31.12.2012

Immer diese Eindeutigkeiten. Fabers Schuld.

Ich hatte mich eine Zeit lang an dem Buch von Claus Gigl (Einfach Deutsch: Homo Faber … verstehen. Schöningh-Verlag) und von Manfred Eisenbeis (Lektürehilfen. Homo Faber. Klett-Verlag) abgearbeitet. Im Moment kommentiere ich ein Buch von Alexandra Wölke, ebenfalls aus dem Schöningh-Verlag und der Reihe Einfach Deutsch. Hier handelt es sich um Unterrichtsmodelle für den Lehrer. Ich hatte zuallererst den Abschnitt über Demeter und Kore gelesen, weil ich zu diesem Thema tatsächlich keinen Bezug herstellen konnte. Und der Abschnitt ist wirklich schön, mit einer vorsichtigen Gleichsetzung. Vorsichtig heißt hier auch, dass die Autorin sich sehr bewusst ist, dass diese Gleichsetzung nur eine Arbeitshypothese ist. Aber es ist eine sehr brauchbare Hypothese.

Trotzdem sollte man mit der Passage auch wieder sehr vorsichtig umgehen, denn die Rolle der Demeter und der Persephone sind in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich. Das lässt sich für mich besonders gut deutlich machen an einem ganz anderen Gott, nämlich an Hermes. Gigl schreibt in seiner Interpretationshilfe, dass Hermes die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt führe. Diese Rolle von Hermes lässt natürlich über die Schreibmaschine Hermes-Baby einen Interpretationsfaden knüpfen. Andererseits ist Hermes aber auch der Götterbote, der Botschaften aus dem Olymp in die sterbliche Welt bringt und so könnte man die Schreibmaschine als eine Art "göttliches Instrument" sehen. Gigls Problem ist also nicht, dass er hier eine Fehlinterpretation liefert, sondern auf konkurrierende Alternativen nicht eingeht. Und ähnlich scheint mir das bei Alexandra Wölke gelagert zu sein. Es gibt abweichende Mythen von der Persephone.

Wirklich schlimm fand ich aber folgende Behauptung:
"Weil er [Walter Faber] nicht zugeben will, dass sie [Sabeth] gefallen ist, als er ihr nackt zu Hilfe eilen wollte, wird sie nur ungenügend behandelt und stirbt an den Folgen der Kopfverletzung." (10)
Erstens wird nie ein Wort darüber verloren, wie Faber den Unfall gegenüber den Ärzten selbst darstellt. Wir können also überhaupt nicht sagen, dass Faber hier etwas nicht zugeben wolle. Zweitens aber wird die Ironie ausgeblendet: Nicht die Schlange (das mythische Element), sondern die Kopfverletzung (sozusagen das technische Element) ist für den Tod Sabeths verantwortlich. Von einer Kausalität ("weil") kann also nicht die Rede sein.
Man müsste bei den ganzen Interpretationshilfen tatsächlich diese Versessenheit herausarbeiten, Faber in eine grundsätzliche Schuld hineinzuinterpretieren. Hier offenbart sich ein sehr mythischer und deshalb auch sehr unwissenschaftlicher Zug in der Schulliteratur.

Im übrigen halte ich, je länger ich den Homo Faber lese, die Interpretation für umso schwieriger. Eine gute didaktische Reduktion vorzunehmen, halte ich für eine große Herausforderung.

Doppelgänger, und Sekundärliteratur zu Homo Faber

Aus der Ecke der ordentlichen Literaturwissenschaft gibt es kaum ausführliche Texte zum Homo Faber, wie überhaupt viel moderne Literatur ausgeblendet wird. Ich besitze ein Buch zu einem sehr speziellen Thema Elfriede Jelinek betreffend und ein allgemeineres zu Peter Handke. Das kann man aber kaum eine ordentliche Diskussion nennen. Es sieht fast so aus, als habe die Literaturwissenschaft ihren aktuellen Bezug aufgegeben und sich in der Zeit vor 1950 eingeigelt. Nun: Ganz so schlimm ist es natürlich nicht. Aber es ist schon auffällig, wie wenig zu unseren Nachkriegsschriftstellern publiziert wird.

So muss man beim Homo Faber vor allem auf Bücher für die Schule zurückgreifen und diese sind von Lehrern für Schüler oder von Lehrern für Lehrer geschrieben. Die Literaturwissenschaft, die hier eigentlich der Lehrperson die Sachanalyse zu liefern hat, ist, wie gesagt, meist nicht hilfreich, da entweder zu speziell oder gar nicht existent.

Was mich an den Homo Faber im Moment so bindet, ist diese Fähigkeit des Romans, alle Bezüge und alle Zusammenhänge immer wieder zu verunsichern und letzten Endes eine klarere Interpretation unmöglich zu machen.
Dabei interessiert mich zum Beispiel der Doppelgänger als Figur sehr. Es wird immer darauf hingewiesen, dass Professor O. ein Spiegelbild von Walter Faber sei. Und tatsächlich gibt es hier eine gewisse Doppelgängerei. Es gibt aber auch zum Beispiel den Anruf von Faber in seinem alten Appartement, die durchaus ebenfalls einen unheimlichen Doppelgänger bezeichnen könnte (ein typisch romantisches Motiv). Und natürlich gibt es einige Spiegelszenen in dem Roman.
Marcel zum Beispiel, der Kunsthistoriker, den Faber in den Urwald-Ruinen trifft, kann als Doppelgänger von Hanna gesehen werden, wenn auch als schräger und in gewisser Weise negativer. Während Hanna eine den Männern sehr kritische Position einnimmt, wiederholt Marcel einen alten Mythos, der Tod sei eine Frau (hier müsste ich nochmal genauer nachsehen, was Frisch tatsächlich schreibt, deshalb dies nur als Anregung nehmen).

Ich glaube, dass dieser zum Teil extrem ironische Wirbel an Symbolisierungen, die uns Frisch bietet, sehr viel mehr für die Interpretation des Werkes beachtet werden müsste und zumindest teilweise schon von den Schülern in der Mittelstufe geleistet werden kann.
Und was mich ebenfalls sehr fasziniert, ist diese verbissene Wut, mit der die Interpreten Walter Faber sterben lassen wollen. Als ob sie sich an der Romanfigur (die Frage ist bloß wofür?) rächen wollten. Oder als müssten sie sich aus Unsicherheit an dem Tod als letzte Sicherheit festhalten, weil sonst die Interpretation nicht mehr funktioniert.

Analogieschluss. Spezifischer: ich, der Antisemit!

Ende November bekam ich auf eine Buchrezension vom Autor eine sehr böse Antwort. Zugegeben: freundlich bin ich mit dem Autor nicht umgegangen. Er hat eine Interpretationshilfe zum Homo Faber geschrieben und darin unter anderem behauptet, Walter Faber sterbe am Ende des Romans. Dies und zwei andere Kritikpunkte habe ich exemplarisch aufgeführt (es sind noch einige mehr), den Autoren einer schlechten Interpretation geziehen und nur einen Punkt vergeben mit der Aufforderung, die Finger von diesem Buch zu lassen.
Nein, das hat dem Autoren gar nicht gefallen!

Seine Antwort, warum seine Interpretation (die vom Tod Fabers) richtig sei, hat er versucht, mit dem Analogieschluss zu begründen. Ich habe ihm darauf hin einen falschen Gebrauch des Analogieschlusses vorgeworfen und dies in einem Artikel auf suite101 allgemein für die Literaturinterpretation genauer ausgeführt (Der Analogieschluss in der Literaturinterpretation).

Vor zwei Wochen habe ich dann eine E-Mail bekommen, wohl von einem anderen Deutschlehrer, der den Analogieschluss als richtig eingesetzt verteidigt hat. Nun, er hat ihn nicht verteidigt, sondern er hat einfach behauptet, dass das so richtig sei. Auf eine Nachfrage, was er damit meine, hat er die Richtigkeit des Analogieschlusses als Behauptung wiederholt (Marke: Analogieschlüsse sind richtig, weil sie richtig sind).
Ich habe ihm dann versucht zu erklären, warum Analogieschlüsse keinesfalls unter solchen Umständen zu Wahrheiten führen und zwar, ich gebe es zu, mit einem höchst moralischen Thema. Ich habe nämlich folgenden Analogieschluss konstruiert: „Ich habe noch nie Außerirdische gesehen. Außerirdische existieren nicht.“ (das ist die eine Seite des Analogieschlusses) und dies dann folgend ergänzt: „Ich habe noch nie Auschwitz gesehen. Auschwitz existiert nicht.“ Und schreibe noch danach: „Einer solchen Schlussfolgerung kann man doch nicht allen ernstes zustimmen.“
Ergebnis dieses kleinen E-Mail-Verkehrs war, dass ich als übler Antisemit beschimpft wurde. Das hat mich nun wirklich erstaunt.

Das Beispiel des Analogieschlusses von Außerirdischen auf Auschwitz zeigt übrigens die tatsächliche Gefahr und das tatsächliche Problem von solchen Analogieschlüssen. Solche Schlussfolgerungen erhalten ihre Konsistenz aus der empirischen Basis. Aber schon hier muss man aufpassen: Konsistenz heißt noch lange nicht Wahrheit. Letzten Endes müssen Analogieschlüsse, die die schwächste und unsicherste Art der Schlussfolgerungen darstellen, möglichst durch bessere und sicherere Schlussfolgerungen ersetzt werden.
Ob dort jemand durch die Welt läuft, sich vorstellt, dass Walter Faber stirbt oder sich grün anpinselt, das ist mir doch eigentlich ziemlich egal. Methodisch aber habe ich hoffentlich deutlich gemacht, wohin eine solche Argumentationsweise im Zweifelsfall führen kann: zu einer Auslöschung von Tatsachen (also zum Beispiel zur Leugnung von Auschwitz). Und das finde ich dann überhaupt nicht mehr lustig.

30.12.2012

Kleine, weibliche Lesezirkel

Ich hoffe, Ihr hattet ein schönes Weihnachtsfest. Ich bin seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag schon wieder da, habe aber viel am Schreibtisch sortiert, zwischendurch ein wenig gelesen und vorgestern war ich den ganzen Tag bei meinem „Porno“-Klaus (das ist ein Insiderwitz).

Was der Unterschied zwischen neuen und alten Romanen sei. Sie müsse darüber eine Facharbeit verfassen. Fragt eine junge Frau auf Facebook. Und bekommt dienstbeflissen die Antwort: Odysseus, die Zerstörung von Troja.
Eine andere, etwas übereifrige Antwort war: klassische Romane sind immer dicke Romane und nur dicke Romane werden klassische Romane. Man werde Harry Potter und Twilight auch in 100 Jahren noch lesen, weil die dick seien.

23.12.2012

Belastungsbremse und Leistungsgerechtigkeit

Ich hatte vor einigen Tagen bereits auf den sehr schönen Artikel von Hans Hütt hingewiesen: Feuerkraft aus der Belastungsbremse.

Herr Hütt und ich sind uns übrigens in diesem Fall nicht so ganz einig, was eine Katachrese ist. Und in diesem Fall bin ich mir nicht so ganz sicher. Es geht um das Wort Belastungsbremse.
Ich hatte die Katachrese in einen referentiellen und einen metaphorischen Teil eingeteilt. Der metaphorische Teil metaphorisiert den referentiellen. Beispiel: Stuhlbein. Stuhl ist der referentielle Teil, Bein der metaphorische. Allerdings ist diese Katachrese mittlerweile so konventionell, dass wir sie kaum noch als rhetorische Figur anerkennen würden.

Auf jeden Fall ist das Wort Belastungsbremse eine doppelte Metapher und das ist das eigentlich Spannende. Was metaphorisiert eine Metapher, wenn sie eine Metapher metaphorisiert?
Doch machen wir langsam. Last ist ein physikalischer Begriff, Belastung ebenso. Der eine bezeichnet ein Gewicht in Bezug auf das Material eines Trägers (zum Beispiel: dieser Holzbalken trägt die Hauptlast des Daches), der andere (Belastung) dagegen bezeichnet eher die Kraft, die vom einen zum anderen Gewicht wirkt.
Metaphorisch ist die Belastung in diesem Fall, weil kein physikalischer Vorgang bezeichnet wird. Belastet wird das Privatvermögen.
Ähnlich kann man jetzt das Wortbremse aufschlüsseln. Bremse ist ein Wort aus dem Bereich der Mechanik.

Bei Komposita ist es immer schwierig zu sagen, ob es sich um einen genitivus objectivus oder genitivus subjectivus handelt. In diesem Fall: handelt es sich um eine Belastung der Bremse oder um eine Bremse der Belastung? Jedenfalls lässt sich dies häufig schon nicht bei einem unmetaphorischen Kompositum leicht sagen. Bei diesen metaphorisierenden wird es nun völlig wild. Denn was hier wie und wo übertragen werden soll, bleibt recht unklar. Das meint Hütt wohl auch damit, wenn er zum Schluss die Hypothese in den Raum stellt, Lindner würde sich einfach mit seinen Metaphern berauschen.

Ein anderes schönes Wort: Leistungsgerechtigkeit. Lindner fordert Leistungsgerechtigkeit. Aber das ist schon im Ansatz falsch, da das Geld ein Signifikant für das Signifikat Arbeit ist, das Geld eher eine Axiomatik, denn ein Ausdruck. So existiert auf der grundlegenden Ebene schon kein kausaler Zusammenhang zwischen Arbeit und Geld, sondern lediglich ein konventioneller. Ob ich für ein Buch sieben oder acht Euro ausgeben muss, ist ja keine natürlich gewachsene Sache, sondern auf der Entscheidung von irgendjemanden beruhend.
Wollte man die Leistungsgerechtigkeit tatsächlich ernst nehmen, also das, was die Menschen tatsächlich produzieren und nur dieses, mithilfe ihrer Arbeitszeit, dann müsste man bei manchen der besser Verdienenden auf jeden Fall den Spitzensteuersatz knapp unter 100 % ansetzen.
Nun bin ich gar nicht gegen die gut verdienenden Wohlstandsbürger. Ich finde das ja immer ganz niedlich, wenn sich einer dieser Luxuskinder mit seinem Ferrari um einen Baum wickelt und dann die Mutter gezeigt wird, wie sie versucht unglücklich auszusehen und dabei nur ihre Gesichtsoperationen ein wenig hin- und herschiebt. Mir geht es zunächst nur darum, dass hinter dem Wort Leistungsgerechtigkeit, das dem Herrn Lindner so einfach über die Lippen kommt, ein sowohl ökonomisch als auch ethisch höchst komplexer Zusammenhang steckt. Da kann man nicht einfach so ja dazu sagen, genauso wenig wie nein. Da muss man erstmal nachdenken, den Sachverhalt auflösen und die Zusammenhänge erläutern. Und dann kann man sich vielleicht um die Leistungsgerechtigkeit tatsächlich auch mal politisch kümmern. Lindner jedenfalls wird das nicht.

19.12.2012

Mehr Wut, mehr Analyse

Manchmal ertrage ich einfach diese Kindle-Autoren nicht mehr. Ich finde es ja eigentlich sehr lobenswert und interessant, dass der Büchermarkt nun allen Menschen offen steht und jeder seinen Beitrag leisten kann. Aber manche Menschen veröffentlichen hier und haben noch nicht mal den Ansatz eines Sprachgefühls. Vielleicht werde ich später über einige der Autoren lästern.

Dagegen gefällt mir einiges in der Blogsphäre sehr sehr gut. Ich möchte, wie bereits des öfteren, auf den sehr lesenswerten Rhetorik-Blog von Hans Hütt und seinen letzten Artikel Metaphernschule: Feuerkraft aus der Belastungsbremse hinweisen. Dazu werde ich auch nochmal etwas schreiben, einfach, um ein paar Anbindungen an mein theoretisches Vokabular zu ermöglichen. Was Hütt als Metapher bezeichnet, bezeichne ich vorwiegend als Katachrese.

Eine gute rhetorische Analyse findet man auch immer wieder bei Feynsinn. Sein letzter Beitrag: Du gehörst dir nicht.

Was mich an beiden Bloggern sehr überzeugt, ist ihre Fähigkeit, Sprache zu analysieren. Hier zeigt sich auch die wesentliche Aufgabe einer guten Rhetorik: sie klärt über die sprachlichen Machenschaften auf. Und es ist ein wichtiges Gegengewicht gegen die üble Tendenz, Sprache nicht nur manipulierend zu gebrauchen, sondern sich auch noch damit zu brüsten: Alter Wein in alten Schläuchen.
Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft solche Menschen: solche, die analysieren können, auch wenn sie deutlich die Wut über die aktuellen Zustände umtreibt.

Verharmlosung von Morden an Frauen; geschmacklose Berichterstattung

Die Denkwerkstatt, ein Blog, den ich gerne lese, veröffentlicht leider viel zu selten, aber neulich eben mal wieder: Verlinkt.

Familientragödie

Vor einigen Tagen wurde in Österreich eine Mutter vor dem Kindergarten niedergestochen, aus dem sie ihr Kind abholen wollte. Täter war der Ehemann. Warum aber, so fragt sich die Bloggerin  zurecht, wird dies als Familiendrama bezeichnet. Das ist kein Familiendrama. Das ist Mord. Und dann natürlich auch ein Familiendrama. Vor allem für das Kind. Aber Mord taugt als Wort wohl wenig. Schließlich ist der Krimi das beliebteste Genre im deutschsprachigen Raum. Drama dagegen hört sich nach einer großen Erzählung an, nach Leidenschaft, nach Untreue, Lügen und ähnlichem.

Tickernde Geschmacklosigkeit

So titelt diestandard.at und kommentiert die wirklich üble Idee, am Ort des Verbrechens einen so genannten Live-Ticker über die Geschehnisse einzurichten. Das Ergebnis ist nicht nur eine journalistische Katastrophe, sondern auch von herausragender ethischer Geschmacklosigkeit.

Was mich an der ganzen Sache so fasziniert, ist dieses eigenartige Ineinander von Verharmlosung und Skandalisierung. Die Frau als Opfer wird verharmlost, aber die Tat als solche ist einer mehrminütigen Berichterstattung wert. Das ist eine doppelte Missachtung des Opfers.
Es ist aber für alle Frauen auch ein Schlag ins Gesicht. Eine Abwertung feministischer Errungenschaften. Das Wort Familiendrama nämlich suggeriert, dass die Familie geschädigt wurde und zwar erst gerade im Moment. Was aber heißt das, wenn der Mann bereit ist, seine Frau zu erstechen? Hat das Drama nicht schon wesentlich früher stattgefunden? Und muss sich die Frau selbst noch in ihrem Opfersein der Familie unterordnen? Der Feminismus ist doch mal angetreten, genau solche Zusammenhänge aufzulösen und nicht mehr zuzulassen. Gilt dies alles nicht mehr?

15.12.2012

Eine wunderbare Analogie: Papst und Gerhard Schröder

Dass die Analogie ein wunderbares Mittel für das Kabarett ist, zeigt Volker Pispers:
Um die Armee finanzieren zu können hat der Schah von Persien in guter amerikanischer Menschenrechtstradition seine eigene Bevölkerung derart unterdrückt und geknebelt, dass die verzweifelten Perser sich eines Tages hinter einen religiösen Führer gescharrt haben, um den Diktator loszuwerden. Der religiöse Führer hieß Ayatollah Khomeini. Da ist jetzt sympathisch nicht das Wort der Wahl. Sie spüren aber schon, wie verzweifelt die Perser gewesen sein müssen. Oder ahnen Sie das Ausmaß an Verzweiflung, das notwendig wäre, dass Sie sich hinter den Papst stellen, um Gerhard Schröder los zu werden?

12.12.2012

Phil Collins, singt

"Was macht eigentlich Phil Collins zur Zeit?"
"Seit wann bist du denn nicht mehr im Supermarkt gewesen?"
Nachtrag 19.12.2012:
Irgendwie verstehen die Menschen diesen Witz nicht.

11.12.2012

Blöde Bauernweisheiten

Gerade habe ich mit meinem Bruder telefoniert (meinem jüngsten) und er hat mir folgende Bauernweisheit  mitgeteilt:
Hat der Bauer Hühneraugen, trägt er Schuhe, die nichts taugen.
Johannes Flörsch hat mich neulich mit folgender Definition belustigt:
Ein anderes Wort für nymphoman: zwangsläufig.

Mikrologik IVd: Zimmer 1408 (Stephen King)

Ich habe zwischendurch etwas gekränkelt und dann die liegen gebliebene Arbeit aufholen müssen. Deshalb meine immer nur kurzen Stippvisiten im Blog. Außerdem habe ich mich etwas intensiver mit Herz von Midlothien auseinandergesetzt. Ich dachte mir, ein etwas älterer und spannender Erzähler wäre vielleicht auch mal ganz gut. Aber dieser Roman ist wiederum so symbolisch, dass er den normalen Spannungsgesetzen, also denen des modernen Spannungsromans, nicht folgt. Er eignet sich also nur schlecht für das, was ich darstellen möchte.
Hier noch einmal die Links zu den vorhergehenden Blog-Artikeln:

Zimmer 1408 (in: King, Stephen: Im Kabinett des Todes. Seite 463-513)

Moderne deutsche Spannungsliteratur scheine ich auch nicht zu besitzen (außer drei Romanen von Zoe Beck  und einer ganzen Menge schlecht geschriebener Thriller, die es nur als Kindle gab/gibt). Also greife ich doch wieder auf die guten alten amerikanischen Autoren zurück. Diesmal King. Wer die Geschichte weder aus dem Buch noch aus dem Film kennt: Protagonist ist ein mäßig erfolgreicher Autor, der Orte des Spukes untersucht und beschreibt, diesmal eben das Zimmer 1408 in einem Hotel. Der Direktor des Hotels versucht ihn davon abzubringen. Am Anfang verweigert er ihm sogar überhaupt die Möglichkeit, das Zimmer zu mieten. Der Autor muss sich diese Möglichkeit durch seinen Rechtsanwalt erkämpfen.
Beginnen wir erstmal wieder mit der Makroebene der Motiviertheit. Wie viele Gespenstergeschichten, basiert diese auch auf dem Spruch „curiosity killed the cat“. Der Drang, etwas Unbekanntes zu erforschen und dabei ein Geheimnis zu lösen steht einer tödlichen und befremdlichen Macht entgegen. Nicht umsonst könnte man zum Beispiel Conrads Herz der Finsternis fast als eine Gespenstergeschichte bezeichnen.
Auf jeden Fall gibt es auf Seiten des Protagonisten eine starke Eigenmotivation. Irgendjemand ist eigentlich immer „fast besessen“ (Besessenheit bedeutet eine Motivation über den gesunden Menschenverstand hinaus). Dies ist die Position des Autors in dieser Kurzgeschichte. Er will auf Teufel komm raus das Geheimnis des Zimmers ergründen. Auch die Position des Hotelmanagers ist sehr deutlich: er will eigentlich um jeden Preis den Journalisten davon abhalten, eine Nacht in dem Zimmer zu verbringen.
Es gibt aber noch einen dritten Handlungsträger: das Geisterzimmer selbst. Und hier wird es sehr schwierig, Motive anzugeben. Wollte das Zimmer nämlich einfach nur seine Bewohner umbringen, ginge das wesentlich schneller. Wozu also der ganze Hokuspokus? Man weiß es nicht. Der Spuk ist ein Phänomen, dessen Motiviertheit man nicht kennt.
Auf der Mesoebene der Motiviertheit fallen bei einer Kurzgeschichte wie dieser oftmals die großen Motiviertheiten und die Szenen-Motiviertheiten zusammen. Der Hotelmanager zum Beispiel hat eigentlich nur einen einzelnen Wechsel seines Bedürfnisses und damit einen einzelnen Wechsel seines Motivs. Zunächst möchte er den Autor aus dem Zimmer draußen halten, dann willigt er missmutig ein, weil er sowieso nichts anderes tun kann.

Die Szene selbst (Seite 466-467)

Der Autor sitzt ein letztes Mal in dem Büro des Hotelmanagers. Und ein letztes Mal versucht dieser, den Journalisten zu einer anderen Meinung zu bewegen. Der Autor heißt übrigens Mike Ensslin, der Hotelmanager einfach Mr. Olin. Um später besser verweisen zu können, nummeriere ich die Sätze durch.
(1) Mike setzte sich vor den Schreibtisch. (2) Er hatte erwartet, Olin werde dahinter Platz nehmen, aber Olin überraschte ihn. (3) Er setzte sich in den Sessel neben Mike, schlug die Beine übereinander und beugte sich dann über seinen straffen kleinen Schmerbauch nach vorn, um den Humidor zu berühren.
(4) »Zigarre, Mr. Ensslin?«
(5) »Nein, danke. Ich rauche nicht.«
(6) Olins Blick fiel auf die Zigarette hinter Mikes rechtem Ohr – in einem flotten Winkel geparkt, wie in alten Zeiten ein Witze reißender Reporter seinen nächsten Glimmstängel genau unter dem im Band seines weichen Filzhuts steckenden PRESSE-Ausweises hätte parken können. (7) Die Zigarette war so sehr Teil seiner selbst geworden, dass Mike im ersten Augenblick wirklich nicht wusste was Olin anstarrte. (8) Dann lachte er, nahm sie, nahm sie herunter, betrachtete sie und sah wieder zu Olin hinüber.
(9) »Hab seit neun Jahren keine einzige mehr geraucht«, sagte er. (10) »Mein älterer Bruder ist an Lungenkrebs gestorben. (11) Nach seinem Tod habe ich das Rauchen aufgegeben. (12) Die Zigarette hinter dem Ohr …« (13) Er zuckte mit den Schultern. (14) »Halb Affektiertheit, halb Aberglauben, denke ich. (15) Wie das Hawaiihemd. (16) Oder die Zigaretten, die manche Leute auf ihrem Schreibtisch stehen oder an der Wand hängen haben – in einem verglasten Kästchen, auf dem IM NOTFALL SCHEIBE EINSCHLAGEN steht. (17) Ist 1408 ein Raucherzimmer, Mr. Olin? (18) Nur für den Fall, dass ein Atomkrieg ausbricht?«
(19) »Es ist tatsächlich eines.«
(20) »Nun«, sagte Mike nachdrücklich, »das bedeutet eine Sorge weniger bei der Nachtwache.«
Rituale. Unter dem Aspekt der Motiviertheit kann man Rituale als feststehende Handlungsweisen sehen, die auf feststehende Weise irgendetwas befriedigen. Obwohl solche Rituale wahrscheinlich immer auf Bedürfnissen beruhen, verschwinden diese. Das Ritual ist sein eigenes Bedürfnis. In diesem Fall zum Beispiel: sich geordnet im Büro des Hotelmanagers hinsetzen.
Überraschung. In Satz (2) wird die Motiviertheit direkt angesprochen. Mike hatte erwartet …, aber Olin … — Solche kleinen Brüche, die kaum etwas Dramatisches darstellen, sind hervorragend zur Charakterisierung geeignet. Olin gibt sich nicht von oben herab. Er baut auch keine Distanz auf (was passieren würde, wenn er sich hinter den Schreibtisch setzen würde). Ein Stück weit im folgenden Dialog wird klar, dass er versucht, Mike auf der Ebene des Kumpels zu erwischen und ihn dadurch von einer Übernachtung abzuhalten. An dieser Stelle aber zeigt er vor allem eine gewisse Coolness. Er hat es nicht nötig, sich als Manager aufzuspielen.
Ab dieser Stelle, Satz (4) bis (16), wird nun die sehr private Motiviertheit von Mike erzählend auseinandergefaltet. Die Zigarette wird in ein Gespinnst aus kleinen Informationen eingeflochten. King macht sowas gerne. Es gibt immer wieder solche Gegenstände, deren Geschichte und deren Erlebnisse erzählt werden. Wenn ich mich recht erinnere (ich bin jetzt zu faul, nachzuschauen), dann nennt Genette dies Digression, die Abschweifung. Sie dienen weniger der Geschichte selbst, also dem Plot, als der Charakterisierung.
Die ganze Passage ist allerdings auch deshalb so günstig, weil sie sehr dicht an den sinnlichen Wahrnehmungen dran bleibt. King schafft es, anhand einiger weniger Aussagen eine ganze Szenerie aufzubauen: Mikes Schusseligkeit, der Tod seines Bruders, der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, das Rauchen durch diese eine, letzte Zigarette zu bannen.

Es mag euch vielleicht wundern, dass ich hier, obwohl es um Bedürfnisse geht, so wenig davon schreibe. Tatsächlich scheinen diese Bedürfnisse als „diffuse“ Möglichkeiten unterhalb der erzählerischen Ebene durch. Es geht hier eher darum, ein Gefühl für dieses „Schneegestöber“ winziger Motivationen zu bekommen, das gute Autoren wie selbstverständlich in ihren Text einbauen. Tatsächlich lassen sich viele dieser Motiviertheiten nicht präzise ausdrücken, ja noch nicht einmal richtig benennen.
Und trotzdem erscheint es mir sinnvoll, diesen nachzugehen und einen Text darauf hin zu lesen.

09.12.2012

Großartige Musik

Ein großartiges Stück Musik: Johnny Cash Hurt.
(Ich habe heute irgendwie Probleme zu schreiben. War stattdessen spazieren. In Berlin schneit es, mal in großen Flocken, mal fein und grisselig. Und auf jeden Fall ist es ziemlich kalt.)

03.12.2012

Haare, liebe Zombies, Haare

Ich liebe ja den ersten Resident Evil-Film. Besonders beeindruckend finde ich, dass alle Schauspieler rechtzeitig vorher beim Friseur waren.

Präzise Definition

Ich (das ist in diesem Fall der Papa von Moritz, Moritz ist drei): Moritz, du redest schon wieder von Sex. Du weisst doch noch gar nicht, was das ist.
Moritz: Doch, nackig ausziehen und dann tanzen!

02.12.2012

Kafkaesk

Auch wenn meine Bewertung nicht so gut ausfällt, so soll sie niemanden davon abhalten, das Buch zu lesen. Ich finde sogar, dass man dieses Werk gelesen haben sollte. Schließlich gehört es zur Kriminal-Literaturgeschichte.
So beurteilt Leseratte den Prozess von Kafka. Kriminal-Literaturgeschichte? Na, da verwundert es mich nicht, wenn die Autorin verwirrt ist.