30.11.2008

Diplomarbeit schreiben

Eine Diplomarbeit zu schreiben ist nicht ganz so einfach. Weiß jeder, der eine vor oder hinter sich hat. OK, ich rede nicht von den beiden grauslichen Doktorarbeiten, die ich neulich gelesen habe, und die beide dermaßen unstrukturiert und banal waren, dass ich nur entsetzt war. Nein, ich rede von ehrlichem Handwerk und einer ehrlichen wissenschaftlichen Gesinnung, die eben neue Erkenntnisse zu Tage fördern will.
Wie also fängt man an?
Eigentlich ganz einfach: man stellt eine These auf, die bewiesen werden soll. Eine These ist - wenn man sie so benutzt - ein Ziel, und mit einem Ziel, von dem man nicht weiß, wie man zu ihm kommen soll, hat man ein Problem. Toll, werden Sie sich sagen, jetzt weiß ich also, dass das, was für mich vorher ein Problem war, auch hinterher ein Problem ist. Klar, mit dem Unterschied, dass die These genauer festlegt, welches Problem man hat.
Das Ziel vor Augen kann man sich jetzt Gedanken um den Weg dorthin machen. Hier geht es darum, mögliche Schritte zu sammeln und zu ordnen. Ordnen wird übrigens von den meisten Menschen so verstanden, dass man alle Schritte eingeordnet hat, dass ein Weg entworfen worden ist, auf dem man von a nach b nach c und so weiter kommt. Gerade das ist aber mit Ordnen (noch) nicht gemeint. Hier geht es eher darum, dass man Sequenzen entwirft, also Schritte, die man schon einmal gliedern kann, aber nicht, bereits alles zu gliedern.
Dazu braucht man ein wenig Gelassenheit. Logisch!
Mit dieser Teilordnung kann man sich ans Brainstorming machen. Man schreibt zu jedem Arbeitsschritt alle Dinge auf, die einem einfallen. Und hier kann man sich dann (endlich auch) an das Lesen von Sekundärliteratur machen. Erst das Brainstorming, dann das Lesen, dann das Brainstorming ergänzen und umschreiben.
Und jetzt, jetzt erst kommt man wieder auf den großen Plan zurück: Welche Begriffe und Voraussetzungen habe ich zu klären? Welche Quellen benötige ich? Welche Teile der Arbeit sind die Teile, in denen ich etwas Neues schreibe und nicht nur Quellen zusammenfasse, erläutere und kritisiere? Kann sich meine erste These auch nach dieser ersten Bearbeitung halten oder muss ich sie umformulieren?

Da ich zur Zeit drei Diplomarbeiten inoffiziell betreue (und - zum Glück! - keine Romane), sehe ich das größte Problem immer noch darin, dass es bei den Studenten wenig Schreibstrategien gibt. In den USA gibt es regelmäßige Pflichten zu Essays. Das ist eine sehr sinnvolle Einrichtung. Denn einen Essay zu schreiben ist nichts anderes, als eine Teilsequenz einer größeren Arbeit mit einer gewissen Launigkeit auszuformulieren. Der Essay fängt nicht bei Adam und Eva an und endet nicht mit dem jüngsten Gericht. So hat es schon Adorno konstatiert.
Eine tägliche Schreibpraxis gehört also dazu, und eine Schreibpraxis, in der man zu nichts verpflichtet ist, als dort anzufangen, wo man Lust hat und dort aufzuhören, wo einem das Weiterdenken zur Last wird. Ähnlich, wie ich es hier in meinem Blog halte.

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