Nun, vielleicht doch nicht.
Vor einigen Monaten wurde die Luhmann-Liste, bei der ich ein recht passives Mitglied bin, von den Fragen einer recht seltsamen Frau gequält: diese wollte nämlich wissen, ob Niklas Luhmann tatsächlich an AIDS gestorben sei. Angeblich ging es hier um einen Artikel für wikipedia.
Soweit ich weiß, starb Luhmann an Blutkrebs. AIDS kam mal als Gerücht auf - und wiederum, soweit ich weiß, von universitärer Seite her. Schade, wenn das stimmt. Dass Universität nicht heißt, dass man fachlich sauber argumentiert, dürfte vielen bekannt sein. Dass Universität heißt, dass man eigentlich nur noch denunziert, ist beunruhigend.
Übrigens gibt es zwei schöne Interviews mit Luhmann auf dieser Seite von Radio Bremen.
Luhmann selbst hat ja recht umstürzlerisch über Wissenschaft geschrieben. Zumindest habe ich das damals so empfunden. In seinem Buch "Die Wissenschaft der Gesellschaft", S. 247 schreibt Luhmann:
Der Reputationscode bringt mithin Verdienste zum Ausdruck, die speziell in der Wissenschaft (also nicht etwa: durch finanzielle Förderung oder durch politische Unterstützung) um die Wissenschaft erworben werden. Er bezeichnet auf der positiven Seite die Leistung der Erstkommunikation neuen Wissens und auf der negativen Seite das Ausbleiben einer solchen Leistung. Die positive Seite wird besonders markiert, die negative Seite bleibt unmarkiert und wird nur in besonderen Zirkeln und vor allem aus Anlass der Enttäuschung von Erwartungen diskutiert. Der Reputationscode ist ein Analogcode, kein Digitalcode. Er stützt sich auf ein »mehr oder weniger« an Reputation mit fließenden Übergängen, nicht auf ein künstlich-klares »entweder/oder«. Er ist trotzdem ein eindeutig binärer Code mit nur zwei Wertungsrichtungen. Nicht zuletzt ist es diese Zweiwertigkeit, die zu denjenigen Übertreibungen (bzw. Untertreibungen) führt, die dann als Orientierungshilfe dienen. Wer oder was Reputation hat, hat mehr Reputation als er, sie oder es verdienen.
Der Reputationscode kann besonders dann parasitär den Wahrheitscode auffressen, wenn der eine Wissenschaftler einen Ruf hat, der andere nicht. Luhmann spricht zwar davon, dass sich jede wissenschaftliche Reputation in der Wissenschaft und durch die Wissenschaft legitimieren muss, aber in unseren "postmodernen" Zeiten ist eine Orientierung immer schwieriger.
Man kann dies ganz gut an pädagogischen Schriften nachvollziehen. Hier gelten Autoren, die Luhmann zitieren, schon als Systemtheoretiker. Dietrich Eggert zum Beispiel schafft es, sich als systemisch denkend zu verkaufen, aber kaum mehr als eine ökologische Abstammungslehre hinzubasteln. Das hat dann leider mehr mit einem, zudem noch falsch verstandenen Darwinismus zu tun, als mit der Systemtheorie Luhmanns. Trotzdem wird Eggert eifrig von den Pädagogen gelesen und Eggerts Diagnostikbuch ist so etwas wie ein Verkaufsschlager. Eggert gilt als Systemtheoretiker. Leider!
Ein anderes Beispiel ist die Familie.
Ist die Familie ein System oder nicht? In der klassischen Systemtheorie besteht darüber kein Zweifel, aber ein Talcott Parsons ist - nicht zuletzt von Niklas Luhmann selbst - mittlerweile hinreichend kritisiert worden, um ihm - Parsons - nicht mehr ungebremst folgen zu können.
Trotzdem Luhmann recht strenge Kriterien für ein System angegeben hat, werden diese allzuoft missachtet und an der Familie als System festgehalten. Und all dies dann mit Niklas Luhmann, ohne hier Luhmann wirklich zu folgen.
Dazu aber später mehr.
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