Bei Kant - in Die Kritik der reinen Vernunft - finde ich folgendes Zitat, was den Lesern die Unterscheidung zwischen den Formen und den Inhalten des semantischen Gedächtnisses noch einmal deutlicher machen kann:
Wir finden diesen Konnektionismus übrigens deutlich ausgeführt im Anti-Ödipus. Deleuze und Guattari haben im Vorwort zu Tausend Plateaus darauf aufmerksam gemacht, dass sie die drei Synthesen Kants auf der Ebene des Unbewussten reformuliert haben. Vielleicht gelingt es mir hier, Kants Synthesen auf der Ebene der Neurophysiologie plausibel zu machen. Aber das nur nebenbei.
Der Konnektionismus (s. Anderson, John: Kognitive Psychologie, S. 30ff) geht davon aus, dass sich ein bestimmtes Objekt aus verschiedenen Assoziationen zusammensetzt. So würde man zum Beispiel "Kant" mit Philosoph, 18. Jahrhundert, Königsberg, Antagonist zu Hegel, reine Vernunft, etc. assoziieren und dieses Netz bildet dann den Menschen "Kant" ab (wobei nichts über die Wahrheit dieser Abbildung gesagt wird).
Glaubt man den Forschungen zum Arbeitsgedächtnis, wird die aktuelle Vorstellung dort nicht nur aktualisiert, sondern erst geschaffen. Das Arbeitsgedächtnis holte sich dann gleichsam aus der neuronalen Vernetzung diejenigen Impulse, die sich zu dem Philosophen Kant zusammensetzen lassen. Wir haben dann eine doppelte Assoziation: eine, die auf der neurologischen Ebene des Langzeitgedächtnisses eine Art "Kant"-Muster bildet, und eine, die auf der neurologischen Ebene des Arbeits-, bzw. Kurzzeitgedächtnisses eine Art "Kant"-Abbildung erschafft. Muster und Abbildung besitzen wahrscheinlich nicht die gleiche Form. Sie verhielten sich wie Kompetenz und Performanz. Das Muster ist die Möglichkeit, sich eines Bildes zu erinnern, während die Abbildung die tatsächlich ausgeführte Erinnerung ist. Das Abbild ist nicht eine Wiedergabe des Musters, sondern eine Übersetzung. Was auch immer das konkret bedeutet: erinnern heißt nicht reproduzieren, sondern ist eine situative und pragmatische Tätigkeit, auch wenn diese automatisiert und meist unbewusst abläuft.
Dann aber bildet sich die Form der Erinnerung nach pragmatischen Gesichtspunkten und in dieser Form ergeben sich Auswirkungen auf den erinnerten Inhalt. Zwar könnte man dann immer noch mit Kant Inhalt und Form unterscheiden, aber es gibt keine reine Logik mehr, sondern "nur" eine situative Logik, und der Inhalt ist nicht mehr empirisch, sondern "nur" konstruiert.
Diese Vorstellung beruhigt mich. Es geht nicht um die Wahrheit, nicht um die großen Ziele, sondern um das kleine Handeln. Einer der roten Fäden, die sich durch meinen Blog, auch durch mein Denken ziehen, ist der Krieg gegen die Worthülsen, gegen die hehren Behauptungen, gegen all diesen scheußlichen Idealismus. Irgendwann kommt für den Idealisten immer die Situation, an der er bricht. Meist kommt diese Situation allzurasch. Und allzuoft setzen sich dann Denkbewegungen darauf, die "verdreht" sind. Dann wird der Begriff der Sinnlichkeit reine Abstraktion, der Begriff des Lesens zu einer Erstarrung in Bekenntnissen, die Demokratie zu einer Begründung für Hierarchie.
Oder, um Deleuze und Guattari noch einmal zu zitieren: statt eines molaren Bewusstseins gilt es, ein molekularer Strom zu sein, Mikro-Sinnlichkeiten, Mikro-Gedanken, Mikro-Affekte. Die Kantsche Form liegt hier nicht in den Umrissen oder Grenzen, sondern in den Verbindungen, den Assoziationen. Nur der Inhalt hat dann eine Form, wie wir sie klassischerweise sehen, nämlich als Umriss, als Identität. Die Form des Denkens, die Logik, manifestiert sich in der Konstellation zueinander.
Hier sollte ich eigentlich auf die Logik von Deleuze in Bezug auf Kant und den Konnektionismus eingehen. Ich verweise auf einen älteren Artikel zur deleuzianischen Logik, und auf die Form der Alternative im Werk Mayröckers. Zur Form, zur Asymmetrie und zur abstrakten Linie (die hier auch eine Rolle spielt) sei auf einen anderen Artikel zur deleuzianischen Logik verwiesen. Das Verhältnis von Inhalt und (offener) Form bildet dann so etwas wie ein Plateau, einen vibrierenden Spannungszustand, der sich nicht in der Revolution oder klimaktischen Zuspitzung auflöst, sondern sinnlos interagiert. Wobei mit sinnloser Interaktion nicht gemeint ist, dass es keinen Sinn gibt. Es gibt im Gegenteil massenhaft Sinn, fast zuviel an Sinn. Aber Inhalt und Form bilden ihren Sinn jeweils auf ihrer Seite, so, wie Proust das für die Geschlechter gesagt hat: Jedes Geschlecht stirbt auf seiner eigenen Seite.
Die allgemeine Logik abstrahiert, wie wir gewiesen, von allem Inhalt der Erkenntnis, d. i. von aller Beziehung derselben auf das Objekt, und betrachtet nur die logische Form im Verhältnisse der Erkenntnisse aufeinander, d. i. die Form des Denkens überhaupt.Wenn ich also zum semantischen Gedächtnis schreibe, und ich werde in Zukunft wohl häufiger darauf zurückkommen, dann zum einen in der Form und zum anderen nach dem Inhalt. Freilich sind die Formen des semantischen Gedächtnisses erstens spekulativ, da die Neurophysiologie nur annehmen kann, dass es diese Formen gibt, und zweitens nicht einer reinen Logik geschuldet, sondern einem Konnektionismus.
Wir finden diesen Konnektionismus übrigens deutlich ausgeführt im Anti-Ödipus. Deleuze und Guattari haben im Vorwort zu Tausend Plateaus darauf aufmerksam gemacht, dass sie die drei Synthesen Kants auf der Ebene des Unbewussten reformuliert haben. Vielleicht gelingt es mir hier, Kants Synthesen auf der Ebene der Neurophysiologie plausibel zu machen. Aber das nur nebenbei.
Der Konnektionismus (s. Anderson, John: Kognitive Psychologie, S. 30ff) geht davon aus, dass sich ein bestimmtes Objekt aus verschiedenen Assoziationen zusammensetzt. So würde man zum Beispiel "Kant" mit Philosoph, 18. Jahrhundert, Königsberg, Antagonist zu Hegel, reine Vernunft, etc. assoziieren und dieses Netz bildet dann den Menschen "Kant" ab (wobei nichts über die Wahrheit dieser Abbildung gesagt wird).
Glaubt man den Forschungen zum Arbeitsgedächtnis, wird die aktuelle Vorstellung dort nicht nur aktualisiert, sondern erst geschaffen. Das Arbeitsgedächtnis holte sich dann gleichsam aus der neuronalen Vernetzung diejenigen Impulse, die sich zu dem Philosophen Kant zusammensetzen lassen. Wir haben dann eine doppelte Assoziation: eine, die auf der neurologischen Ebene des Langzeitgedächtnisses eine Art "Kant"-Muster bildet, und eine, die auf der neurologischen Ebene des Arbeits-, bzw. Kurzzeitgedächtnisses eine Art "Kant"-Abbildung erschafft. Muster und Abbildung besitzen wahrscheinlich nicht die gleiche Form. Sie verhielten sich wie Kompetenz und Performanz. Das Muster ist die Möglichkeit, sich eines Bildes zu erinnern, während die Abbildung die tatsächlich ausgeführte Erinnerung ist. Das Abbild ist nicht eine Wiedergabe des Musters, sondern eine Übersetzung. Was auch immer das konkret bedeutet: erinnern heißt nicht reproduzieren, sondern ist eine situative und pragmatische Tätigkeit, auch wenn diese automatisiert und meist unbewusst abläuft.
Dann aber bildet sich die Form der Erinnerung nach pragmatischen Gesichtspunkten und in dieser Form ergeben sich Auswirkungen auf den erinnerten Inhalt. Zwar könnte man dann immer noch mit Kant Inhalt und Form unterscheiden, aber es gibt keine reine Logik mehr, sondern "nur" eine situative Logik, und der Inhalt ist nicht mehr empirisch, sondern "nur" konstruiert.
Diese Vorstellung beruhigt mich. Es geht nicht um die Wahrheit, nicht um die großen Ziele, sondern um das kleine Handeln. Einer der roten Fäden, die sich durch meinen Blog, auch durch mein Denken ziehen, ist der Krieg gegen die Worthülsen, gegen die hehren Behauptungen, gegen all diesen scheußlichen Idealismus. Irgendwann kommt für den Idealisten immer die Situation, an der er bricht. Meist kommt diese Situation allzurasch. Und allzuoft setzen sich dann Denkbewegungen darauf, die "verdreht" sind. Dann wird der Begriff der Sinnlichkeit reine Abstraktion, der Begriff des Lesens zu einer Erstarrung in Bekenntnissen, die Demokratie zu einer Begründung für Hierarchie.
Oder, um Deleuze und Guattari noch einmal zu zitieren: statt eines molaren Bewusstseins gilt es, ein molekularer Strom zu sein, Mikro-Sinnlichkeiten, Mikro-Gedanken, Mikro-Affekte. Die Kantsche Form liegt hier nicht in den Umrissen oder Grenzen, sondern in den Verbindungen, den Assoziationen. Nur der Inhalt hat dann eine Form, wie wir sie klassischerweise sehen, nämlich als Umriss, als Identität. Die Form des Denkens, die Logik, manifestiert sich in der Konstellation zueinander.
absurd in Wüsten-Mäusen Geheimnissen und GefährtinnenDer Abschnitt des Gedichtes stellt in seiner Form eine offene, unbegrenzte Konstellation vor, während zwei Arten, dies inhaltlich zu denken, gegeneinander gestellt werden. Einmal die Form als harte Spur, einmal als fransen.
ertrinkend
Menschen zähmen
reisen in harten Spuren blank und fetischistisch
denn wie Wolken Regenfäden Hoffnungen fransen wir
aus Mayröcker, Friederike: Ode an die Vergänglichkeit, in dies.: Gesammelte Gedichte, Frankfurt am Main 2004, S. 104f.
Hier sollte ich eigentlich auf die Logik von Deleuze in Bezug auf Kant und den Konnektionismus eingehen. Ich verweise auf einen älteren Artikel zur deleuzianischen Logik, und auf die Form der Alternative im Werk Mayröckers. Zur Form, zur Asymmetrie und zur abstrakten Linie (die hier auch eine Rolle spielt) sei auf einen anderen Artikel zur deleuzianischen Logik verwiesen. Das Verhältnis von Inhalt und (offener) Form bildet dann so etwas wie ein Plateau, einen vibrierenden Spannungszustand, der sich nicht in der Revolution oder klimaktischen Zuspitzung auflöst, sondern sinnlos interagiert. Wobei mit sinnloser Interaktion nicht gemeint ist, dass es keinen Sinn gibt. Es gibt im Gegenteil massenhaft Sinn, fast zuviel an Sinn. Aber Inhalt und Form bilden ihren Sinn jeweils auf ihrer Seite, so, wie Proust das für die Geschlechter gesagt hat: Jedes Geschlecht stirbt auf seiner eigenen Seite.
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