22.07.2012

Alter Wein in alten Schläuchen

Vor ein paar Wochen habe ich mir ein kostenloses E-Book von einer Internetseite heruntergeladen. Es ging um die Manipulation von Menschen. Autor war ein gewisser Stefan Moreno. Mich interessierte daran vor allen Dingen, wie der Begriff der Manipulation aufgefüllt wird. 
Ich finde diese Entwicklung, die in den letzten Jahren in dieser Ratgeberliteratur stattfindet, höchst gefährlich. Sie trägt sowohl Allmachtsfantasien in sich, als auch ein völlig reduktives Menschen- und Gesellschaftsbild. Die Allmachtsfantasie besteht darin, zu glauben, einen Menschen und dessen Lebenszusammenhang vollkommen durchschauen zu können. Kein Satz ist schlimmer, keine Beleidigung größer, als zu jemandem zu sagen: ich weiß genau, wer du bist; oder: ich kenne dich besser, als du dich selbst. Das ist unverhohlener Größenwahnsinn und trägt in sich eigentlich nur die Aussage: es interessiert mich nicht, was du sagst, da ich das schon alles kenne (bzw. zu kennen glaube).
Das reduktive Menschenbild entsteht unter der Hand, weil die Manipulation dem anderen Menschen Ziele vorgibt, die der Manipulator ihm gesetzt hat und weil diese Ziele häufig nicht verhandelbar, sondern nur streitbar und deshalb strittig sind. Manipulative Gesprächstechniken müssen deshalb zwangsläufig entweder zur Überredung des Gegenübers führen oder zum Streit, bzw. zum Gesprächsabbruch. Überredung heißt in diesem Fall aber nicht Überzeugung. In der Überzeugung gelten vor allem sachliche Argumente. In der Überredung sind es vor allem rhetorische Tricks, die meist nur situativ wirken. Man hört das dann auch manchmal: da habe ich mir dummerweise etwas aufschwatzen lassen.

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass die Menschen so wenig Ahnung von der Logik haben, so dass jede Argumentationsfolge nur noch teilweise begriffen wird und die Argumentationen selbst windig in der Gegend herumschwanken. Das ist nicht nur ein Problem, wenn man selbst argumentieren muss, sondern auch, wenn man den Argumentationen anderer Menschen zu folgen hat.
So hat denn auch Stefan Moreno den Experten-Trick vorgestellt, den die klassische Rhetorik als argumentatio ad hominem kennt, nämlich, die Meinung eines so genannten Experten zu zitieren. Die Fragwürdigkeit dieser Methode wird schon in den klassischen Rhetoriken diskutiert, obwohl die alten Griechen noch nicht die "Freuden" der Massenmedien gekannt haben, oder, um Aristoteles zu zitieren: Glaub keinem Zitat aus dem Internet, das du nicht selbst gefälscht hast.

Ich arbeite weiterhin an der Logik von John Dewey, d.h., zur Zeit lese ich sie noch und komme gar nicht richtig zum Schreiben. Selbst meine Kommentare dazu sind äußerst knapp. Das liegt allerdings auch daran, dass ich sehr häufig zu Kant und zu Deleuze abdrifte. Seltsamerweise (oder auch nicht) steht Dewey Deleuze sogar recht nahe, zumindest für mich und im Moment.

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