21.01.2009

Positiv denken?

Ich glaube schon zum zweiten Mal schreibe ich: es geht nicht darum, positiv zu denken, sondern die Differenz positiv zu nutzen. Positiv denken heißt zum Beispiel auch, konservativ gegen Zustände zu sein, die verändert werden können und verändert werden sollten.
Auch muss man nicht bei sich selbst anfangen. - Oftmals ist sogar das Problem, nicht bei anderen anfangen zu können. Bei sich selbst anfangen, das schmeckt zu sehr nach Selbstdisziplin (wie viele Menschen sind schon daran verzweifelt, wenn sie sich selbst besser machen wollten?).
Ich kann damit anfangen, andere zu verändern. Lustigerweise, indem ich zugleich meine Wahrnehmung ändere. Marx schrieb nicht ohne Grund
Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.
(11. These über Feuerbach)
aber auch zuvor:
Feuerbach, mit dem abstrakten Denken nicht zufrieden, will die Anschauung; aber er fasst die Sinnlichkeit nicht als praktische menschlich-sinnliche Tätigkeit.
(5. These über Feuerbach)
Tatsächlich führt die alleinige Interpretation der 11. These (ich bin dieser Versuche überdrüssig) nur allzuoft zu einem blinden Aktionismus. Und denkt man sich diese beiden Thesen ein wenig zusammen, dann besteht die Veränderung der Welt auch - nicht nur! - in der Sinnlichkeit, in der Praxis des Sinnlichen. (Noch eine Klammer: heute wird das Sinnliche häufig in die Nähe des Erotischen gerückt, und das Erotische in die Nähe des Abbildes. Tatsächlich muss man das Sinnliche viel eher als den Gebrauch der Sinnesorgane versachlichen. Stehen zu bleiben, um zu sehen. Hingehen, um zu hören. Anfassen, schnüffeln, ... wie anders die Welt werden kann, wenn man sich ihren sinnlichen Formen ganz bewusst zuwendet.)
Sinnlichkeiten differenzieren sich durch sinnliche Kontraste. Und Sinneseinheiten können so angereichert werden, dass sie reißen und dadurch zwei oder mehrere Einheiten bilden. Es gibt im Sinnlichen wie im Kognitiven Sättigungsschwellen, die, einmal überschritten, die Dinge, die Wörter zerbrechen machen.
Die Arbeit an den Sinnlichkeiten, nicht nur das Genießen, nein, das Umwandeln in Wörter, in Bilder, in Klänge, ihre Transmedialisierung, das ist die Arbeit des positiven Denkens. Alles lässt sich wandeln. Das ging nicht, solange die Differenzen negativ, transzendental sind. Dann kommen die Differenzen von "woanders", utopisches Denken, selbst im Hegelianischen System. Dagegen sind den positiven Differenzen die Phänomene, die sie scheiden, immanent. Rot und Grün unterscheiden sich nicht, weil sie zwei verschiedene Wesenarten sind, sondern weil die Grenze zwischen Rot und Grün eine bewegliche, volle Differenz ist, die an beiden Seiten Teil hat. Auch die Grenzen zwischen Begriffen sind immer irgendwo fließend. Sie sind es umso mehr, als wir mit ihnen arbeiten, zunächst ihre Schärfe und ihre Struktur anerkennen, um dann nach und nach - in dieser Arbeit - die Unruhe aufsteigen zu lassen, zu sehen, dass jeder Begriff eine Sackgasse ist, wenn wir nicht über ihn hinaus und woanders hin gelangen.
Transmedialisieren, das hatte ich an den Begriff des sinnentnehmenden Lesens gekoppelt. Transmedialisieren bedeutet, dass wir uns transzendieren, in ein Anderswo, in einen (noch) utopischen Raum bewegen, aber ganz immanent, ohne die geringste Göttlichkeit. Vor allem bedeutet es, dass wir uns diesen utopischen Raum nicht als ein politisches Modell vorstellen, sondern als eine andere Form des Genießens, des Existierens, des Denkens "erexperimentieren".
Das Sinnliche ist, um Marx zu wiederholen, eine praktische, menschlich-sinnliche Tätigkeit und in dem Sinne, das wir es als praktisch verstehen, philosophisch.
Das positive Denken geht mit diesem Hand in Hand: indem ich transmedialisiere, erkenne ich die positive, individuierende Differenz an, und indem ich diese anerkenne, transmedialisiere ich, und werde daran experimentell, kreativ.

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