19.12.2012

Mehr Wut, mehr Analyse

Manchmal ertrage ich einfach diese Kindle-Autoren nicht mehr. Ich finde es ja eigentlich sehr lobenswert und interessant, dass der Büchermarkt nun allen Menschen offen steht und jeder seinen Beitrag leisten kann. Aber manche Menschen veröffentlichen hier und haben noch nicht mal den Ansatz eines Sprachgefühls. Vielleicht werde ich später über einige der Autoren lästern.

Dagegen gefällt mir einiges in der Blogsphäre sehr sehr gut. Ich möchte, wie bereits des öfteren, auf den sehr lesenswerten Rhetorik-Blog von Hans Hütt und seinen letzten Artikel Metaphernschule: Feuerkraft aus der Belastungsbremse hinweisen. Dazu werde ich auch nochmal etwas schreiben, einfach, um ein paar Anbindungen an mein theoretisches Vokabular zu ermöglichen. Was Hütt als Metapher bezeichnet, bezeichne ich vorwiegend als Katachrese.

Eine gute rhetorische Analyse findet man auch immer wieder bei Feynsinn. Sein letzter Beitrag: Du gehörst dir nicht.

Was mich an beiden Bloggern sehr überzeugt, ist ihre Fähigkeit, Sprache zu analysieren. Hier zeigt sich auch die wesentliche Aufgabe einer guten Rhetorik: sie klärt über die sprachlichen Machenschaften auf. Und es ist ein wichtiges Gegengewicht gegen die üble Tendenz, Sprache nicht nur manipulierend zu gebrauchen, sondern sich auch noch damit zu brüsten: Alter Wein in alten Schläuchen.
Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft solche Menschen: solche, die analysieren können, auch wenn sie deutlich die Wut über die aktuellen Zustände umtreibt.

13 Kommentare :

Hans Hütt hat gesagt…

Erst einmal vielen Dank!

Das historische Wörterbuch der Rhetorik (herausgegeben von Gert Ueding) teilt zum Lemma Katachrese eingangs mit:
"K. werden häufig als nicht im engeren Sinne rhetorisch gebraucht, sondern sind alltagssprachliche und unbewusste sprachliche Phänomene. Bd. 4 Tübingen 1998 (Es folgen dreieinhalb weitere Spalten, die für meine Zwecke hier nicht von Belang sind)

Mir geht es in der Tradition Klemperers "Sprache bringt es an den Tag" darum, den unbewussten oder zum Teil auch vorbewussten Aspekt in der politischen Sprache und Wortneuschöpfung genauer zu erfassen. Ich räume gerne ein, dass dabei mitunter ein gewisser Furor das eigene Schreiben beflügelt, wenngleich mir die Idee, dass das auf andere höhnisch wirkt, keine Freude bereitet.

Mal sehen, wie ich es schaffe, diesen unbewussten Aspekt nächste Woche bei dem 29c3 Kongress in Hamburg einem sprachlich wie politisch interessierten Publikum nahe zu bringen.

Noch mal vielen Dank für die kollegiale Resonanz!

Hans Hütt hat gesagt…

Da sind doch glatt zwei Wörter im ersten Satz verloren gegangen (vielleicht wegen der eckigen Klammern?), ohne die er unssing ist:

"K. werden häufig als "notwendige Metaphern" nicht im engeren Sinne usw.

Dem Satz folgt vor der Quellenangabe noch: Solche K. bezwecken keine rhetorische Wirkung, sondern Mitteilung.

Ich bitte um Korrektur. Danke!

Frederik Weitz hat gesagt…

Vielen Dank, Herr Hütt, für die Erläuterungen! Ich habe mich jetzt eigentlich nur ganz klassisch an die Beispiele gehalten, die in meinen Rhetorik-Büchern gebraucht werden, zum Beispiel Handtuch und Stuhlbein. Da mag meine Weiterverwendung für den politischen Bereich durchaus schwierig sein.

Die Kommentare kann ich nicht mehr verändern. Deshalb muss das jetzt leider so stehen bleiben.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall, und allen meinen anderen Lesern, fröhliche Weihnachten. Das Christkind (ich selbst) hat mir den Marcel Proust geschenkt, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Unknown hat gesagt…

"Manchmal ertrage ich einfach diese Kindle-Autoren nicht mehr..."
Tja, und manchmal kratzen leichtfertige Verallgemeinerungen am guten Ruf des Qualitätsbloggers. Denn dass es "diese Kindle-Autoren" als homogene Gruppe ebensowenig gibt wie "diese Ausländer" oder "diese Politiker" sollte inzwischen doch intellektuelles Allgemeingut sein. Sicher kommt aus den Reihen der unabhängigen Selbstverleger manchmal regelrechter Mist (den ich übrigens, oh Wunder, auch in den gedruckten Erzeugnissen konventioneller Verlage entdecke). Aber genausogut findet man dort ernstzunehmende bis gute Literatur. So gut übrigens, dass besagte konventionelle Verlage immer öfter ins unabhängige Lager hinüberschielen, um neue Talente in ihre Netze zu ziehen.

Frederik Weitz hat gesagt…

Lieber Norman!
Was auch immer du mit deinem Kommentar sagen willst. Deinen ersten Satz verstehe ich nun garnicht. Wem wirfst du hier Verallgemeinerungen vor und wen bezeichnest du als Qualitätsblogger?
Ich bin durchaus einverstanden, dass auch offizielle Verlage viel Unsinn veröffentlichen. Aber der Anteil ist bei Kindle-Autoren doch wesentlich höher. Und gute Bücher, also wirklich gute, habe ich bisher nur eigentlich zwei gefunden. Plus einigen wirklich gut erzählten, die mich aber thematisch nicht reizen.

Unknown hat gesagt…

Lieber Frederik,
so unverständlich finde ich meinen ersten Satz gar nicht, weil er sich auf deinen ersten Satz bezieht. Wer "DIESE Kindle-Autoren" sagt, schert alle unabhängigen Selbstverleger über einen Kamm, und das nenne ich Verallgemeinerung. Hättest du "Manchmal ertrage ich einfach EINIGE DIESER Kindle-Autoren nicht mehr", hätte ich mich hier nicht zu bemühen brauchen.
Und was den "Qualitätsblogger" betrifft: Ich bin davon ausgegangen, dass sich der in der Unterzeile formulierte Anspruch "Hochwertige Werkzeuge und Aufsätze ... für anspruchsvolle Heimwerker" auch auf die Inhalte bezieht.

Frederik Weitz hat gesagt…

Naja, lieber Norman, dass ich nicht alle Kindle-Autoren gleichermaßen meine, versteht sich wohl von selbst. Aber die wirklich guten Kindle-Autoren, in einem klassischen Sinne, sind doch recht dünn gesät. Was ich inhaltlich schreibe, ist dann ja auch, wenn auch nicht deutlich und mit Gegenbeispielen, relativierend.
Was den Untersatz zu meinem Blog angeht: der ist ironisch. Ich dachte, dass sei zu lesen.

Unknown hat gesagt…

Ich sehe ein, die ganze Welt scheint aus Dingen zu bestehen, die sich von selbst verstehen. Nun stell dir einmal vor, ein Journalist hätte über deinen Blog berichtet und der Redakteur den besagten ersten Satz als Überschrift genommen, vielleicht sogar als wörtliches Zitat. Wie hätte der flüchtige Leser ihn dann verstehen sollen? So wie er geschrieben steht - oder andersrum von selbst?

Dass die Unterzeile ironisch gemeint ist, verblüfft mich wirklich. Das würde ja im Umkehrschluss, bedeuten, dass der ganze Inhalt ... aber lassen wir das. Auf jeden Fall habe ich noch keinen Portalbetreiber erlebt, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, von mir als "Qualitätsblogger" bezeichnet zu werden.

Noch ein kleiner Hinweis: Du hast dich wahrscheinlich nur vertippt, aber in deinem letzten Satz wird "das" nur mit einem "s" geschrieben. Und da in wenigen Minuten der letzte Tag des Jahres anbricht, bleibt mir jetzt nur noch, die von Herzen ein gesundes und gutes Jahr 2013 zu wünschen.

Frederik Weitz hat gesagt…

Du verfolgst meinen Blog sonst nicht oder? Dann hättest du vielleicht mitbekommen, dass ich meinen Blog als eher offenen Arbeitsblog verstehe, der, wenn schon, denn schon, ausprobiert, ob ein Gedanke gut ist.
Und wie der Umkehrschluss aus meiner Unterzeile aussehen soll, würde mich wirklich interessieren. Weißt du Norman, du hast mich hier auf einen Sockel gestellt, auf dem ich mich nicht sehe. Du hast dann eine Kritik geübt, die irgendwie berechtigt ist (Verallgemeinerung). Ich hatte sie eher situativ gemeint, aber du hast sie (und das ist nicht falsch) als allgemeine Geschmacksaussage verstanden. Marah Woolf lese ich deshalb nicht, weil mich ihr Thema nicht interessiert. Aber ich lese sie trotzdem, weil ihr Handwerk sehr ordentlich ist. Trotzdem erlaube ich mir manchmal zu sagen, dass "manche Menschen" veröffentlichen und "noch nicht mal den Ansatz eines Sprachgefühls" besitzen. Eine ganz schreckliche Verallgemeinerung. Entschuldige bitte, dass ich jetzt sarkastisch werde. Aber ich denke, du solltest deine Aussagen, bevor du mich verbal angreifst, besser überlegen. Ich kann da nämlich ziemlich fies werden und Menschen sehr gut herunterputzen und das möchte ich dir, da auch du einer der selteneren und ordentlicheren Erzählhandwerker bist, ersparen.

Unknown hat gesagt…

Hallo Frederik,
was du zu "manchen Menschen" gesagt hast, ist erstens keine Verallgemeinerung ("manche"!) und zweitens trifft es auch meine Meinung voll und ganz auf den Punkt. Zum zweiten liegst du völlig richtig, dass ich gestern eher zufällig über deinen Blog gestolpert bin. Da ich ihn also so gut wie nicht kenne, möchte ich auf einen Umkehrschluss verzichten.

Zudem denke ich, dass zu diesem Thema erstmal der Argumente genug ausgetauscht sind. So bleibt mir nur, dir nochmals ein gutes & gesundes Neues Jahr zu wünschen. Man sieht sich 2013!

Frederik Weitz hat gesagt…

Siehst du, Norman, und gerade dein letzter Kommentar zeigt, dass du dich auch hier aus der Masse entfernst: eine solche Offenbarung wäre gar nicht nötig gewesen; du reflektierst auf das, was du gesagt hast und auf die Wirkungen, die es auslöst. Das ist mehr, als man von vielen Menschen erwarten darf und fast eine der wichtigsten Bedingungen für eine gute Argumentation.
Und ich würde auch nicht den "Vorwurf" der Verallgemeinerung zurückziehen. Natürlich kann ich selber sehr gut sagen, dass diese Verallgemeinerung von mir eher situative gebraucht worden ist und ich deutlich auch andere Aussagen, gegenteilige getroffen habe. Aber am wenigsten lässt sich wohl der Kontext einer Aussage beherrschen und dieser Kontext ist es, der der Aussage ihre Bedeutung gibt.
Du hast in einer privaten Nachricht an mich geschrieben, du wolltest das Ganze nicht wie einen Streit aussehen lassen. Ich habe dir geantwortet, dass ich nichts gegen einen Streit habe, unter folgenden Bedingungen: die formalen Regeln der Argumentation werden weitest möglich beachtet und der sachliche Gehalt geklärt. Höflichkeit ist nicht das Primat einer guten Argumentation, schon gar nicht, wenn das Gegenüber gar nicht weiß, was das ist. Das führt dazu, dass die Menschen aus einer falsch verstandenen Höflichkeit die Toleranz bei inkompetenten, sachlich falschen oder sogar krude täuschenden Aussagen einfordern. Und du hast es ja gehört: ich bin als respektlos bezeichnet worden, weil ich diese Frau zurecht gewiesen habe, dass Homer keine Romane geschrieben hat und sogar als sozial inkompetent.
Bei dir sehe ich, dass du zwar keine bewusste Basis in der philosophischen Logik besitzt, aber doch ein gewisses, ordentliches Gespür. Und hier kann der Streit dann auf einer sachlichen Ebene verlaufen, verliert also seinen emotionalen Charakter.
Im übrigen halte ich mich mittlerweile für einen sehr brauchbaren (keineswegs aber hervorragenden) Logiker. Trotzdem werde ich keine endgültigen Wahrheiten produzieren. Denn da gehe ich sehr mit Kant konform: die Aufklärung ist eine Sache der Diskussion in der Öffentlichkeit. Und ich kann mich auf den Kopf stellen, wie ich will: ich bin nicht die Öffentlichkeit; dazu brauche ich noch mindestens einen zweiten Menschen.

DetlevCrusius hat gesagt…

Wenn ich das hier über die Kindle-Szene lese (Kindle-Szene, was für ein Wort!), bin ich begeistert. Aus einem sehr einfachen Grund - ich bin auf dem richtigen Weg. Es sind nicht nur die Beiträge in diesem Blog, in vielen Beiträgen kann man es lesen, dass alle Kindle-Autoren (bis auf sehr wenige Ausnahmen, wie hier lobend angemerkt wurde) eins vereint - sie können nicht schreiben. Ich beziehe das jetzt auf mich, sehr geehrter Herr Weitz, und kann nur leidvoll feststellen – Sie haben recht. Ich kann es nicht. Ich habe weder eine journalistische Ausbildung genossen, noch Germanistik studiert, also kann ich es nicht. Trotzdem bin ich als Autor glücklich, ohne Verlag, ohne Lektor, weil ich gelesen werde. Klingt das nicht großartig? Ich werde gelesen!
Wollte ich damals, als ich noch bei einem Verlag unter Vertrag stand, wissen ob „ich gelesen werde“, musste ich 6 Monate auf Antwort warten. Heute rufe ich die Verkaufsplattformen auf und weiß es. Wenn ich will, dreimal täglich. Wissen Sie, was ein Verleger einmal sagte? Wenn Sie das wissen wollen, müssen Sie sich mit Ihrem Verleger sehr gut stehen. Ich gebe zu, ich stand sehr bald „nicht mehr gut“ mit ihm. Auch nicht mit seinen Lektoren, er beschäftigte mehrere Freiberufler, was bedeutete, ihre Brötchen verdienten sie nicht nur bei diesem Verlag und dementsprechend war das Arbeitsergebnis.
Als ich dann beschloss, mich mit der Erfindung des eBooks zu verselbstständigen, tauchten sie alle aus der Versenkung auf. Lektoren – geben sie mir das Manuskript, ich schreibe es neu, mache lesbare LITERATUR daraus. Ich mache ihnen einen Sonderpreis, nur 6.000 Euro. Wohlgemerkt keine Zuschussverlage, sondern in die Scheinselbstständigkeit entlassene Lektoren, die zwei Probleme hatten, zu wenig Geld und zu viele unbezahlte Rechnungen und für eine bessere Balance sollte ich sorgen. Oder Verlage – wir haben jetzt unseren eigenen eBook Bereich. Beteiligen sie sich an unseren internen Wettbewerben, sie können einen Verlagsvertrag gewinnen.
Jetzt komme ich mal auf einen Punkt, der bei all diesen Diskussionen gerne untergeht. Bisher sagten die Verlage dem Leser, was lesenswert ist. Oder Rezensenten einer Zeitung, bei der zum Dank eine Anzeige geschaltet wurde. Das mal am Rande zum Thema bestellte Rezis in der Kindle-Szene. Heute geht der Leser an seinen Rechner und besucht die vielen Plattformen, ich nenne bewusst keine Namen, und entscheidet selbst, was er lesen will. Wenn er etwas gefunden hat, dann bezahlt er keine 20 Euro für ein Hardcover, oder 10 für ein Taschenbuch, sondern nur 1,99 oder auch 4,99. Der Autor verdient doppelt so viel und der Leser muss sich nicht so furchtbar ärgern, wenn er auf die Empfehlung eines Berufsrezensenten hereingefallen ist. Wenn er Papier liebt (ich übrigens auch) und mehr bezahlen will, bitte. Dafür haben wir z.B. CreateSpace.
Jede Zeit hat ihre ganz speziellen Berufsbilder und die heutige Zeit, die der eBooks, vergleiche ich gerne mit der des Goldrausches am Klondike. Damals tauchten im Windschatten der schuftenden Digger (=Autoren) die Schaufel- und Schubkarrenverkäufer (=Lektoren u. Berufsrezensenten) auf, die erklären wollten, wie es geht.
Ich freue mich über jeden, der es ohne Hilfe schafft und gelesen wird.
Wer in diesen paar Sätzen Fehler finden will, dem kann ich versprechen, er wird fündig. Warum? Weil ich nicht schreiben kann. Ich werde nur gelesen.

Frederik Weitz hat gesagt…

Erfolg, Herr Crusius, ist leider (oder: zum Glück) kein Zeichen für Qualität. Ihren Kommentar finde ich hämisch. Ich fordere kein Germanistik-Studium und keine journalistische Ausbildung, nur etwas mehr Rücksicht auf den Leser (ich bin auch übrigens keiner dieser Rechtschreibfuzzis: wer Rechtschreibfehler macht, muss deshalb nicht ein schlechter Erzähler sein). Sie verwischen hier den Unterschied zwischen einer guten Erzählung (wozu für mich zum Beispiel Konsaliks "Der Arzt von Stalingrad", die "Harry Potter"-Bücher oder die Thriller von Michael Crichton und die Krimis von Andrea Camilleri zählen) und einer symbolisch bedeutsamen Literatur (Max Frisch zum Beispiel).
Ob ein Buch qualitativ hochwertig ist, weil es gekauft wird, würde ich schon deshalb hinterfragen, weil "qualitativ hochwertig" ein äußerst fragwürdiger Begriff ist, der sich meiner Ansicht nach literaturwissenschaftlich nicht halten lässt. Ich kann aber zumindest sagen, wann ein Text jegliche Techniken der Leserführung missachtet. Und die wunderbare Anekdote erzählen, dass mir eine Seminarteilnehmerin unbedingt ein Buch von Frantz in die Hand drücken wollte und mir ganz begeistert vom Inhalt erzählte: sie habe das Buch an einem Nachmittag durchgelesen. Ich war baff erstaunt, als ich mir die Geschichte angesehen habe: die war komplett anders. Ich war verunsichert und habe eine Freundin angerufen, von der ich wusste, dass sie diese Bücher ebenfalls liest. Die hat mir dann eine dritte Geschichte geliefert. Glücklicherweise hat meine Version mit dem Verlagsteaser ganz gut übereingestimmt. Es gibt viele Menschen, die einen Text nicht nachvollziehen, sondern sich mit ihren Fantasien so sehr in die Geschichte hineinsetzen, dass sie die eigentliche Geschichte komplett überpinseln. Das sind meist eher schlichte Gemüter; durchaus sehr nette Menschen. Warum das so ist? Keine Ahnung. Es sind vor allem Thriller-Leser, habe ich festgestellt.
Es freut mich natürlich, wenn Sie mit Ihren Büchern so überaus erfolgreich sind. Und ich bin auch nicht eifersüchtig, wenn ein inkompetenter Schreiber wie Andreas Adlon die Bestsellerlisten erobert. Es hat auch im 18. Jahrhundert schon sehr schlechte Literatur gegeben. Davon ist die Welt jedenfalls nicht schlechter geworden. Und es sind zum Beispiel zahlreiche hervorragende Autorinnen des 19. Jahrhunderts vergessen worden, obwohl diese unter ihren männlichen Kollegen durchaus einen gleichberechtigten Platz verdient hätten.
Ich denke bloß, dass Sie hier in eine Richtung argumentieren, die mir überhaupt nicht behagt, weil sie einen Kurzschluss andeutet, den zwischen Erfolg und Qualität, den ich gefährlich unsinnig finde. Und leider tatsächlich wenig Ahnung von Literaturwissenschaft zu haben scheinen. Literaturwissenschaftler schreiben keine Bücher (übrigens ein Fehler, wie ich finde), sie beurteilen auch nicht die Literatur: sie untersuchen Texte und Textstrukturen und schreiben darüber (und schreiben deshalb trotzdem manchmal Bücher, aber wissenschaftliche).
Im übrigen finde ich es auch gefährlich, weil viele Menschen eben tatsächlich wenig Ahnung und wenig Gefühl für Sprache haben, aber meinen, sich großmäulig einmischen zu dürfen. Ich gehe doch auch nicht zum Klempner und erzähle dem, wie er seine Arbeit zu machen hat. Weil ich keine Ahnung davon habe. Nur im Kulturbereich kommen dann die Plärrer und Idioten ungefragt aus jedem Loch und meinen, herumsalbadern zu dürfen. Ich bin wirklich nicht glücklich, wie die einfachere und schlechtere Literatur im literaturwissenschaftlichen Bereich ignoriert wird. Aber ein wenig Respekt vor jemandem, der sich jahrelang damit beschäftigt hat, was Literatur ist und kann: das sollten dann auch die Hobbyautoren haben.