Kurzer Blick auf die Wahlprogramme
Enttäuschend undeutlich ist das Bildungsprogramm der europäischen FDP. Vor allem Kreativität und Bildung werden hier propagiert, die Vielfalt, aber auch die Geordnetheit des europäischen Bildungssystems. Nun kann man sich über Begriffe wie Bildung und Kreativität trefflich streiten. Was die Förderung spezifischer Ausbildungsmaßnahmen angeht, stellt die FDP vor allem Austauschprogramme (Comenius, Erasmus, ...) in den Raum.
Das EU-Wahlprogramm der CDU dagegen weiß nichts von Bildung. (Hätte mich allerdings auch gewundert!)
Die SPD dagegen setzt auf Bildung als Dienstleistung für qualitatives Wachstum, Innovation und Aufstiegschancen. Man mag das freundlicher lesen und könnte es auch. Aber der Zuschnitt der Bildung auf den Arbeitsmarkt hat von jeher eine zunächst wissenschaftliche Definition von Bildung, bzw. auch eine breiter angelegte Definition von Bildung torpediert. Hier sollte man jedenfalls aufpassen, dass man sich von einer Gesinnungsrhetorik nicht vereinnahmen lässt.
Hält man das Wahlprogramm der Grünen neben das Wahlprogramm der CDU, dann fällt einem vor allem eines auf: während dir Grünen einen umfassenden Überblick über europa-relevante Themen bieten, Wissen vermitteln und darauf aufbauend argumentieren, ist das Programm der CDU peinlichst diffus und bekenntnishaft leer. Auch die Grünen setzen auf eine stark institutionalisierte Bildung, die eine überregionale Regulierung als Ziel hat. Auch hier geht es weniger um Bildung, aber immerhin liest sich das hier zum ersten Mal deutlich, als um Bildungsabschlüsse.
Auch die Linken können nicht wirklich punkten. Immerhin thematisieren sie die Privatisierung der Bildungssysteme, die eine tendenziöse Bildung eher fördern wird. Ich werde dazu unten noch einmal ausführlicher argumentieren. Ebenso richtig ist es, Qualifikationsniveaus kritisch zu beäugen. Qualifikationen sind, wie es der Name schon sagt, an Qualitatives gebunden, während Niveaus nicht nur eine Quantifizierung, sondern sogar noch eine hierarchische Quantifizierung einführen. Qualifikationsniveaus könnten sich als schwarze Schimmel entpuppen. (Hier ist aber nebenbei noch das Problem, dass die Bedeutung des Wortes Qualität so stark ins Quantitative abgerutscht ist, dass es kaum noch einen Wert für eine logische Trennung besitzt.)
Richtig ist auch, dass der UN-Sozialpakt ein Studium ohne Studiengebühren anempfiehlt, während in der EU für Studiengebühren geworben wird. Wie auch immer man das menschenrechtlich interpretieren mag: man kann nicht auf der einen Seite UN-Beschlüsse gutheißen und zur gleichen Zeit dieselben in Europa ad absurdum führen. (Man kann schon: die Frage ist, ob dies glaubwürdig ist.)
Das EU-Wahlprogramm der CDU dagegen weiß nichts von Bildung. (Hätte mich allerdings auch gewundert!)
Die SPD dagegen setzt auf Bildung als Dienstleistung für qualitatives Wachstum, Innovation und Aufstiegschancen. Man mag das freundlicher lesen und könnte es auch. Aber der Zuschnitt der Bildung auf den Arbeitsmarkt hat von jeher eine zunächst wissenschaftliche Definition von Bildung, bzw. auch eine breiter angelegte Definition von Bildung torpediert. Hier sollte man jedenfalls aufpassen, dass man sich von einer Gesinnungsrhetorik nicht vereinnahmen lässt.
Hält man das Wahlprogramm der Grünen neben das Wahlprogramm der CDU, dann fällt einem vor allem eines auf: während dir Grünen einen umfassenden Überblick über europa-relevante Themen bieten, Wissen vermitteln und darauf aufbauend argumentieren, ist das Programm der CDU peinlichst diffus und bekenntnishaft leer. Auch die Grünen setzen auf eine stark institutionalisierte Bildung, die eine überregionale Regulierung als Ziel hat. Auch hier geht es weniger um Bildung, aber immerhin liest sich das hier zum ersten Mal deutlich, als um Bildungsabschlüsse.
Auch die Linken können nicht wirklich punkten. Immerhin thematisieren sie die Privatisierung der Bildungssysteme, die eine tendenziöse Bildung eher fördern wird. Ich werde dazu unten noch einmal ausführlicher argumentieren. Ebenso richtig ist es, Qualifikationsniveaus kritisch zu beäugen. Qualifikationen sind, wie es der Name schon sagt, an Qualitatives gebunden, während Niveaus nicht nur eine Quantifizierung, sondern sogar noch eine hierarchische Quantifizierung einführen. Qualifikationsniveaus könnten sich als schwarze Schimmel entpuppen. (Hier ist aber nebenbei noch das Problem, dass die Bedeutung des Wortes Qualität so stark ins Quantitative abgerutscht ist, dass es kaum noch einen Wert für eine logische Trennung besitzt.)
Richtig ist auch, dass der UN-Sozialpakt ein Studium ohne Studiengebühren anempfiehlt, während in der EU für Studiengebühren geworben wird. Wie auch immer man das menschenrechtlich interpretieren mag: man kann nicht auf der einen Seite UN-Beschlüsse gutheißen und zur gleichen Zeit dieselben in Europa ad absurdum führen. (Man kann schon: die Frage ist, ob dies glaubwürdig ist.)
Bildung
Bildung ist, ich hatte es früher schon mal geschrieben, ein Vorrat an semantischen Formen, die Vergleiche ermöglichen und damit Entscheidungsspielräume, sowohl personale als auch soziale.
Bildung ist demnach kein Selbstzweck, sondern immer eingebunden in einen Nutzen, der nur situativ genannt werden kann. Mithin gibt es beim Erwerb von Bildung eine gewisse Dysfunktionalität, einen zunächst scheinbaren Selbstzweck.
Dies ist häufig an der Bildung moniert worden: sie würde totes Wissen lehren. Und für die sogenannte Unterschicht wurde ja seit langer Zeit eine Orientierung der Bildungsinhalte an deren Lebenswelt propagiert. Gegen eine solche Auffassung von Bildung wehre ich mich alleine deshalb, weil nur eine Vielfalt an semantischen Formen ein breites Spektrum an Vergleichen gewährleistet. Wer nur semantische "Nahformen" zulässt, gefährdet Austauschprozesse zwischen Schichten, vor allem auch Aufstiegschancen, gefährdet kreatives Potential, das aus heterogenen und mannigfaltigen Vergleichen erwächst, - vor allem aber werden hier Grenzen etabliert, die die Nahwelt, die Lebenswelt zugleich als das Unhinterfragbare und zugleich als das ständig Gefährdete darstellen. Da Kulturen sich beständig durch Mischungen neu erzeugen, werden so auch Lebenswelten fortwährend mit "Fremdheiten" überzogen, in stärkeren und schwächeren "Schüben" (man verzeihe mir hier meine Metaphorik!). Hier nicht von Anfang an Wert auf den Umgang mit ganz Anderem, noch nie Gehörtem Wert zu legen, leistet regionaler und provinzieller Ängstlichkeit Vorschub und wahrscheinlich auch dem Rechtsnationalismus und Rechtspopulismus (Bildung sei nur das, was uns sowieso angeht!).
Bildung, als Vorrat an Wissen und Wissensstrukturen, an Bildern, an handwerklichen Abläufen, etc. kann zwar funktionalisiert werden, muss dann aber unter dieselben Grenzen der Provinzialität fallen, wie ich dies eben für die Lebensweltorientierung geschildert habe. Wer funktionale Bildung wünscht, kann nicht Goethe wünschen. Und wer Goethe wünscht, aber nur im Rahmen eines Nationalbewusstseins, muss sich hier letzten Endes auf eine Tautologie einlassen, die nationale Bildung mit nationaler Identität und nationale Identität mit nationaler Bildung gleichsetzt.
Bildung an sich, auf diese Definition muss man sich einlassen, dysfunktional. Ihre Funktionalität kann sich von vorneherein klären, wenn man bestimmte Ziele vor Augen hat (und ich sage nicht, dass das unwichtig sei!), aber zugleich gibt es zahlreiche auch unternehmerisch wichtige persönliche Qualitäten wie Kreativität, intra- und interkulturelle Kompetenz, Schlagfertigkeit, Analysefähigkeit, Konfliktmanagement, die auf zahlreiche und manchmal ungewöhnliche semantische Formen zurückgreifen muss. Und hier kann eine von vorneherein funktionalisierte Bildung nur noch bedingt greifen. Die Dysfunktionalität der Bildung hat ihren qualitativen Umschlag in der Situation, in dem Bildung durch den Vergleich funktionalisiert werden kann. Funktionalisieren ist hier im weitesten Sinne gefasst. Auch Humor, auch Kreativität hat eine interaktionelle Funktion.
Kann Bildung eine Sache von Eliten sein? Natürlich nicht. Es sei denn, die Eliten wollten sich als dysfunktional beschreiben (was der Sache manchmal sogar sehr nahe kommt). Das ist der erste Einwand gegen eine Bildungselite. Der zweite ist, dass ein Vergleich per se nicht elitär sein kann, sondern eine Probe auf das Gleiche und das Unterschiedliche ist. Die darin angelegte Grundoperation trägt keinen Vorrang gegenüber anderen Vergleichen. Mithin gibt es keinen Unterschied zwischen einem Vergleich, der von einem hochrangigen Wissenschaftler angestellt wurde und einem Vergleich, der von einem Busfahrer gezogen wurde. Auf dieser Ebene Qualitätsunterschiede zu sehen, heißt, Wirkungen des Vergleichs in den Vergleich selbst einzugraben. Der Vergleich trifft aber immer erst auf eine soziale Konstellation, in der er seine Wirkungen entfaltet und erst dort kann man dann wieder von qualitativen sozialen Unterschieden reden. Wenn die Vergleiche, die eine Elite qua Bildung macht, etwas bewirken, dann auch die Selbststabilisierung der Eliten: dass, was die Elite vergleicht, ist ja per se besser. Auch hier wird der Wirkung eines Vergleichs mit dem Vergleich selbst verwechselt. Folge: Die Elite bewirkt sich selbst. Das ist übrigens ein Phänomen, das man bei dem ultrakonservativen Vilfredo Pareto nachlesen kann. Der dritte Einwand gegen eine Bildungselite besteht darin, dass Schichtensysteme oder Kastensysteme samt dem zulässigen Kastenwissen dem Vergleich als Grundoperation widersprechen, da dieser immer auf etwas anderes angewiesen ist. Bildung wäre demnach schon dann begrenzt, sobald man die Möglichkeit irgendeines Wissens ausschließt. Elitäre Bildung praktiziert das gerne. Dem Grundgedanken der semantischen Form entgeht aber nichts, was irgendwie kulturell ist: ob es nun Goethe oder Konsalik, die Süddeutsche oder die Bildzeitung ist, zunächst bieten all diese kulturellen Partikel semantische Formen an. Deshalb kann sich eine gebildete Schicht es gerade nicht leisten, semantische Formen auszuschließen. Sie muss anti-elitär sein, interessiert auch an dem, was sich nicht mit lang tradiertem Adel schmücken kann.
Letzter Aspekt: Ist Bildung ein Menschenrecht? Nun, die Frage erübrigt sich dann, wenn man Bildung als dysfunktional ansieht. Nein, sie ist kein Menschenrecht. Nebenbei gesagt: man hat die Bildung ja nicht, da sie jederzeit steigerbar ist und keine Garantie auf ihre Anwendbarkeit gibt. Wer wollte das in einem Menschenleben abgehen, was viele Millionen Menschen und unzählige Generationen geschaffen haben? - Natürlich wird die Bildung als Menschenrecht anders verstanden, da der Bildungsbegriff von der UNO und der Linken anders verstanden wird. Ein Recht haben die Menschen allerdings auf den freien Zugang zu semantischen Formen. Damit ist der Zugang zu Bildungssystemen gemeint, damit ist das Verbot von Zensur gemeint (die bestimmte semantische Formen wegsperren möchte), damit ist die Pressefreiheit, aber auch die Pressevielfalt gemeint.
Ein Menschenrecht ist auch das Recht auf den Vergleich, allerdings auch, dies wird qua Bildung nahegelegt, die Pflicht zu einem vielfältigen, wenn nicht gar umfassenden Vergleich.
Mit anderen Worten:
Bildung ist kein Selbstzweck.
Sie kann auch nicht wirklich institutionalisiert werden. Den Institutionen passiert genau das, was auch Eliten passiert: sie blenden Inhalte aus. Richtig ist natürlich, dass man in Institutionen eine gewisse Bildung lernen kann, aber nur um den Preis, hier Grenzen einzuziehen, die den Vorrat an semantischen Formen beschneidet. Bildungsinstitutionen sind eher ein Notbehelf.
Bildung bietet auch keine Qualifikation. Die Qualität der Bildung entsteht momenthaft, situativ. Bildung spielt dabei eine wichtige Rolle, aber als Ursache und nicht als Garantie für hervorragende Ergebnisse. Anders gesagt: Bildung ist notwendig, aber ebenso notwendig ist, dass sie sich situativ entfalten kann. Erst hier entsteht Qualität und erst hier entstehen dann auch Qualifikationen.
Es ist desaströs, wenn man Bildungspolitik einer Funktion unterordnet. Hier gehen die Linken, auf eine vage Art und Weise, den richtigen Weg. Er hätte besser ausgearbeitet werden dürfen. Obwohl mir der Weg der Grünen nichts anderes zu sein scheint, als ein Irgendwie-Herummauscheln-mit-Bildung-als-Karrierechance, wird hier rein formal umfangreicher argumentiert.
Schlimm ist, wenn auch eine gewisse glücksselige Naivität darin steckt, was die FDP schreibt. Die kreative Funktion von Bildung ist tatsächlich eminent wichtig.
Dass die CDU sich garnicht zu diesem Thema äußern kann, ist allerdings schockierend.
Bildung ist demnach kein Selbstzweck, sondern immer eingebunden in einen Nutzen, der nur situativ genannt werden kann. Mithin gibt es beim Erwerb von Bildung eine gewisse Dysfunktionalität, einen zunächst scheinbaren Selbstzweck.
Dies ist häufig an der Bildung moniert worden: sie würde totes Wissen lehren. Und für die sogenannte Unterschicht wurde ja seit langer Zeit eine Orientierung der Bildungsinhalte an deren Lebenswelt propagiert. Gegen eine solche Auffassung von Bildung wehre ich mich alleine deshalb, weil nur eine Vielfalt an semantischen Formen ein breites Spektrum an Vergleichen gewährleistet. Wer nur semantische "Nahformen" zulässt, gefährdet Austauschprozesse zwischen Schichten, vor allem auch Aufstiegschancen, gefährdet kreatives Potential, das aus heterogenen und mannigfaltigen Vergleichen erwächst, - vor allem aber werden hier Grenzen etabliert, die die Nahwelt, die Lebenswelt zugleich als das Unhinterfragbare und zugleich als das ständig Gefährdete darstellen. Da Kulturen sich beständig durch Mischungen neu erzeugen, werden so auch Lebenswelten fortwährend mit "Fremdheiten" überzogen, in stärkeren und schwächeren "Schüben" (man verzeihe mir hier meine Metaphorik!). Hier nicht von Anfang an Wert auf den Umgang mit ganz Anderem, noch nie Gehörtem Wert zu legen, leistet regionaler und provinzieller Ängstlichkeit Vorschub und wahrscheinlich auch dem Rechtsnationalismus und Rechtspopulismus (Bildung sei nur das, was uns sowieso angeht!).
Bildung, als Vorrat an Wissen und Wissensstrukturen, an Bildern, an handwerklichen Abläufen, etc. kann zwar funktionalisiert werden, muss dann aber unter dieselben Grenzen der Provinzialität fallen, wie ich dies eben für die Lebensweltorientierung geschildert habe. Wer funktionale Bildung wünscht, kann nicht Goethe wünschen. Und wer Goethe wünscht, aber nur im Rahmen eines Nationalbewusstseins, muss sich hier letzten Endes auf eine Tautologie einlassen, die nationale Bildung mit nationaler Identität und nationale Identität mit nationaler Bildung gleichsetzt.
Bildung an sich, auf diese Definition muss man sich einlassen, dysfunktional. Ihre Funktionalität kann sich von vorneherein klären, wenn man bestimmte Ziele vor Augen hat (und ich sage nicht, dass das unwichtig sei!), aber zugleich gibt es zahlreiche auch unternehmerisch wichtige persönliche Qualitäten wie Kreativität, intra- und interkulturelle Kompetenz, Schlagfertigkeit, Analysefähigkeit, Konfliktmanagement, die auf zahlreiche und manchmal ungewöhnliche semantische Formen zurückgreifen muss. Und hier kann eine von vorneherein funktionalisierte Bildung nur noch bedingt greifen. Die Dysfunktionalität der Bildung hat ihren qualitativen Umschlag in der Situation, in dem Bildung durch den Vergleich funktionalisiert werden kann. Funktionalisieren ist hier im weitesten Sinne gefasst. Auch Humor, auch Kreativität hat eine interaktionelle Funktion.
Kann Bildung eine Sache von Eliten sein? Natürlich nicht. Es sei denn, die Eliten wollten sich als dysfunktional beschreiben (was der Sache manchmal sogar sehr nahe kommt). Das ist der erste Einwand gegen eine Bildungselite. Der zweite ist, dass ein Vergleich per se nicht elitär sein kann, sondern eine Probe auf das Gleiche und das Unterschiedliche ist. Die darin angelegte Grundoperation trägt keinen Vorrang gegenüber anderen Vergleichen. Mithin gibt es keinen Unterschied zwischen einem Vergleich, der von einem hochrangigen Wissenschaftler angestellt wurde und einem Vergleich, der von einem Busfahrer gezogen wurde. Auf dieser Ebene Qualitätsunterschiede zu sehen, heißt, Wirkungen des Vergleichs in den Vergleich selbst einzugraben. Der Vergleich trifft aber immer erst auf eine soziale Konstellation, in der er seine Wirkungen entfaltet und erst dort kann man dann wieder von qualitativen sozialen Unterschieden reden. Wenn die Vergleiche, die eine Elite qua Bildung macht, etwas bewirken, dann auch die Selbststabilisierung der Eliten: dass, was die Elite vergleicht, ist ja per se besser. Auch hier wird der Wirkung eines Vergleichs mit dem Vergleich selbst verwechselt. Folge: Die Elite bewirkt sich selbst. Das ist übrigens ein Phänomen, das man bei dem ultrakonservativen Vilfredo Pareto nachlesen kann. Der dritte Einwand gegen eine Bildungselite besteht darin, dass Schichtensysteme oder Kastensysteme samt dem zulässigen Kastenwissen dem Vergleich als Grundoperation widersprechen, da dieser immer auf etwas anderes angewiesen ist. Bildung wäre demnach schon dann begrenzt, sobald man die Möglichkeit irgendeines Wissens ausschließt. Elitäre Bildung praktiziert das gerne. Dem Grundgedanken der semantischen Form entgeht aber nichts, was irgendwie kulturell ist: ob es nun Goethe oder Konsalik, die Süddeutsche oder die Bildzeitung ist, zunächst bieten all diese kulturellen Partikel semantische Formen an. Deshalb kann sich eine gebildete Schicht es gerade nicht leisten, semantische Formen auszuschließen. Sie muss anti-elitär sein, interessiert auch an dem, was sich nicht mit lang tradiertem Adel schmücken kann.
Letzter Aspekt: Ist Bildung ein Menschenrecht? Nun, die Frage erübrigt sich dann, wenn man Bildung als dysfunktional ansieht. Nein, sie ist kein Menschenrecht. Nebenbei gesagt: man hat die Bildung ja nicht, da sie jederzeit steigerbar ist und keine Garantie auf ihre Anwendbarkeit gibt. Wer wollte das in einem Menschenleben abgehen, was viele Millionen Menschen und unzählige Generationen geschaffen haben? - Natürlich wird die Bildung als Menschenrecht anders verstanden, da der Bildungsbegriff von der UNO und der Linken anders verstanden wird. Ein Recht haben die Menschen allerdings auf den freien Zugang zu semantischen Formen. Damit ist der Zugang zu Bildungssystemen gemeint, damit ist das Verbot von Zensur gemeint (die bestimmte semantische Formen wegsperren möchte), damit ist die Pressefreiheit, aber auch die Pressevielfalt gemeint.
Ein Menschenrecht ist auch das Recht auf den Vergleich, allerdings auch, dies wird qua Bildung nahegelegt, die Pflicht zu einem vielfältigen, wenn nicht gar umfassenden Vergleich.
Mit anderen Worten:
Bildung ist kein Selbstzweck.
Sie kann auch nicht wirklich institutionalisiert werden. Den Institutionen passiert genau das, was auch Eliten passiert: sie blenden Inhalte aus. Richtig ist natürlich, dass man in Institutionen eine gewisse Bildung lernen kann, aber nur um den Preis, hier Grenzen einzuziehen, die den Vorrat an semantischen Formen beschneidet. Bildungsinstitutionen sind eher ein Notbehelf.
Bildung bietet auch keine Qualifikation. Die Qualität der Bildung entsteht momenthaft, situativ. Bildung spielt dabei eine wichtige Rolle, aber als Ursache und nicht als Garantie für hervorragende Ergebnisse. Anders gesagt: Bildung ist notwendig, aber ebenso notwendig ist, dass sie sich situativ entfalten kann. Erst hier entsteht Qualität und erst hier entstehen dann auch Qualifikationen.
Es ist desaströs, wenn man Bildungspolitik einer Funktion unterordnet. Hier gehen die Linken, auf eine vage Art und Weise, den richtigen Weg. Er hätte besser ausgearbeitet werden dürfen. Obwohl mir der Weg der Grünen nichts anderes zu sein scheint, als ein Irgendwie-Herummauscheln-mit-Bildung-als-Karrierechance, wird hier rein formal umfangreicher argumentiert.
Schlimm ist, wenn auch eine gewisse glücksselige Naivität darin steckt, was die FDP schreibt. Die kreative Funktion von Bildung ist tatsächlich eminent wichtig.
Dass die CDU sich garnicht zu diesem Thema äußern kann, ist allerdings schockierend.
1 Kommentar :
Warnung: Völlig Off Topic
Lieber Herr Weitz,
ich habe eben Ihren Whodunnit-Beitrag in der Lu.-Liste gelesen und möchte eine Bemerkung dazu los werden (dort beteilige ich mich allenfalls lesend): In Ihrer Typologie habe ich vermisst, dass der Whodunnit das 'Lesen' (von Spuren etc.) stets thematisiert, personalisiert und reflektiert. Wenn Literatur prinzipiell den Leser als Beobachter 1. und 2. Ordnung konstituiert (um im Begriffsrepertoire der Lu.-Liste zu bleiben), dann wird daraus im Whodunnit das offene Konstruktionsprinzip (Geschichte der Aufklärung + Geschichte des Verbrechens).
Beste Grüße!
Kommentar veröffentlichen