So übertitelte der online-Stern gestern einen Artikel.
Diesem Zusammenhang zwischen Gewalt und Empathie gehe ich ja in einer umfangreicheren Arbeit nach. Die vielen Zitate und Kommentare, die hier in meinem Blog dazu auftauchen, sind weitestgehend diesem Zusammenhang gewidmet. Das Problem wird in diesem Stern-Artikel (mal wieder) implizit bei überforderten Müttern gesucht. Zum zweiten werden Vermutungen über Hirnstrukturen angestellt - "Manchmal finden wir schon in den Gehirnen von Achtjährigen Veränderungen, die denen von erwachsenen Straftätern ähneln", wird der Jugendpsychiater Timo Vloet zitiert -, die durchaus nicht den tatsächlich abgesicherten Ergebnissen der Neurophysiologie entsprechen (ich verweise hier noch einmal auf Gerhard Roth: Denken - Fühlen - Handeln).
Wie solche "psychopathischen Eigenschaften" wie "ausgeprägte Mitleidlosigkeit" und "mangelnde Reue" genetisch bedingt und deshalb auch genetisch vererbt werden können, dürfte wohl der größte Crux an diesem Artikel sein. Das Gehirn ist natürlich bei fehlender Empathie vollständig dabei: Persönlichkeit und Gehirnstruktur sind geradezu eins. Doch ist das Gehirn ein ausgesprochen kulturelles Organ. Woher die genetische Beeinflussung kommen soll, dürfte jedenfalls kaum wirklich nachzuweisen sein. Aber auch bei Psychiatern wird dieser intellektuelle Kurzschluss gerne mal vorgenommen.
Was aber nun hilft den Kindern, empathisch zu werden?
Dies ist zwar nur ein Thema am Rande meiner Arbeit. Trotzdem kann ich wohl einige Vermutungen aufstellen. Zunächst ist Empathie, und hier gebe ich dem Artikel ausnahmsweise Recht, in seiner höheren Form an Handlungsfähigkeit knüpft - also nicht einfach nur an Mitleid. Zudem basiert die Empathie von Erwachsenen gegenüber den Kindern auf einer fluiden Masse an Handlungsmöglichkeiten, also einer sich auf pragmatische Aspekte ausgerichteten Bildung. Bildung an sich stellt - so hatte ich das definiert - eine Menge an Vergleichsmöglichkeiten. Eine höhere Bildung wäre quantitativ zu messen an der Wissensmenge, die ein Mensch mit sich herumträgt, übrigens nicht unbedingt mit der Möglichkeit, sie zu nutzen. Die pragmatisch orientierte Bildung nutzt diese Vergleichsmöglichkeiten, zum Beispiel durch spielerisches Gegenüberstellen, witzige Kurzschlüsse, Perspektivenwechsel, genaues und hinterfragendes Zuhören.
Zunächst also ist die Förderung der kindlichen Empathie zu ihrer höheren Form von den Erwachsenen vorzuleben. Was für den Erziehenden Einfühlung in die Seele des Kindes ist, ist kein mystischer Sprung ins Innenleben, sondern ein interaktionell geprägtes Spiel mit dem Sinn.
In solchen Interaktionsmustern gibt es demnach auch kein Ziel. Denn ähnlich, wie die Bildung für sich keinen Zweck hat und diesen erst im Vergleich entdeckt (siehe weiter oben), so ist solch ein "interaktionell geprägtes Spiel mit dem Sinn" nicht auf eine Wirkung oder eine Lehre bedacht. Das Lernziel ist hier ausschließlich die größere Differenzierung, die Lust am Differenzieren, der Spaß daran, Muster zusammenzubasteln und wieder aufzulösen.
Humor, Kreativität, eine gewisse Langsamkeit beim Entwickeln von Ideen: viele Menschen erscheinen nur deshalb so entscheidungsfreudig, weil sie in Wirklichkeit Angst davor haben, sich beim Denken bloßzustellen. Wenn man sich und andere hier in eine allgemeine Hektik bringt, bleibt kein Platz für kritische Nachfragen. Es erscheint mir eine Krankheit der Deutschen zu sein, Entscheidungsfreude und Denkangst zu verwechseln, und auch darin sind die Deutschen immer noch eine beklagenswert deraisonnable Rasse.
Diese Verwechslung hat übrigens noch einen anderen, höchst schädlichen Nebeneffekt. Menschen mit schweren mnestischen Blockaden, wie sie nach jahrelanger Traumatisierung oder Deprivation üblich sind, neigen zu einem stark hysterischen Verhalten: sie stürzen sich in die Aktion, lange bevor die Bedingungen für diese Aktion(en) überprüft worden sind. Solche schwer gestörten Menschen kommen nun teilweise in der Ruf, besonders entscheidungsfreudig zu sein und deshalb besonders hohe Führungsqualitäten zu besitzen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Diese Menschen leiden unter der Unfähigkeit, Sachen langsam angehen zu lassen. Sie mögen entscheidungsfreudig sein, besitzen aber keine Ambiguitätstoleranz. Höhere Positionen erfordern immer Diplomatie. Diplomatie ist allerdings erst dann möglich, wenn man bewusst seine eigene Meinung zurückhalten kann, ohne darunter zu leiden. Traumatisierte Menschen dagegen ähneln sich an, schmiegen sich ein, was als diplomatisches Verhalten ausgelegt werden könnte, aber eine gewisse kognitive Distanzlosigkeit ist. Über die Jahre hinweg merkt man bei solchen Menschen, dass sich ihre Vergangenheit immer wieder ändert, dass sie klare Positionen, ja bis zum Größenwahn überzogene eigene Leistungen propagieren, die aber später in keinster Weise gezeigt werden, und ähnliches mehr. An solchen Menschen spürt man einen ungeheuren Willen zur Manipulation, der aber diesen Menschen selbst nicht im Geringsten bewusst ist.
Und hier haben wir dann die kaltblütige Generation in ihrer etablierten Form.
Ganz nebenbei bemerkt: die Ursache von Jugendgewalt zu biologisieren dürfte wohl wenig hilfreich sein. Jugendgewalt wie Kriminalität überhaupt entsteht aus sozialen Strukturen. Sehr lesenswert hierzu The Legacy of Anomie Theory, Volume VI, in dem Robert K. Merton - falsch, wie ich finde - die kriminelle Handlung unter die innovativen Handlungen eingliedert. Falsch ist diese Behauptung deshalb, weil sich in der kriminellen Handlung nicht die Abfolge eines innovativen Effektes ergibt. Schon eine Handlung als innovativ zu bezeichnen, impliziert zu viel Psychologie, wenn man rein von sozialen Strukturen ausgeht (instruktiv dazu: Luhmann, Niklas: Die Behandlung von Irritationen, in ders.: Gesellschaftsstruktur und Semantik IV). Sicherlich kann man aber kriminelle Handlungen als Handlungsvarianten bezeichnen, die vom Gesetz her nicht zur Etablierung zugelassen werden. Es soll, den Gesetzen und der Politik zufolge, keine Stabilisierung dieser Verhaltensmuster geben. Trotzdem ist Merton höchst spannend und die These, kriminelle Handlungen seien innovative Handlungen zumindest hinreichend provokativ, um aufzuschrecken. Sehr lesenswert auch das von Robert K. Merton und Gresham Sykes veröffentlichte Buch Criminology.
Gewalt hat so in der öffentlichen Wahrnehmung zwei Problematiken. Zum einen gibt es eine Dunkelfeldproblematik. Damit darf man nicht nur die nicht angezeigten Straftaten bezeichnen, die aus Angst oder falschem Mitleid oder privatem Ausgleich nicht nur Anzeige gebracht wurden. Zum Dunkelfeld gehört auch, dass für bestimmte Menschen oder Bevölkerungsschichten oder Gruppen garkeine soziale Strukturen ermöglichen, bestimmte Formen der Gewalt wahrzunehmen. Typischstes Beispiel sind hier Kinder, die eben noch nicht wissen, was sie als Gewalt wahrnehmen sollen und was dies weiter bedeutet.
Die andere Problematik ist die Hellfeldproblematik. In einem anderen Zusammenhang hat Friedrich Engels diese Hellfeldproblematik in seinem Anti-Dühring höchst geistreich erläutert, und es würde sich lohnen, dies hier ausführlich zu zitieren. Summa summarum basiert die Hellfeldproblematik nicht nur darauf, dass das Hellfeld, also die angezeigten und aufgedeckten Straftaten erfolgreiches (politisches, polizeiliches) Handeln suggerieren. Die kriminelle Handlung wird hier durch Kausalitäten erklärt, durch Begründungen aufgehellt und eingeweißt, so wie man im Radikalen Konstruktivismus vom Whitening the Black Box spricht, was so viel heißt, dass man eine Sache, die man eigentlich nicht erklären kann, weil die zugrundeliegenden Mechanismen zu komplex sind, trivialisiert und dadurch ein Licht der Vernunft erzeugt, das der Sache garnicht eigen ist.
Diesem Zusammenhang zwischen Gewalt und Empathie gehe ich ja in einer umfangreicheren Arbeit nach. Die vielen Zitate und Kommentare, die hier in meinem Blog dazu auftauchen, sind weitestgehend diesem Zusammenhang gewidmet. Das Problem wird in diesem Stern-Artikel (mal wieder) implizit bei überforderten Müttern gesucht. Zum zweiten werden Vermutungen über Hirnstrukturen angestellt - "Manchmal finden wir schon in den Gehirnen von Achtjährigen Veränderungen, die denen von erwachsenen Straftätern ähneln", wird der Jugendpsychiater Timo Vloet zitiert -, die durchaus nicht den tatsächlich abgesicherten Ergebnissen der Neurophysiologie entsprechen (ich verweise hier noch einmal auf Gerhard Roth: Denken - Fühlen - Handeln).
Wie solche "psychopathischen Eigenschaften" wie "ausgeprägte Mitleidlosigkeit" und "mangelnde Reue" genetisch bedingt und deshalb auch genetisch vererbt werden können, dürfte wohl der größte Crux an diesem Artikel sein. Das Gehirn ist natürlich bei fehlender Empathie vollständig dabei: Persönlichkeit und Gehirnstruktur sind geradezu eins. Doch ist das Gehirn ein ausgesprochen kulturelles Organ. Woher die genetische Beeinflussung kommen soll, dürfte jedenfalls kaum wirklich nachzuweisen sein. Aber auch bei Psychiatern wird dieser intellektuelle Kurzschluss gerne mal vorgenommen.
Was aber nun hilft den Kindern, empathisch zu werden?
Dies ist zwar nur ein Thema am Rande meiner Arbeit. Trotzdem kann ich wohl einige Vermutungen aufstellen. Zunächst ist Empathie, und hier gebe ich dem Artikel ausnahmsweise Recht, in seiner höheren Form an Handlungsfähigkeit knüpft - also nicht einfach nur an Mitleid. Zudem basiert die Empathie von Erwachsenen gegenüber den Kindern auf einer fluiden Masse an Handlungsmöglichkeiten, also einer sich auf pragmatische Aspekte ausgerichteten Bildung. Bildung an sich stellt - so hatte ich das definiert - eine Menge an Vergleichsmöglichkeiten. Eine höhere Bildung wäre quantitativ zu messen an der Wissensmenge, die ein Mensch mit sich herumträgt, übrigens nicht unbedingt mit der Möglichkeit, sie zu nutzen. Die pragmatisch orientierte Bildung nutzt diese Vergleichsmöglichkeiten, zum Beispiel durch spielerisches Gegenüberstellen, witzige Kurzschlüsse, Perspektivenwechsel, genaues und hinterfragendes Zuhören.
Zunächst also ist die Förderung der kindlichen Empathie zu ihrer höheren Form von den Erwachsenen vorzuleben. Was für den Erziehenden Einfühlung in die Seele des Kindes ist, ist kein mystischer Sprung ins Innenleben, sondern ein interaktionell geprägtes Spiel mit dem Sinn.
In solchen Interaktionsmustern gibt es demnach auch kein Ziel. Denn ähnlich, wie die Bildung für sich keinen Zweck hat und diesen erst im Vergleich entdeckt (siehe weiter oben), so ist solch ein "interaktionell geprägtes Spiel mit dem Sinn" nicht auf eine Wirkung oder eine Lehre bedacht. Das Lernziel ist hier ausschließlich die größere Differenzierung, die Lust am Differenzieren, der Spaß daran, Muster zusammenzubasteln und wieder aufzulösen.
Humor, Kreativität, eine gewisse Langsamkeit beim Entwickeln von Ideen: viele Menschen erscheinen nur deshalb so entscheidungsfreudig, weil sie in Wirklichkeit Angst davor haben, sich beim Denken bloßzustellen. Wenn man sich und andere hier in eine allgemeine Hektik bringt, bleibt kein Platz für kritische Nachfragen. Es erscheint mir eine Krankheit der Deutschen zu sein, Entscheidungsfreude und Denkangst zu verwechseln, und auch darin sind die Deutschen immer noch eine beklagenswert deraisonnable Rasse.
Diese Verwechslung hat übrigens noch einen anderen, höchst schädlichen Nebeneffekt. Menschen mit schweren mnestischen Blockaden, wie sie nach jahrelanger Traumatisierung oder Deprivation üblich sind, neigen zu einem stark hysterischen Verhalten: sie stürzen sich in die Aktion, lange bevor die Bedingungen für diese Aktion(en) überprüft worden sind. Solche schwer gestörten Menschen kommen nun teilweise in der Ruf, besonders entscheidungsfreudig zu sein und deshalb besonders hohe Führungsqualitäten zu besitzen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Diese Menschen leiden unter der Unfähigkeit, Sachen langsam angehen zu lassen. Sie mögen entscheidungsfreudig sein, besitzen aber keine Ambiguitätstoleranz. Höhere Positionen erfordern immer Diplomatie. Diplomatie ist allerdings erst dann möglich, wenn man bewusst seine eigene Meinung zurückhalten kann, ohne darunter zu leiden. Traumatisierte Menschen dagegen ähneln sich an, schmiegen sich ein, was als diplomatisches Verhalten ausgelegt werden könnte, aber eine gewisse kognitive Distanzlosigkeit ist. Über die Jahre hinweg merkt man bei solchen Menschen, dass sich ihre Vergangenheit immer wieder ändert, dass sie klare Positionen, ja bis zum Größenwahn überzogene eigene Leistungen propagieren, die aber später in keinster Weise gezeigt werden, und ähnliches mehr. An solchen Menschen spürt man einen ungeheuren Willen zur Manipulation, der aber diesen Menschen selbst nicht im Geringsten bewusst ist.
Und hier haben wir dann die kaltblütige Generation in ihrer etablierten Form.
Ganz nebenbei bemerkt: die Ursache von Jugendgewalt zu biologisieren dürfte wohl wenig hilfreich sein. Jugendgewalt wie Kriminalität überhaupt entsteht aus sozialen Strukturen. Sehr lesenswert hierzu The Legacy of Anomie Theory, Volume VI, in dem Robert K. Merton - falsch, wie ich finde - die kriminelle Handlung unter die innovativen Handlungen eingliedert. Falsch ist diese Behauptung deshalb, weil sich in der kriminellen Handlung nicht die Abfolge eines innovativen Effektes ergibt. Schon eine Handlung als innovativ zu bezeichnen, impliziert zu viel Psychologie, wenn man rein von sozialen Strukturen ausgeht (instruktiv dazu: Luhmann, Niklas: Die Behandlung von Irritationen, in ders.: Gesellschaftsstruktur und Semantik IV). Sicherlich kann man aber kriminelle Handlungen als Handlungsvarianten bezeichnen, die vom Gesetz her nicht zur Etablierung zugelassen werden. Es soll, den Gesetzen und der Politik zufolge, keine Stabilisierung dieser Verhaltensmuster geben. Trotzdem ist Merton höchst spannend und die These, kriminelle Handlungen seien innovative Handlungen zumindest hinreichend provokativ, um aufzuschrecken. Sehr lesenswert auch das von Robert K. Merton und Gresham Sykes veröffentlichte Buch Criminology.
Gewalt hat so in der öffentlichen Wahrnehmung zwei Problematiken. Zum einen gibt es eine Dunkelfeldproblematik. Damit darf man nicht nur die nicht angezeigten Straftaten bezeichnen, die aus Angst oder falschem Mitleid oder privatem Ausgleich nicht nur Anzeige gebracht wurden. Zum Dunkelfeld gehört auch, dass für bestimmte Menschen oder Bevölkerungsschichten oder Gruppen garkeine soziale Strukturen ermöglichen, bestimmte Formen der Gewalt wahrzunehmen. Typischstes Beispiel sind hier Kinder, die eben noch nicht wissen, was sie als Gewalt wahrnehmen sollen und was dies weiter bedeutet.
Die andere Problematik ist die Hellfeldproblematik. In einem anderen Zusammenhang hat Friedrich Engels diese Hellfeldproblematik in seinem Anti-Dühring höchst geistreich erläutert, und es würde sich lohnen, dies hier ausführlich zu zitieren. Summa summarum basiert die Hellfeldproblematik nicht nur darauf, dass das Hellfeld, also die angezeigten und aufgedeckten Straftaten erfolgreiches (politisches, polizeiliches) Handeln suggerieren. Die kriminelle Handlung wird hier durch Kausalitäten erklärt, durch Begründungen aufgehellt und eingeweißt, so wie man im Radikalen Konstruktivismus vom Whitening the Black Box spricht, was so viel heißt, dass man eine Sache, die man eigentlich nicht erklären kann, weil die zugrundeliegenden Mechanismen zu komplex sind, trivialisiert und dadurch ein Licht der Vernunft erzeugt, das der Sache garnicht eigen ist.
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen