31.12.2012

Doppelgänger, und Sekundärliteratur zu Homo Faber

Aus der Ecke der ordentlichen Literaturwissenschaft gibt es kaum ausführliche Texte zum Homo Faber, wie überhaupt viel moderne Literatur ausgeblendet wird. Ich besitze ein Buch zu einem sehr speziellen Thema Elfriede Jelinek betreffend und ein allgemeineres zu Peter Handke. Das kann man aber kaum eine ordentliche Diskussion nennen. Es sieht fast so aus, als habe die Literaturwissenschaft ihren aktuellen Bezug aufgegeben und sich in der Zeit vor 1950 eingeigelt. Nun: Ganz so schlimm ist es natürlich nicht. Aber es ist schon auffällig, wie wenig zu unseren Nachkriegsschriftstellern publiziert wird.

So muss man beim Homo Faber vor allem auf Bücher für die Schule zurückgreifen und diese sind von Lehrern für Schüler oder von Lehrern für Lehrer geschrieben. Die Literaturwissenschaft, die hier eigentlich der Lehrperson die Sachanalyse zu liefern hat, ist, wie gesagt, meist nicht hilfreich, da entweder zu speziell oder gar nicht existent.

Was mich an den Homo Faber im Moment so bindet, ist diese Fähigkeit des Romans, alle Bezüge und alle Zusammenhänge immer wieder zu verunsichern und letzten Endes eine klarere Interpretation unmöglich zu machen.
Dabei interessiert mich zum Beispiel der Doppelgänger als Figur sehr. Es wird immer darauf hingewiesen, dass Professor O. ein Spiegelbild von Walter Faber sei. Und tatsächlich gibt es hier eine gewisse Doppelgängerei. Es gibt aber auch zum Beispiel den Anruf von Faber in seinem alten Appartement, die durchaus ebenfalls einen unheimlichen Doppelgänger bezeichnen könnte (ein typisch romantisches Motiv). Und natürlich gibt es einige Spiegelszenen in dem Roman.
Marcel zum Beispiel, der Kunsthistoriker, den Faber in den Urwald-Ruinen trifft, kann als Doppelgänger von Hanna gesehen werden, wenn auch als schräger und in gewisser Weise negativer. Während Hanna eine den Männern sehr kritische Position einnimmt, wiederholt Marcel einen alten Mythos, der Tod sei eine Frau (hier müsste ich nochmal genauer nachsehen, was Frisch tatsächlich schreibt, deshalb dies nur als Anregung nehmen).

Ich glaube, dass dieser zum Teil extrem ironische Wirbel an Symbolisierungen, die uns Frisch bietet, sehr viel mehr für die Interpretation des Werkes beachtet werden müsste und zumindest teilweise schon von den Schülern in der Mittelstufe geleistet werden kann.
Und was mich ebenfalls sehr fasziniert, ist diese verbissene Wut, mit der die Interpreten Walter Faber sterben lassen wollen. Als ob sie sich an der Romanfigur (die Frage ist bloß wofür?) rächen wollten. Oder als müssten sie sich aus Unsicherheit an dem Tod als letzte Sicherheit festhalten, weil sonst die Interpretation nicht mehr funktioniert.

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