Cioran schreibt äußerst penetrant. Ich habe sein Schreiben als schwarz bezeichnet. In gewisser Weise beschwört er die metaphysischen Begriffe, um sie umso besser als hohl und nichtig darstellen zu können.
Langeweile
Todestrieb
In meinen ersten Notizen zu ihm findet sich der Tod als eine Art Sphäre (einem Planeten gleich), auf dem die Gedanken aufruhen und sich zugleich abstoßen. Der Todestrieb ist kein energetisches Prinzip (wie im spekulativen Modell des späten Freuds), sondern ein Pol, der das Leben umso stärker begleitet, je mehr es sich davon abstößt. Die Gedanken sind der Sprung wider die Schwerkraft des Sterbens.
Gedanken.Tod
Wie bei Nietzsche finden sich verschiedene Formen der Langeweile im Werk Ciorans. Sie ist immer eine Position zum Tode und zugleich eine Form des Denkens. Da die Gedanken sich vom Tode abstoßen, aber sich nur abstoßen können, insofern sie den Tod akzeptieren, entstehen vielfältige Formen der Langeweile, zum Teil ganz unterschiedliche, die wenig miteinander zu tun haben: denn der Ausdruck der Langweile und ihr Entstehen sind durch ihre Spaltung in sich zerrissen. Genauer scheint die Langeweile selbst nicht existent zu sein, und wenn sie es doch ist, dann, weil sie von außen als Langeweile usurpiert wird.
Schein und Einsamkeit
Man muss dies verstehen: nicht der Mensch langweilt sich, sondern er wird als gelangweilter erzeugt. Er ist nichts, bis er als Mensch erscheint. Dann aber ist er nur Schein, und als solcher kann er, sogar sich selbst, als gelangweilter erscheinen. Dies ist die zweite Ebene, die sich dem Tod entgegensetzt, und sich nur deshalb dem Tod entgegensetzen kann, weil sie genau so Nichts ist. Sie trägt eine ganz andere Zwiespältigkeit in sich: indem der Mensch auf ihr für andere Menschen ist und zugleich ganz und gar verschwindet. Deshalb kann bei Cioran auch nur der einsame Mensch auf die wirkliche Menschlichkeit hoffen. Deshalb sind die einsamen Gedanken die einzigen, die sich dem Tode flüchtig widersetzen können.
Sprechen lassen
Die Langeweile wird nur von Menschen erfahren, die keinen tieferen inneren Inhalt aufweisen und sich ausschließlich durch äußere Reizmittel lebendig erhalten können. Alle Taugenichtse suchen die Mannigfaltigkeit der Außenwelt, denn Oberflächlichkeit ist nichts anderes als Selbstverwirklichung vermittels Gegenständen. Der oberflächliche Mensch hat ein einziges Problem: die Rettung durch Objekte. Deshalb hascht er in der Außenwelt nach allem, was diese ihm darbieten kann, um sich selbst mit äußeren Werten und Dingen aufzufüllen. [Durch] Langeweile [...] manifestiert das Tier [...] den ersten Grad von Menschlichkeit.Cioran, Emil: Das Buch der Täuschungen. in ders.: Werke, hier S. 184 f.
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