um das Einschleifen eines Musters, eines Denkmusters, das Metaphern leicht produziert. Deshalb ist Üben das A und O auch bei kreativen Techniken. Hat man diese ordentlich eingeübt, wirken sie längst nicht mehr so kreativ, sondern entfalten einen eher technischen Charakter.

Coaching-Tool I: Die provozierende Pictura

Marc Minor hat im Buch Coaching-Tools mit seinem Aufsatz Metaphorik noch eine recht vorsichtige Anwendung des Begriffs geliefert. Im Grunde bietet er eine Mischung aus Traumreise und provozierendem oder evozierendem Bild an.
Die Coaching-Technik bietet ein Bild an, an dem sich, durch den Coach gelenkt, der Klient abarbeitet, indem er die einzelnen Elemente des Bildes nach und nach metaphorisiert. So stellt Minor als eine sehr fruchtbare "Metapher" die "Ladenmetapher" vor (die eigentlich Ladenpictura heißen sollte): Anhand eines Ladens werden vom Klienten konkrete Elemente assoziiert, die Lage des Ladens, das Schaufenster, die angebotenen Waren, ecetera., so dass sich hier eine konkrete, aber zugleich metaphorische Mischung aus Wünschen, Ist-Zuständen und Symptomen bietet.
Diese Technik hat etwas von einer Traumreise, wie sie früher, in den 80er-Jahren häufig praktiziert wurde und zum Teil auch heute noch üblich ist - deutlich nüchterner, denn man strickt hinterher keine Socken mehr und häkelt keine Hosen.
Im Gegenteil wird diese Pictura dazu verwendet, den Klienten herauszufordern und insofern ist sie provozierend. Minor spricht davon, dem Klienten die Ausgangssituation "möglichst plastisch, untheoretisch und verdichtet darzustellen". Das ist natürlich auch eine Funktion einer provozierenden Pictura. Wichtig bleibt dabei aber auch ein ganz anderer Aspekt: eine unmetaphorische Sprache klebt an den Dingen, als seien diese in der Sprache verdoppelt und darin genau so real wie in der Wirklichkeit. Der Einsatz von metaphorischen Techniken dagegen öffnet eine Kluft, die auf der einen Seite spielerisch ist, auf der anderen Seite den Raum der Wunschvorstellungen, Ängste, Symptome öffnet.
Die Pictura wirkt also nicht nur diagnostizierend, sondern irrealisierend. Sie entfernt die Klebrigkeit des Realen, sie macht Denkweisen des Möglichen erfahrbar, und erschließt damit natürlich den Raum für neue Handlungen und neue Wege.

→ Der Aufsatz von Marc Minor ist übrigens hervorragend; nur die Begrifflichkeiten hätten anders gewählt werden dürfen.

Coaching-Tool II: Insistierende Bilder klären

Manchmal bedrängen uns Bilder und kehren immer wieder und wieder, wie eine Art Vorstellungszwang. Dass man an solchen Bildern arbeiten sollte, scheint uns selbstverständlich.
Viel wichtiger aber sind solche Bilder, die nicht offen insistieren, sondern die verdeckt ihre Wirkungen ausüben. Diese gilt es wieder ins Spiel zu bringen: indem der Coach sie mehr oder weniger systematisch abklopft. Dabei fragt der Coach zunächst nach einer allgemeinen Verbindung ("Welches Hobby haben Sie seit Jahren aufgegeben?"), lässt den Klienten dann ein Wunschbild imaginieren ("Wie sähe Ihr Leben aus, wenn Sie dieses Hobby zu Ihrem Beruf gemacht hätten?"), und dann eine Bewertung fantasieren ("Was würde Ihr Verkaufsleiter/Ihre Frau/ein Kunde X zu einem solchen Leben sagen?"). Hier erkennt man schon in der Dreiteilung das Emblem: Titel, Bild, Sinnspruch.
Tatsächlich liefert Bernd Schmid in seinem Artikel Sinn stiftende Hintergrundbilder professioneller Szenen ein mustergültiges Emblem (aus: Coaching-Tools, S. 110):
Frage: "Was wollten Sie als Kind werden?"
Antwort: "Schäfer! Das hab ich mal im Kino gesehen." (Titel/Inscriptio)
Frage: "Angenommen, Sie wären Schäfer geworden. Ihr Leben 'X, der Schäfer' wäre verfilmt worden und dieser Film läuft im Programmkino und draußen im Schaukasten hängt ein Szenenfoto: Was ist da zu sehen?"
Antwort: "Da sitzt der Schäfer in der Abendsonne vor seinem Wagen, streichelt seinen Hund und schaut auf gerade geborene Schäfchen." (Pictura)
Frage: "Angenommen, ein Mann und eine Frau kommen auf ihren Abendspaziergang vorbei und betrachten das Szenenfoto. Im Weitergehen hört man sagen: Da sieht man mal, dass ..."
Antwort: "... ein besinnliches Leben glücklich macht!" (Sinnspruch/Subscriptio)
Hier haben wir also in der ersten Antwort die Inscriptio, in der zweiten die Pictura und in der dritten Antwort die Subscriptio. - Die Technik beruht auf einer Art Titel, nach der der Coach fragt, dem konkreten und sinnlichen Auskleiden dieses Titels und der Moral aus der Geschichte. Der Coach stößt im Prinzip nur die Denkbewegung an, während der Klient halbbewusste oder unbewusste Bilder emblematisiert, das heißt in einen größeren Zusammenhang packt.

Diese Technik macht vorbewusste Bilder zugänglich und regt zu deren Verarbeitung an.
Das Problem dieser vorbewussten Bilder ist, dass sie wirken, aber wir nicht die mindeste Handhabe besitzen, diese Wirkung zu kontrollieren. Natürlich sind nicht alle diese vorbewussten Wirkungen schlecht und es ist sogar wahrscheinlich, dass die meisten eher positiv zu werten sind. Doch im einen wie im anderen Falle spricht nichts dagegen, die Wirkungen in einen bewussteren Bereich zu heben.
Die Metaphorisierung dieser Bilder durch Inscriptio und Subscriptio geht nun gerade nicht auf Symptome zu, verengt also nicht den Bedeutungsbereich auf (vermutlich) pathologische Prozesse, sondern schafft einen Spielraum. Man muss diesen Spielraum nicht so eng anlegen und auf so eine starke Führung Wert legen, wie Bernd Schmid das tut. Aber es ist ein gutes Beispiel, wie ein recht komplexes rhetorisches Muster auch im Coaching-Bereich aufzufinden ist und wie man dieses professionell einsetzt.

Schluss

Es gibt eine strenge, klassische Definition der Metapher und zahlreiche weitere rhetorische Techniken, die auf die Metapher aufbauen. Eine bessere Kenntnis dieser Muster kann nicht nur Coaching-Techniken klären, sondern diese rascher handhabbar, schärfer und leicher vermittelbar machen.
Der Begriff der Metapher ist in der Praxis allzusehr verwässert worden, und das fast zeitgleich zu einer umfangreichen Diskussion in der Philosophie, was denn die Metapher eigentlich sei (ich erinnere an Paul Ricoeurs Buch La métaphore vive, an Derridas La mythologie blanche, an Lacans Le discours de Rome, oder an Anselm Haverkamps Anthologie Die paradoxe Metapher).
Man muss ja nicht den ganzen Wendungen und Streitpunkten der Sprachphilosophie folgen. Da aber scharfe Begriffe ein scharfes Handwerkzeug liefern, sowohl bei der Diagnose als auch bei der Durchführung, ist eine differenziertere Behandlung metaphorischer Phänomene sinnvoll und notwendig.

3 Kommentare :

textcoach drescher hat gesagt…

Interessanter und aufschlussreicher Artikel - danke!

ulrike.drescher@textcoach.at

Frederik Weitz hat gesagt…

Gern geschehen!

Henriette hat gesagt…

Ich bin total begeistert. Ich liebe das Spiel mit Metaphern, wende es beim Schreiben aber viel zu selten an.
Du hast mir wieder auf die Sprünge geholfen - Danke.
Henriette