Ich hatte schon vor längerer Zeit kritisiert, dass die Logik von Gilles Deleuze wenig in der deutschen Literatur aufgearbeitet wird (hier). Dabei muss man sich hier garnicht so sehr verbiegen und völlig Ungedachtes denken. Eigentlich ist Deleuze sogar ganz einfach.
Produktion
Deleuze geht von der universellen Produktion aus. Alles ist Produktion, alles funktioniert: das sind die Maschinen, von denen im Anti-Ödipus gesprochen wird, das sind die Gefüge in Tausend Plateaus.
Der Witz dabei ist eindeutig, dass sich die Produktion in drei verschiedene Formen des Produzierens aufteilt: die Produktion, die Konsumption und die Distribution.
Produktion.
Die Produktion verbindet Ströme mit Partialobjekten (Konnexionstypus der Produktion). Jeder Strom agiert lokal mit unspezifischen Partialobjekten. Um dies zu verdeutlichen, greife ich das Beispiel des Lesens (siehe oben) nochmal auf: Wenn ich einen Text lese, lese ich nicht das Ganze, sondern immer lokale Bruchstücke eines solchen Textes, Partialobjekte eben. Diese Partialobjekte sind universell. Es lässt sich kein spezifisches, globales Objekt daraus ziehen. Insofern ist die Produktion immer von einem dahinströmenden Leser bestimmt, der in einer gewissen Willkürlichkeit den Text aufteilt und einschneidet. Lakonisch sprechen Deleuze und Guattari von einer Wurstabschneidemaschine. - Es gibt natürlich eine Logik, die diese nomadische Produktion nutzt, sie aber ruiniert: das ist die Extrapolation. Diese zieht aus den Partialobjekten, aus den vielfältigen Text-Stücken eine transzendentale Bedeutung heraus, ein globales Objekt; sei dies der Humanismus Goethes, sei dies der Anti-Humanismus Kafkas, sei dies was auch immer. Die Extrapolation beruht immer darauf, dass einem Text, einer Materialität ein verdrängter Repräsentant unterstellt wird: zum Beispiel ein Autorenwille, der hier, durch hermeneutische Gymnastik, hervorinterpretiert werden müsse. Oder zum Beispiel eine faschistisch-kapitalistische Verschwörung, der man habhaft werden könne, wenn man dem Staat seine humanitäre Maske abreißen würde. Dabei ist ein transzendentes Objekt kein falsches Objekt; es stimmt schon, dass man dies genauso lesen kann. Nur die Logik ist falsch: denn es ist nur ein Objekt unter anderen, und kein Objekt über anderen.
Konsumption.
Die Konsumption verbindet die Intensität mit dem Werden (Konjunktionstypus der Produktion). Jede Intensität ist polyvok zu einem nomadischen Werden. Wenn man einen Text liest, dann entstehen intensive Ereignisse, denen der Leser in einer verwundenen Spur folgt. Eher trifft das Ereignis den Leser und zwingt diesen, oder verführt ihn (aber das ist diesmal dasselbe) zu einem offenen, nicht-determinierten, nicht-kausalen, nicht-finalen Weg. Das ist kein Labyrinth, in dem man sich verirrt. Tatsächlich entsteht der Weg, indem man ihn geht, ja, man selbst ist dieser Weg, wird der Weg, wie der Weg man selbst wird, in einer eindeutigen Ununterscheidbarkeit. Kein Ereignis aber ist univok: es determiniert noch nicht den nächsten Schritt; von einem Ereignis, einer Leseerfahrung zum Beispiel, führen zahlreiche Wege weiter. Was die Verkettung von Ereignissen und dem Werden des Lesers in seiner Leseerfahrung angeht, gibt es keine gegenseitige Zwangslage; die Determination, obgleich sie besteht, ist offen. - Der Pseudologismus, der die Konsumption heimsucht, ist die bijektive Applikation. Diese behauptet gerade, dass man, wenn einen ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Kette von Ereignissen widerfährt, man auch zu einem bestimmten Etwas wird. Alkoholkranke Eltern verursachen alkoholkranke Kinder (wenn auch über zeitliche Distanzen hinweg), so der Aberglaube. Und selbst wenn die Kinder später auch Alkoholiker werden: weshalb sollten sie die Abstammung ihrer Eltern repräsentieren, weshalb nur diese, zur Freude einiger Familientherapeuten?
Schließlich ist es die bijektive Applikation, die die Realität einem Modell unterwirft, die Abweichung als Abweichung brandmarkt und auf die Norm zurückzuführen sucht. Dabei ist ein Modell ein Werkzeug, um Neues zu erzeugen, ein kreatives Instrument; und nie etwas so Lapidares und Langweiliges wie die Abbildung der Realität. Ich liebe die Schriftsteller, die sagen, die Realität sei langweilig. Nur die Modelle sind spannend, und wenn ein Modell in Form eines Romans vorliegt, umso besser. Mit ihm kann man neue Realitäten erzeugen. Nie ist ein Modell falsch, allerhöchstens despotisch. Wenn man die Kinder in die ödipalen Modelle presst, die Kommunikation in das von Thunsche Kommunikationsquadrat, die Arbeiten der Schüler in die Benotung, die künstlerischen Ausdrucksformen in den Avantgardismus (oder, noch schlimmer, in das Völkische). Selbst die Astrologie ist nützlich, solange man sie als Transmissionsriemen nutzt.
Das meinen Deleuze und Guattari auch, wenn sie verlangen, man müsse ein Hund werden, damit der Hund etwas anderes werden könne. Nicht, dass man tatsächlich ein Hund werden solle (wir sind keine Zauberer). Der intensive Gebrauch des Hunde"modells" treibt das Vielstimmige des realen Hundes hervor; das Modell konsumiert den Hund in der Art und Weise, dass sich der Hund als unkonsumierbar erweist. Und natürlich geht es hier nicht um Hunde. Indem ich dem Text, dem Roman ein Modell abtrotze und dieses anwende, treibe ich den Text in ein Werden hinein, in ein Anders-Werden, das sich umso mehr beschleunigt, je intensiver ich mit dem Text agiere. - All die neuen und bizarren Berufsbezeichnungen, die Deleuze und Guattari erfinden, sollen vor allem eines verdeutlichen: in der Aktion entfaltet sich ein ganz neues Bild, eine ganz neue Rolle des eigenen Tuns; man hat es mit ganz neuen Laborbedingungen zu tun; man schafft ganz neue Produkte, ja schießt die alten Produkte buchstäblich in den Wind.
Schließlich ist es die bijektive Applikation, die die Realität einem Modell unterwirft, die Abweichung als Abweichung brandmarkt und auf die Norm zurückzuführen sucht. Dabei ist ein Modell ein Werkzeug, um Neues zu erzeugen, ein kreatives Instrument; und nie etwas so Lapidares und Langweiliges wie die Abbildung der Realität. Ich liebe die Schriftsteller, die sagen, die Realität sei langweilig. Nur die Modelle sind spannend, und wenn ein Modell in Form eines Romans vorliegt, umso besser. Mit ihm kann man neue Realitäten erzeugen. Nie ist ein Modell falsch, allerhöchstens despotisch. Wenn man die Kinder in die ödipalen Modelle presst, die Kommunikation in das von Thunsche Kommunikationsquadrat, die Arbeiten der Schüler in die Benotung, die künstlerischen Ausdrucksformen in den Avantgardismus (oder, noch schlimmer, in das Völkische). Selbst die Astrologie ist nützlich, solange man sie als Transmissionsriemen nutzt.
Das meinen Deleuze und Guattari auch, wenn sie verlangen, man müsse ein Hund werden, damit der Hund etwas anderes werden könne. Nicht, dass man tatsächlich ein Hund werden solle (wir sind keine Zauberer). Der intensive Gebrauch des Hunde"modells" treibt das Vielstimmige des realen Hundes hervor; das Modell konsumiert den Hund in der Art und Weise, dass sich der Hund als unkonsumierbar erweist. Und natürlich geht es hier nicht um Hunde. Indem ich dem Text, dem Roman ein Modell abtrotze und dieses anwende, treibe ich den Text in ein Werden hinein, in ein Anders-Werden, das sich umso mehr beschleunigt, je intensiver ich mit dem Text agiere. - All die neuen und bizarren Berufsbezeichnungen, die Deleuze und Guattari erfinden, sollen vor allem eines verdeutlichen: in der Aktion entfaltet sich ein ganz neues Bild, eine ganz neue Rolle des eigenen Tuns; man hat es mit ganz neuen Laborbedingungen zu tun; man schafft ganz neue Produkte, ja schießt die alten Produkte buchstäblich in den Wind.
Distribution
Die Distribution verteilt die Singularitäten gemäß ihren Differenzen (Disjunktionstypus der Produktion). Die Singularitäten, Einzelheiten, sind keine Dinge, die aus einer Abfolge von produktiven Plänen heraus entstehen. Vielmehr wird ihr Entstehen aus dem Spiel der Bejahungen deutlich, den Bejahungen, die ihre Kräfte auf eine Einzelheit ausüben, und diese in eine Wandlung hineintreiben. Selbst die Verneinung ist noch eine Bejahung, ein Zu-tun-haben-mit, und nicht ein Unberührtsein. Gerade die Verneinung berührt, zieht aus der Interaktion eine Grenze, die nur weitere Interaktion impliziert. So wenn ich einen Text lese, wenn ich ihn ein- und aufteile: die Singularitäten, die ich aus ihm ziehe, sind nicht die Singularitäten des Textes, sondern die Singularitäten des Lesens. Sie bilden keine feststehenden Blöcke, obwohl sie Grenzen besitzen, doch über diese Grenzen besteht ein fortwährendes Spiel mit anderen Textstellen. Indem ich eine Grenze im Text erschaffe, setze ich diese Grenze meinem Lesen aus, und indem ich die Grenze lese, wird diese zu einer weiteren und anderen Singularität, die wieder ihre eigenen Grenzen erschafft, und so weiter.
So schließt die Disjunktion ihr Gegenüber als produktive Kraft mit ein. Selbst der Paranoide kann nicht paranoid sein ohne das Ding, das er zu vermeiden sucht; und dieses Ding wirkt produktiv an der Paranoia mit und entzieht dieser die Kontrolle, weshalb viele Paranoide an einen Animismus des gefürchteten Objekts glauben, obwohl es seine Quasi-Lebendigkeit nur über die Inklusion durch die Paranoia erhält.
Die Disjunktion ist auch deshalb so schwierig zu erfassen, weil sie sich nicht begrenzt, nicht begrenzen kann. Sobald ich eine Grenze ziehe, vermehre ich die Interaktion. - Gerade dies aber versucht der Pseudologismus der Distribution außer Kraft zu setzen: er behauptet die Begrenzung, stellt das Labyrinth wie einen geraden Weg vor, auf dem es nur ein Vor oder Zurück gibt, aber kein Seitwärts. Jede Herkunft wird exklusiv, logisch, einfach: ein Text sei gut aufgrund der überragenden Vernunft seines Autors, ein Geniekult, der außer Acht lässt, wer diesen inszeniert. Diese Logik setzte die Grenzen als absolut, als unhinterfragbar, bleibt despotisch, was den Grenzverkehr betrifft, und zeugt in allem von einem schrecklichen double-bind: erlebe mich, lies mich, erfreue dich an mir, aber nur so wie ich(=man) es dir erlaube. Goethe müsse nicht nur gelesen werden, sondern nur so gelesen werden, dass ein Geniekult entstehe. Anderes, was nicht dem klassischen Kanon gehorcht, sei Unterhaltung, niedere Unterhaltung, als könne man diese nicht intelligent lesen.
Die exklusive Distribution verlangt, dass man lachend ins Verderben rennt. Marxist nur der, der wortgetreu die Parteilinie vertritt, doch müsse dies frei und aus seinem eigenen gesunden Menschenverstand heraus geschehen; Frau nur die, die sich jederzeit und ständig um ihre Kinder kümmert, Feministin nur die, die auf jeden Fall arbeiten will, Karriere machen will; - all dies unbekümmerte Anwendungen einer exklusiven Verteilung, die den Weg zu einer Sackgasse macht, die die Interaktion veröden lässt, die Ereignisse normiert und die Rollen standardisiert. Ihr deutlichstes Zeichen ist die absolute Verneinung.
Die exklusive Distribution verlangt, dass man lachend ins Verderben rennt. Marxist nur der, der wortgetreu die Parteilinie vertritt, doch müsse dies frei und aus seinem eigenen gesunden Menschenverstand heraus geschehen; Frau nur die, die sich jederzeit und ständig um ihre Kinder kümmert, Feministin nur die, die auf jeden Fall arbeiten will, Karriere machen will; - all dies unbekümmerte Anwendungen einer exklusiven Verteilung, die den Weg zu einer Sackgasse macht, die die Interaktion veröden lässt, die Ereignisse normiert und die Rollen standardisiert. Ihr deutlichstes Zeichen ist die absolute Verneinung.
Zwei Logiken
Sowohl die offene Produktion mit ihren Logiken als auch die geschlossene Produktion mit ihrer Pseudologik bilden Systematisierungen aus.
In der offenen Produktion verbinden sich die Ströme mit den Partialobjekten, und indem die Partialobjekte fortwährend neu erschaffen werden, verteilen sich diese in einem inklusiven Arrangement, das ein vitales Verhältnis zu dem unterhält, was jenseits der Grenze liegt. Dieses vitale Verhältnis, diese Interaktion aber verschiebt die Grenzen fortwährend. So können Produktion, Konsumption und Distribution nicht ohne einander gedacht werden.
In der geschlossenen Produktion wiederum zieht das transzendentale Objekt die Anordnung der empirischen Elemente in ein exklusives Verhältnis, das bestimmte Elemente bejaht, alle anderen aber absolut verneint; und dadurch dünnt es die Interaktion auf ein Minimum aus.
Es ist klar, dass diese geschlossene Produktion nur aufgrund von Behauptungen zustande kommt: dem Vorrang eines Elementes vor allen anderen, ohne sehen zu wollen, dass der Vorrang nur dann möglich ist, wenn die anderen Elemente sich unterordnen lassen; die Absolutheit der Verneinung, die ideell nicht zu einem Objekt gehören darf, obwohl sie doch faktisch in Verbindung stehen; die eindeutige Abbildung, obwohl diese dann nur eine unfruchtbare Verdoppelung wäre und keinesfalls das aktive Produkt eines schöpferischen Subjekts.
Mithin ist diese zweite Logik ein reines Theater bizarrer Behauptungen; und trotzdem hört man auch in ihr den Lärm einer ganz anderen, kreativen Logik. Zum Beispiel ist der behauptete Vorrang eines Elementes vor allen anderen ein Element neben allen anderen. Man muss nur die Verbindung zwischen dem realen Element und der Behauptung als vielstimmig produktiv fassen, und nicht als eindeutig repräsentativ. Die Subversion missachtet bestimmte Formen der Logik beziehungsweise die Pseudologik, nicht aber die Elemente. Jedes Ereignis ist gut, solange man es in eine offene Produktion einspannen kann.
In der offenen Produktion verbinden sich die Ströme mit den Partialobjekten, und indem die Partialobjekte fortwährend neu erschaffen werden, verteilen sich diese in einem inklusiven Arrangement, das ein vitales Verhältnis zu dem unterhält, was jenseits der Grenze liegt. Dieses vitale Verhältnis, diese Interaktion aber verschiebt die Grenzen fortwährend. So können Produktion, Konsumption und Distribution nicht ohne einander gedacht werden.
In der geschlossenen Produktion wiederum zieht das transzendentale Objekt die Anordnung der empirischen Elemente in ein exklusives Verhältnis, das bestimmte Elemente bejaht, alle anderen aber absolut verneint; und dadurch dünnt es die Interaktion auf ein Minimum aus.
Es ist klar, dass diese geschlossene Produktion nur aufgrund von Behauptungen zustande kommt: dem Vorrang eines Elementes vor allen anderen, ohne sehen zu wollen, dass der Vorrang nur dann möglich ist, wenn die anderen Elemente sich unterordnen lassen; die Absolutheit der Verneinung, die ideell nicht zu einem Objekt gehören darf, obwohl sie doch faktisch in Verbindung stehen; die eindeutige Abbildung, obwohl diese dann nur eine unfruchtbare Verdoppelung wäre und keinesfalls das aktive Produkt eines schöpferischen Subjekts.
Mithin ist diese zweite Logik ein reines Theater bizarrer Behauptungen; und trotzdem hört man auch in ihr den Lärm einer ganz anderen, kreativen Logik. Zum Beispiel ist der behauptete Vorrang eines Elementes vor allen anderen ein Element neben allen anderen. Man muss nur die Verbindung zwischen dem realen Element und der Behauptung als vielstimmig produktiv fassen, und nicht als eindeutig repräsentativ. Die Subversion missachtet bestimmte Formen der Logik beziehungsweise die Pseudologik, nicht aber die Elemente. Jedes Ereignis ist gut, solange man es in eine offene Produktion einspannen kann.
Schizoanalyse
An diesem Punkt kann man die Schizoanalyse ansprechen. Die Schizoanalyse ist die Arbeit an den verschiedenen Formen der offenen Logik. Sie vermeidet auf jeden Fall eine Einheit, ein Endergebnis, denn dieses käme dem transzendentalen Objekt gleich, ja würde es wieder in eine Tätigkeit einführen, die zu vermeiden man trachtet.
Deshalb geht die Schizoanalyse von einer Vielfalt der Ergebnisse aus, und eher noch von einer Vielfalt der Zwischenergebnisse. Sie verzeichnet Karten, in der das eine Objekt mit dem anderen interagiert, natürlich nur so lange, wie diese Interaktion interessant ist, intensiv ist und nicht zu einer anderen, neuen Interaktion wird.
Ich kann mich zum Beispiel einige Zeit mit der Zielgerichtetheit der Sherlock-Holmes-Geschichten befassen. Die Zielgerichtetheit interagiert in einer gewissen Weise mit dem Ziel, geht aber nicht in diesem auf. Natürlich gibt es einen einheitlichen Zug in solchen Geschichten wie Das gesprenkelte Band. Alle Indizien weisen auf den Mordplan hin, den Holmes dann vereitelt. Doch das Ende, der Tod des Mörders, ist kein exklusives Ende, sondern ein inklusives. Nicht nur hätte man sich ein anderes Ende vorstellen können, es führt die ganze Geschichte auch aus dem Genre des Whodunnit heraus zu den Schauerromanen und den Geschichten der göttlichen Strafe, ohne deren Genregesetze zu erfüllen. Andererseits ist die Erläuterung, die Holmes für seine Schlussfolgerungen gibt, später, als er Watson über seine Vermutungen aufklärt, nicht direkt mit der Untersuchung korrespondierend. Während Holmes das Zimmer von Dr. Roylott und seiner Stieftochter untersucht, werden zwar Elemente angesprochen, aber noch nicht verbunden: so der nutzlose Glockenstrang, so das festgeschraubte Bett, so die seltsam zusammengeknotete Reitpeitsche. Wie Doyle nicht müde wird zu betonen, handelt es sich hier um Beobachtungen. Erst im Nachhinein gibt Holmes dann seine Kombinationen preis. Die diffuse Verteilung der Elemente, Glockenstrang, Bett, Peitsche, ist noch in einer offenen Logik gehalten, die den Leser mobilisiert, während die Erklärung dieses Arrangements den Mordplan als einen despotischen Mechanismus offenbart; kein Sammelsurium von Absonderlichkeiten, sondern ein exklusives, tödliches Arrangement. Die Inklusivität wandert von hier aus in die letzten Ereignisse: die Abwehr der Schlange, der Schrei Dr. Roylotts, der bizarre Kopfschmuck. Wiederum sind diese diffus verbunden, auch wenn Holmes sie codiert: "Wahrhaftig, Gewalt fällt auf den zurück, der Gewalt übt, und der Ränkeschmied stürzt in die Grube, die er einem anderen gegraben hat." Die Erklärung des Mordplans selbst ist ein Element in diesem offenen Arrangement. So verändert sich die Geschichte bis zum Schluss, birgt auch da noch die Abenteuer der offenen Interpretation und vereinnahmt die limitierende Erklärung als Teil eines nicht-limitativen Ganzen. Gerade die Erklärung ironisiert Doyle am Ende von Die Liga der Rotschöpfe, wenn Holmes sagt: "Ich verbringe mein Leben in einem einzigen großen Versuch, den Gemeinplätzen des Daseins zu entrinnen. Diese kleinen Probleme helfen mir dabei."
Die Zielgerichtetheit ist ein Element unter anderen. Schon alleine weil Erzählungen auch Charaktere darstellen und diese Charaktere nicht in ein Ziel münden - sowohl Holmes Charakter wie der von Dr. Roylott erweisen sich gegen die Geschichte selbst resistent -, schon deshalb kann und muss man von einem Gefüge ausgehen. Und wer sich einmal die Arbeit gemacht hat, sich eine Szene aus einem Roman zu ziehen und diese auf eine ganz andere Weise fortzuschreiben, kann auch einzelne Textabschnitte nicht mehr als Notwendigkeit einer Geschichte begreifen. Vielmehr erzeugen sich hier die Wirkungen, indem sie bejahen: eine Szene erklärt sich nicht in ihrem Recht, in einer Geschichte zu stehen (sie re-flektiert nicht, sie bildet keine Ressentiments gegen den Leser), sondern sie existiert, in einer lockeren Verteilung zu anderen Szenen. Mit der Schizoanalyse werden diese einzelnen Elemente, ihre Verteilung und Verbindung modelliert. Und auch wenn der Text zunächst eine Notwendigkeit hat, ist diese Notwendigkeit keine Zwangsläufigkeit, sondern ein Bejahen, das den Singularitäten des Textes die Möglichkeit gibt, andernorts etwas ganz anderes zu sein.
Deshalb geht die Schizoanalyse von einer Vielfalt der Ergebnisse aus, und eher noch von einer Vielfalt der Zwischenergebnisse. Sie verzeichnet Karten, in der das eine Objekt mit dem anderen interagiert, natürlich nur so lange, wie diese Interaktion interessant ist, intensiv ist und nicht zu einer anderen, neuen Interaktion wird.
Ich kann mich zum Beispiel einige Zeit mit der Zielgerichtetheit der Sherlock-Holmes-Geschichten befassen. Die Zielgerichtetheit interagiert in einer gewissen Weise mit dem Ziel, geht aber nicht in diesem auf. Natürlich gibt es einen einheitlichen Zug in solchen Geschichten wie Das gesprenkelte Band. Alle Indizien weisen auf den Mordplan hin, den Holmes dann vereitelt. Doch das Ende, der Tod des Mörders, ist kein exklusives Ende, sondern ein inklusives. Nicht nur hätte man sich ein anderes Ende vorstellen können, es führt die ganze Geschichte auch aus dem Genre des Whodunnit heraus zu den Schauerromanen und den Geschichten der göttlichen Strafe, ohne deren Genregesetze zu erfüllen. Andererseits ist die Erläuterung, die Holmes für seine Schlussfolgerungen gibt, später, als er Watson über seine Vermutungen aufklärt, nicht direkt mit der Untersuchung korrespondierend. Während Holmes das Zimmer von Dr. Roylott und seiner Stieftochter untersucht, werden zwar Elemente angesprochen, aber noch nicht verbunden: so der nutzlose Glockenstrang, so das festgeschraubte Bett, so die seltsam zusammengeknotete Reitpeitsche. Wie Doyle nicht müde wird zu betonen, handelt es sich hier um Beobachtungen. Erst im Nachhinein gibt Holmes dann seine Kombinationen preis. Die diffuse Verteilung der Elemente, Glockenstrang, Bett, Peitsche, ist noch in einer offenen Logik gehalten, die den Leser mobilisiert, während die Erklärung dieses Arrangements den Mordplan als einen despotischen Mechanismus offenbart; kein Sammelsurium von Absonderlichkeiten, sondern ein exklusives, tödliches Arrangement. Die Inklusivität wandert von hier aus in die letzten Ereignisse: die Abwehr der Schlange, der Schrei Dr. Roylotts, der bizarre Kopfschmuck. Wiederum sind diese diffus verbunden, auch wenn Holmes sie codiert: "Wahrhaftig, Gewalt fällt auf den zurück, der Gewalt übt, und der Ränkeschmied stürzt in die Grube, die er einem anderen gegraben hat." Die Erklärung des Mordplans selbst ist ein Element in diesem offenen Arrangement. So verändert sich die Geschichte bis zum Schluss, birgt auch da noch die Abenteuer der offenen Interpretation und vereinnahmt die limitierende Erklärung als Teil eines nicht-limitativen Ganzen. Gerade die Erklärung ironisiert Doyle am Ende von Die Liga der Rotschöpfe, wenn Holmes sagt: "Ich verbringe mein Leben in einem einzigen großen Versuch, den Gemeinplätzen des Daseins zu entrinnen. Diese kleinen Probleme helfen mir dabei."
Die Zielgerichtetheit ist ein Element unter anderen. Schon alleine weil Erzählungen auch Charaktere darstellen und diese Charaktere nicht in ein Ziel münden - sowohl Holmes Charakter wie der von Dr. Roylott erweisen sich gegen die Geschichte selbst resistent -, schon deshalb kann und muss man von einem Gefüge ausgehen. Und wer sich einmal die Arbeit gemacht hat, sich eine Szene aus einem Roman zu ziehen und diese auf eine ganz andere Weise fortzuschreiben, kann auch einzelne Textabschnitte nicht mehr als Notwendigkeit einer Geschichte begreifen. Vielmehr erzeugen sich hier die Wirkungen, indem sie bejahen: eine Szene erklärt sich nicht in ihrem Recht, in einer Geschichte zu stehen (sie re-flektiert nicht, sie bildet keine Ressentiments gegen den Leser), sondern sie existiert, in einer lockeren Verteilung zu anderen Szenen. Mit der Schizoanalyse werden diese einzelnen Elemente, ihre Verteilung und Verbindung modelliert. Und auch wenn der Text zunächst eine Notwendigkeit hat, ist diese Notwendigkeit keine Zwangsläufigkeit, sondern ein Bejahen, das den Singularitäten des Textes die Möglichkeit gibt, andernorts etwas ganz anderes zu sein.
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