03.06.2013

Kapitalismuskritiker: Blockupy im Kessel

Manchmal fragt man sich, ob unsere Polizei überhaupt noch begreift, welch gefährlichen, man muss schon fast sagen antidemokratischen Weg sie einschlägt. Während Protestmärsche von Neonazis immer hübsch abgesteckt sind, so dass der Protest zwar durch Polizei abgeschirmt und deshalb zum Glück auch häufig nicht wirklich sichtbar stattfinden kann, werden Protestmärsche von Bürgern eingekesselt und verhindert. Teilweise werden diese sogar nicht genehmigt; wie man der TAZ entnehmen darf, sogar recht häufig.
Natürlich darf man die ganz radikalen Kräfte nicht hinnehmen. Meine Meinung dazu ist aber, dass man sie deshalb nicht hinnehmen darf, weil sie liberale oder anarchistische Gedankengebäude auf ein despotisches Freund-Feind-Denken verkürzen (anarchistisch ist hier im klassischen Sinne gemeint, nicht im Sinne von "Chaos verbreiten", wofür Anarchismus heute häufig steht). Auch der Linksradikalismus war schon immer menschenfeindlich und wird es immer bleiben.

Über die Gewalt jedoch darf man sich nicht wundern. Sie wird allerdings, so postuliere ich, schon alleine deshalb konservativ sein, wenn sie massiv ausbricht, weil die Menschen einen alten, tatsächlich oder vermeintlich besseren Zustand zurückhaben wollen. Und genau das ist meine Befürchtung. Das Desinteresse an der Politik, an dem Zustand der Parteien, an ihrer Unfähigkeit, eine konstruktive Opposition aufzubauen, aber auch die Unfähigkeit der Bevölkerung, eine solche Opposition einzufordern, erscheint mir nur als die Ruhe vor dem großen Sturm.

Was jetzt in Frankfurt passiert ist, diese absurde Einkesselung von Demonstranten, kann ich nicht hundertprozentig ablehnen; das Werfen von Farbbeuteln ist nicht intelligibel. Es wird zu keiner Aufklärung führen. Das hat es noch nie getan und das wird es auch nie tun. Eigentlich sollte man langsam begriffen haben, dass diese Form des Protestes nicht als Protest, sondern als willkommenes Mittel der Skandalisierung aufgegriffen wird und dann nur noch den Gesetzen der Massenmedien gehorcht, nicht der kritischen politischen Meinungsbildung.
Ich würde mir hier leisere Formen des Protestes wünschen und von den Massenmedien, auch wenn dies sehr blauäugig erscheint, eine stärkere Aufmerksamkeit. Jedenfalls brauchen wir eine bessere Vermittlung für die breite Gesellschaft. Es kann doch nicht sein, dass selbst Akademiker ihre Freizeit mit dem Vergnügen gestalten, Sex in the City zu schauen. Man sollte doch ein leichtgängiges Interesse an intellektuelleren Inhalten erwarten, an Philosophie, an Literatur, an Kunst und eben, das wäre ja eigentlich die Pflicht jedes Staatsbürgers, an Politik.

Doch diese Einkesselung musste natürlich in ihrem polizeilich offiziellen Willen schon alleine deshalb scheitern, weil sie länger gedauert hat, als die Demonstration überhaupt genehmigt war. Und jetzt soll mir niemand erklären, die Polizei hätte das nicht gewusst. Der Verdacht, dass hier mit Vorsatz eine zum Großteil demokratisch wünschenswerte Demonstration an einem strategisch günstigen Punkt abgewürgt wurde, ist stark. Wenn also der Polizeipräsident Achim Thiel erklärt, »man habe lediglich Störer vom Demonstrationszug getrennt, um "den friedlichen Protestteilnehmern die Fortsetzung des Aufzuges zu ermöglichen"« (Spiegel online), empfinde ich das als zynisch. Oder der Polizeipräsident ist so unfähig, die eigenen Strategien zu durchschauen, dass er die Einkesselung nicht mit dem zeitlichen Demonstrationsende vermitteln konnte. Dann gehört er aber wegen planerischer Inkompetenz genauso abgesetzt.

Leider muss man folgende Situation feststellen: die Politik sucht sich genau die Protestbewegungen aus, die sich für die Wirtschaft leicht kanalisieren lassen. Damit vermittelt sie den Eindruck, sich um Randgruppen zu kümmern, und legitimiert damit, bestimmte Protestbewegungen zu kriminalisieren. Der Beweisgang soll dann so lauten: wer sich um Randgruppen kümmert, kann nicht undemokratisch sein. Man kann das ganz gut an der Diskussion um die Frauenquote im akademischen Bereich sehen. Abgesehen davon, dass hier eine Verwechslung von Quantität und Qualität stattfindet, die genauso unsinnig ist wie die Verwechslung von Natur (biologisches Geschlecht) und Kultur (kulturelles Geschlecht), wird hier eine bestimmte Frauengruppe in die Öffentlichkeit gerückt und das als DER Feminismus dargestellt. Von diesen Frauen wird man selten eine Kenntnis erwarten dürfen, wie andere Frauen, zum Beispiel Putzfrauen, Hilfsköchinnen oder Erzieherinnen im Sinne eines Feminismus gefördert werden können. Die Gruppe akademischer Frauen wird extrapoliert, also bevorzugt ausgewählt und bevorzugt gefördert. Deshalb bleibt für mich bei diesem ganzen Thema ein unangenehmer Beigeschmack. Sie scheint mir vor allem der Elitebildung zu dienen. (siehe auch, insbesondere zur Scheinlogik der Extrapolation: Art und Exemplar, oder: Liebe Damen!)
Ein ähnlicher Effekt betrifft die Protestbewegungen. Natürlich sollen ausländische Ingenieure möglichst gute Sprachkurse besuchen dürfen und natürlich darf unsere Nation ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass genau das passiert. Natürlich darf man deswegen protestieren. Was aber ist mit all den Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, teilweise ghettoisiert, und eine solche Fördermöglichkeiten nicht bekommen? Mit großem Unbehagen erlebe ich das zum Beispiel bei asiatischen Frauen. Diese stehen häufiger in den Garküchen kleiner asiatischer Restaurants. Manche von ihnen (nicht alle) sprechen kaum Deutsch und werden von ihren Männern (ich habe das tatsächlich so erlebt) auch systematisch von äußeren Einflüssen abgeschottet. Diese Frauen sind überhaupt nicht in der Lage zu protestieren: die soziale Situation von ihnen dürfte das bereits im Ansatz verhindern. Rein wirtschaftlich gesehen liegen diese Frauen aber niemanden auf der Tasche. Und vom Produkt her gesehen: wer würde einer deutschen Frau zutrauen, gut koreanisch zu kochen? Und wer wollte auf diese Vielfalt verzichten? Auf all diese türkischen, arabischen, afrikanischen, italienischen oder kreolischen Essen?

Das Wegselegieren von kritischen Protesten trifft sich übrigens mit meiner Kritik am CSD. Hier hat die konsumorientierte Spaßgesellschaft die Führung übernommen. Auf der einen Seite sollen die Homosexuellen natürlich in unserer Gesellschaft sichtbar sein. Was häufig gesehen wird, wird auch eher akzeptiert. Auf der anderen Seite kann eine solche Veranstaltung strukturelle Probleme nicht bearbeiten. Und ein Beispiel für ein strukturelles Problem ist immer noch, dass die Homophobie auf dem Land ein großes Problem für junge Schwule darstellt. In Großstädten ist das ein kleineres Problem, wobei man auch dort natürlich nicht die Homophobie verharmlosen darf. Aber der CSD wird hier weder etwas vermitteln, geschweige denn verändern. Dieselbe Gefahr sehe ich bei diesem Elite-Feminismus und auch die Integration von Ausländern wird unter die wirtschaftlichen (und elitären) Axiome gestellt.

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