14.12.2008

Bundestagsdebatte

Cedric ist da. Er schläft natürlich längst.
Um mir ein wenig Verschnaufpause zu gönnen, habe ich mich heute Abend an die Probleme induktiver Argumente gesetzt. Ein bisschen hatte ich vorher zu Fragmenten bei Nietzsche skizziert. Dann aber habe ich beschlossen, eine Bundestagsdebatte genauer zu betrachten. Als Vorlage habe ich mir - recht wahllos - die Aussprache zu zwei Gesetzentwürfen am fünften Dezember ausgesucht. Jetzt sitze ich seit elf Uhr am Computer und formuliere einige meiner Stichwortsammlungen zum ersten Beitrag - dem von Klaus Brandner - aus.
Gut, ich habe nebenbei noch einmal Luhmann Das Recht der Gesellschaft zu Rate gezogen und in Umberto Ecos Die Grenzen der Interpretation gestöbert.
Tatsächlich ist der Vergleich zwischen einer Bundestagsrede und einem narrativen Text wie etwa Donna Leons Vendetta sehr spannend, sowohl was Argumentationen angeht, als auch Attributionen oder Bildbereiche durch rhetorische Mittel.
Eines aber kann ich jetzt schon sagen: bisher habe ich die Bundestagsdebatten eher inhaltlich überflogen und mir nicht so viel Gedanken über die formalen Aspekte gemacht. Nur hier und da ist mir mal eine hübsche Metapher, eine krude Analogie aufgestoßen, oder ich habe neue Gedanken über gesellschaftliche Zusammenhänge erfahren. Aber das waren eher punktuelle Einsätze, die mich etwas zufällig oder lustbetont zu neuen Erkenntnissen geführt haben. Meine Arbeit der letzten fünf Stunden dagegen ist eine mittlerweile recht systematische Suchbewegung, die zu einer sehr umfassenden Distanzierung führt (so mein Gefühl).
Distanzierung? Die Funktion der Kritik ist nicht Wahrheit, sondern Desintegration. Kritik ist der Versuch, sich aus den latenten Zumutungen der Gesellschaft oder Teilen der Gesellschaft zu lösen. Und natürlich bedeutet diese Definition von Kritik, dass negative Urteile über Menschen, die sowieso als Gegner gesehen werden, keine Kritik ist. Desintegration definiere ich, mit Luhmann, als einen Prozess zu mehr Entscheidungsspielräumen, Integration als einen Prozess zu weniger Entscheidungsspielräumen. Beides lässt sich nicht per se als gut oder schlecht bezeichnen. - Es gibt natürlich eine andere Form von Integration, zum Beispiel die von Behinderten. Damit ist aber lediglich ein Aufenthalt von Behinderten in für sie eingerichtete Einrichtungen gemeint, und sei es eben der behindertengerechte Arbeitsplatz. Der Luhmannsche Integrations-/Desintegrationsbegriff zielt dagegen auf Entscheidungsmöglichkeiten ab, die man hat oder nicht hat. Wie dies moralisch zu bewerten ist, ist ein Entscheidungsspielraum, für den sich der Systemtheoretiker nicht entscheiden kann.

Erst hatte ich vorgehabt, die Rede von Klaus Brandner vollständig durchkommentiert in den Blog zu stellen. Das wird mir mittlerweile zu umfangreich. Stattdessen werde ich morgen nachmittag durchschauen, was ich von dem einen oder anderen meiner Kommentare als eigenen Beitrag umschreiben kann.

Keine Kommentare :