25.01.2009

Darf man den großen Helden des deutschen Widerstandes gegen Hitler veräppeln?

So fragt Spiegel-online hier, und man wundert sich.
Der große Held? DER?
Aber betrachten wir das Ganze der Reihe nach. Oliver Pocher, seines Zeichens schauspielernder Vollidiot und an der Seite von Harald Schmidt in dessen Late-Night (oder schaut jemand die Sendung wegen Pocher?). Tritt - gähn - mit Augenklappe und Wehrmachtsuniform auf. Sagt Sprüche wie "Mit dem Ersten sieht man besser."
Ja, und natürlich spielt er auf Claus Schenk Graf von Stauffenberg an.
Das ARD jedenfalls äußerte sich erstens so:
"Was da wieder gelaufen ist, ist unsagbar pietätlos und ehrabschneidend", sagte SWR-Rundfunkratsmitglied Therese Wieland den "Stuttgarter Nachrichten". Selbst wenn Pocher womöglich den Auftritt von Cruise in "Operation Walküre" habe parodieren wollen, sei dies gründlich misslungen. "In diesem Moment identifiziert man das doch nicht mit dem Schauspieler, sondern mit der historischen Figur. Und es ist nicht hinnehmbar, dass man den Helden des deutschen Widerstandes so ins Lächerliche zieht", sagte Wieland, die die katholische Kirche in dem Gremium vertritt.
und zweitens so:
"Die überwiegende Mehrheit von uns, bestimmt 80 bis 90 Prozent, ist der Meinung, dass Herr Pocher der ARD nicht guttut", sagte der Vorsitzende des SWR-Landesrundfunkrats, Volker Stich, der Deutschen Presse-Agentur.
Frau Wieland findet dann aber doch wohl deutliche Worte für das Unsagbare. Pietätlos und ehrabschneidend. Und, man identifiziere sich doch mit der historischen Figur.
Frau Wieland vertritt übrigens die Katholische Kirche in der ARD.
Ehrabschneidend, liebe Frau Wieland, so möchte ich hier doch deutlich sagen, ist vor allem, dass man dem guten Herrn Stauffenberg eine Vormachtstellung unter dem Widerstand gegen Hitler gibt, die ihm weder durch seinen Mut, noch durch seine persönliche Leistung gebührt. Dass er das in seinem Maße mögliche getan hat, bestreite ich nicht. Aber sind die Familien, die den späteren FAZ-Journalisten Valentin Senger und seine Familie gedeckt haben und damit ihr Leben riskiert haben, nicht genauso Helden des Deutschen Widerstandes? Haben die Geschwister Scholl eine geringere Rolle gespielt, nur weil sie nicht in der Position waren, einen militärischen Putsch zu planen? Hat ein Oskar Schindler sich nicht auf eine so gewitzte wie lebensgefährliche Weise dem Zugriff der Antisemiten entgegengestellt?
Nein, in aller Deutlichkeit: ehrabschneidend ist, wer aus all diesen Namen, aus all diesen historischen Figuren einen als besonders heraushebt. Zumal einen, der nicht die Demokratie im Sinn hatte und dessen Kritik an Hitler nicht zuallererst seine menschenfeindliche Diktatur war, sondern die Dummheit seiner Kriegsführung.
Zweitens: es ist nicht die Aufgabe der Geschichtswissenschaft, sich mit historischen Figuren zu identifizieren. Man kann dies bei einer gewissen Halbbildung vielleicht noch durchgehen lassen. Aber einer Frau, der man zunächst einmal aus ihrer Position heraus Bildung zuspricht und damit auch ein wenig kritisches Geschichtsbewusstsein, sollte doch wissen, dass die Wissenschaft der Geschichte 
... nur dann wissenschaftlich [ist], wenn ihre Gedankengänge und Ergebnisse nachprüfbar sind, wenn man kritisch und mit dem Streben nach Objektivität vorgeht (siehe Historisch-kritische Methode). Grundlage sind historische Quellen.
Außerdem bemüht sich die Geschichtswissenschaft darum, das vorhandene Wissen über Geschichte nicht nur zu wahren und zu verbreiten, sondern zu mehren. Das Vertiefen und Erforschen steht im Vordergrund. (s. wikipedia: Geschichtswissenschaft)
Vielleicht sollte sich Frau Wieland noch einmal um kritische Urteilsfähigkeit kümmern. Schwierig, wenn man aus der katholischen Kirche kommt.
Herr Stich nun nutzt ein typisch induktives Argument: die Mehrheit sei der Meinung, dass ... und natürlich ist man derselben Meinung und ihr eigentlicher Protagonist. Aber was besagt das denn schon? Eigentlich nur, dass Herr Stich eine Meinung zu Pocher hat, die nicht von Sympathie getragen wird, dass er sich um das Bild der ARD in der Öffentlichkeit sorgt, und dass er gerne hätte, dass 80 bis 90 Prozent der ARD seiner Meinung sind.
Nun kann man Herrn Pocher allerdings auch direkt kritisieren. Erst dick auf Uniform machen, und dann ein paar lausige Witze produzieren, die so politikfrei sind, wie es nur irgend geht. Sie waren auch nicht medienkritisch. Und das ist der eigentliche Skandal: so banal, so lausig, - mit diesen Argument sollte man sich in der ARD von Pocher verabschieden und seine Grenzen zu RTL ziehen.

Aber was dem einen seine Walküre, dass dem anderen seine Willküre, will sagen Pocher-Putsch.

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