Zu den Metaphern ein kleiner, politischer Nachschlag. Und noch einmal Werbung für den Feedreader, der einem minütlich die neuesten Nachrichten zutickert.
Euphemismen
Euphemismen sind sprachliche Beschönigungen von Missständen.
Quantifizierung. - Eine beliebte Form des Euphemismus ist die Quantifizierung. Wenn für Arbeitnehmer die Belastungen steigen, dann ist das insofern ein Euphemismus, als es im alltäglichen Leben qualitative Sprünge gibt, die durch weniger Geld hervorgerufen werden können. Geld ist kein Wert an sich. Geld ist ein universelles Tauschmittel. Für Geld kauft man sich Waren und der Wert der Ware ist nicht sein Tauschwert, sondern sein Nutzwert. Wenn ich mir eine Packung Reis im Wert von 2,19€ einkaufe, freue ich mich doch nicht, dass ich jetzt Reis zu diesem Tauschwert zu Hause stehen habe, sondern dass ich mit dem Reis etwas kochen kann. Der Tauschwert ist quantifiziert, der Nutzwert immer an einen qualitativen Sprung gebunden.
Oft findet man Argumentationen, die auf den Tauschwert zielen, aber den Nutzwert meinen.
Eine ähnlich gelagerte Kritik findet man bei Lyotard (Sprechen nach Auschwitz). Dieser kritisiert, dass die Statistiken über die KZ' insofern den Holocaust wiederholen, als sie den Tod quantifizieren. Das einzelne Leben aber ist inkommensurabel und qualitativ.
Einseitigkeit. - Einen etwas seltsamen Euphemismus dagegen finde ich gerade in einem Stern-Artikel. Dort steht, Obama wolle die Terrorprozesse in Guantánamo stoppen. Will er natürlich nicht; er will sie nur in andere Bahnen lenken, ihnen eine andere Qualität geben. Stoppen ist insofern ein Euphemismus, als damit behauptet wird, die Prozesse des Terrorverdachts seien damit für die Opfer zu Ende. Ein Blick auf die Aussagen von Schäuble im nämlichen Artikel belehren jeden kritischen Leser wohl eines Besseren.
Stoppen ist natürlich auch eine Metapher. Obama stoppt nichts. Die Zeit läuft weiter und niemand wird erwarten, dass jetzt die Gefangenen weiter in Guantanamo vor sich hinhocken. Gerade das ist nicht die Absicht des neuen US-Präsidenten. Im Gegenteil bringt er zum ersten Mal wieder Bewegung in diese erstarrte Katastrophe.
Hyperbel. - Und da wir bei Obama sind. Wer - um Gottes Willen, WER? - glaubt denn in Zeiten der globalen Vernetzung noch, Obama sei der mächtigste Mann auf der Welt und die USA die mächtigste Nation? Wer, der jemals ein wenig Ahnung von systemischen Theorien gewonnen hat? Netter Euphemismus, hübsch für den Optimismus und die Aufbruchstimmung. Leider nur eine unhaltbare Übertreibung.
Katachresen
Katachresen sind Sprachmissbräuche. Wobei mich natürlich das Wort Missbrauch hier eminent stört. Schließlich ist Stuhlbein eine Katachrese, und wer hier wie was missbraucht, ist mir ein schieres Rätsel. Auch Textkörper und Flussarm gehören zu den Katachresen. (Es gibt noch eine andere Form, für die der Ausdruck Katachrese gebraucht wird, und die eher Stilblüten oder Kalauern gehören, z.B.: Das ist das Holz, aus dem Waschlappen geschnitzt sind. Solche Katachresen vereinen offen widersinnige Metaphern. Eine andere, hübsche Katachrese hatte ich vorhin zitiert: Dabei bleibt der moralische Zeigefinger in der Hosentasche.)
In dem oben verlinkten Artikel findet sich die Katachrese Koalitionskrach.
Die Stilblüte, bzw. die andere Form der Katachrese, kann man in folgendem Satz desselben Artikels finden: In einer seiner ersten Amtshandlungen legte er die laufenden Guantánamo-Verfahren bereits auf Eis. - Da kann man dann nur sagen: Achtung! Rutschgefahr!
Metaphern
Auch Metaphern gibt es zahlreiche in diesem Artikel. Zeit, hier ein wenig die Theorie zu vertiefen.
Eine Metapher ist ein Wort, das aus einem bildspendenden in einen bildempfangenden Bereich übertragen wird. Es handelt sich also ebenfalls um eine Art Missbrauch.
Schreibt der Stern also: In der Bundesregierung ist ... der Streit über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen wieder voll entbrannt.... so ist entbrannt eine Metapher aus dem Feuer-Bereich. (Manche Interpreten würden hier auf eine physikalische, sogar eine chemische Metapher zurückgreifen, da die Oxydation als chemischer Prozess dahinter, oder das Ausstrahlen von Licht und Wärme als physikalisches Phänomen natürlich in diese Richtung weisen. Allerdings sollte man hier nicht von wissenschaftlichen Disziplinen ausgehen. Wortfelder entwickeln sich durch kulturelle Gewohnheiten und den täglichen Gebrauch. Und da ist Feuer meiner Ansicht nach deutlich ein abgegrenztes Gebiet.)
Feuer-Bereich: damit soll gesagt werden, dass es einen undeutlich abgegrenzten Bereich in unserer Vorstellung gibt, der zum Wort Feuer gehört. Wärme, Licht, Kerzen, Großbrände und Feuerwehr gehören wahrscheinlich bei den meisten Menschen dazu. Solche thematischen Wolken nennt man auch Wortfelder. Im Gegensatz zu manchen Aussagen mancher Sprachdidaktiker halte ich sie für nur unscharf begrenzt und individuell verschieden.
Aber das ist nur eine Diskussion am Rande. Wichtiger ist: ein Wortfeld kann für ein anderes Wortfeld bildspendend sein. Hier, im Falle von entbrannt, spendet das Wortfeld Feuer dem Wortfeld Gespräch ein Bild. Dieses Phänomen nennt man dann Metapher.
Kommen mehrere Metaphern aus demselben bildspendenden Wortfeld, spricht man von einem homogenen Metaphernkomplex. Beispiel: In der Bundesregierung ist der Streit über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen entbrannt. In einer hitzigen Debatte erwiesen sich die Positionen von XXX und YYY als unversöhnlich. Die kühleren Gemüter wagten angesichts scharfzüngiger Beleidigungen nur vorsichtige Löschaktionen.
Das Beispiel ist natürlich zusammenkonstruiert. Die Metaphern entbrannt, hitzig und Löschaktion sind dem Wortfeld Feuer entnommen. Die Metapher kühl dagegen nicht irgendeinem beliebigen Wortfeld, sondern einem, das dem Feuer entgegen gesetzt ist. Man spricht hier von einem oppositionellen oder entgegengesetzten Wortfeld. Diese haben deshalb eine besondere Wirkung, weil sie den semantischen Kontrast verschärfen können.
Meist finden wir in Texten Metaphern aus verschiedenen bildspendenden Bereichen. Solche Häufungen unterschiedlicher Metaphern heißen heterogene Metaphernkomplexe. Sie tauchen wesentlich häufiger auf, da sie nicht so penetrant und dann meist unfreiwillig komisch wirken wie homogene Metaphernkomplexe.
Trotzdem können auch heterogene Metaphernkomplexe befremdlich bis lächerlich wirken, wenn sie zu deutlich unsinnige und unübliche Metaphern miteinander kombinieren: Im aufgeflammten Streit um das entgleiste Verfahren erhielt XXX durch seinen trockenen, scharfen Bericht den Zuschlag der Sympathien.
Euphemismen
Euphemismen sind sprachliche Beschönigungen von Missständen.
Quantifizierung. - Eine beliebte Form des Euphemismus ist die Quantifizierung. Wenn für Arbeitnehmer die Belastungen steigen, dann ist das insofern ein Euphemismus, als es im alltäglichen Leben qualitative Sprünge gibt, die durch weniger Geld hervorgerufen werden können. Geld ist kein Wert an sich. Geld ist ein universelles Tauschmittel. Für Geld kauft man sich Waren und der Wert der Ware ist nicht sein Tauschwert, sondern sein Nutzwert. Wenn ich mir eine Packung Reis im Wert von 2,19€ einkaufe, freue ich mich doch nicht, dass ich jetzt Reis zu diesem Tauschwert zu Hause stehen habe, sondern dass ich mit dem Reis etwas kochen kann. Der Tauschwert ist quantifiziert, der Nutzwert immer an einen qualitativen Sprung gebunden.
Oft findet man Argumentationen, die auf den Tauschwert zielen, aber den Nutzwert meinen.
Eine ähnlich gelagerte Kritik findet man bei Lyotard (Sprechen nach Auschwitz). Dieser kritisiert, dass die Statistiken über die KZ' insofern den Holocaust wiederholen, als sie den Tod quantifizieren. Das einzelne Leben aber ist inkommensurabel und qualitativ.
Einseitigkeit. - Einen etwas seltsamen Euphemismus dagegen finde ich gerade in einem Stern-Artikel. Dort steht, Obama wolle die Terrorprozesse in Guantánamo stoppen. Will er natürlich nicht; er will sie nur in andere Bahnen lenken, ihnen eine andere Qualität geben. Stoppen ist insofern ein Euphemismus, als damit behauptet wird, die Prozesse des Terrorverdachts seien damit für die Opfer zu Ende. Ein Blick auf die Aussagen von Schäuble im nämlichen Artikel belehren jeden kritischen Leser wohl eines Besseren.
Stoppen ist natürlich auch eine Metapher. Obama stoppt nichts. Die Zeit läuft weiter und niemand wird erwarten, dass jetzt die Gefangenen weiter in Guantanamo vor sich hinhocken. Gerade das ist nicht die Absicht des neuen US-Präsidenten. Im Gegenteil bringt er zum ersten Mal wieder Bewegung in diese erstarrte Katastrophe.
Hyperbel. - Und da wir bei Obama sind. Wer - um Gottes Willen, WER? - glaubt denn in Zeiten der globalen Vernetzung noch, Obama sei der mächtigste Mann auf der Welt und die USA die mächtigste Nation? Wer, der jemals ein wenig Ahnung von systemischen Theorien gewonnen hat? Netter Euphemismus, hübsch für den Optimismus und die Aufbruchstimmung. Leider nur eine unhaltbare Übertreibung.
Katachresen
Katachresen sind Sprachmissbräuche. Wobei mich natürlich das Wort Missbrauch hier eminent stört. Schließlich ist Stuhlbein eine Katachrese, und wer hier wie was missbraucht, ist mir ein schieres Rätsel. Auch Textkörper und Flussarm gehören zu den Katachresen. (Es gibt noch eine andere Form, für die der Ausdruck Katachrese gebraucht wird, und die eher Stilblüten oder Kalauern gehören, z.B.: Das ist das Holz, aus dem Waschlappen geschnitzt sind. Solche Katachresen vereinen offen widersinnige Metaphern. Eine andere, hübsche Katachrese hatte ich vorhin zitiert: Dabei bleibt der moralische Zeigefinger in der Hosentasche.)
In dem oben verlinkten Artikel findet sich die Katachrese Koalitionskrach.
Die Stilblüte, bzw. die andere Form der Katachrese, kann man in folgendem Satz desselben Artikels finden: In einer seiner ersten Amtshandlungen legte er die laufenden Guantánamo-Verfahren bereits auf Eis. - Da kann man dann nur sagen: Achtung! Rutschgefahr!
Metaphern
Auch Metaphern gibt es zahlreiche in diesem Artikel. Zeit, hier ein wenig die Theorie zu vertiefen.
Eine Metapher ist ein Wort, das aus einem bildspendenden in einen bildempfangenden Bereich übertragen wird. Es handelt sich also ebenfalls um eine Art Missbrauch.
Schreibt der Stern also: In der Bundesregierung ist ... der Streit über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen wieder voll entbrannt.... so ist entbrannt eine Metapher aus dem Feuer-Bereich. (Manche Interpreten würden hier auf eine physikalische, sogar eine chemische Metapher zurückgreifen, da die Oxydation als chemischer Prozess dahinter, oder das Ausstrahlen von Licht und Wärme als physikalisches Phänomen natürlich in diese Richtung weisen. Allerdings sollte man hier nicht von wissenschaftlichen Disziplinen ausgehen. Wortfelder entwickeln sich durch kulturelle Gewohnheiten und den täglichen Gebrauch. Und da ist Feuer meiner Ansicht nach deutlich ein abgegrenztes Gebiet.)
Feuer-Bereich: damit soll gesagt werden, dass es einen undeutlich abgegrenzten Bereich in unserer Vorstellung gibt, der zum Wort Feuer gehört. Wärme, Licht, Kerzen, Großbrände und Feuerwehr gehören wahrscheinlich bei den meisten Menschen dazu. Solche thematischen Wolken nennt man auch Wortfelder. Im Gegensatz zu manchen Aussagen mancher Sprachdidaktiker halte ich sie für nur unscharf begrenzt und individuell verschieden.
Aber das ist nur eine Diskussion am Rande. Wichtiger ist: ein Wortfeld kann für ein anderes Wortfeld bildspendend sein. Hier, im Falle von entbrannt, spendet das Wortfeld Feuer dem Wortfeld Gespräch ein Bild. Dieses Phänomen nennt man dann Metapher.
Kommen mehrere Metaphern aus demselben bildspendenden Wortfeld, spricht man von einem homogenen Metaphernkomplex. Beispiel: In der Bundesregierung ist der Streit über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen entbrannt. In einer hitzigen Debatte erwiesen sich die Positionen von XXX und YYY als unversöhnlich. Die kühleren Gemüter wagten angesichts scharfzüngiger Beleidigungen nur vorsichtige Löschaktionen.
Das Beispiel ist natürlich zusammenkonstruiert. Die Metaphern entbrannt, hitzig und Löschaktion sind dem Wortfeld Feuer entnommen. Die Metapher kühl dagegen nicht irgendeinem beliebigen Wortfeld, sondern einem, das dem Feuer entgegen gesetzt ist. Man spricht hier von einem oppositionellen oder entgegengesetzten Wortfeld. Diese haben deshalb eine besondere Wirkung, weil sie den semantischen Kontrast verschärfen können.
Meist finden wir in Texten Metaphern aus verschiedenen bildspendenden Bereichen. Solche Häufungen unterschiedlicher Metaphern heißen heterogene Metaphernkomplexe. Sie tauchen wesentlich häufiger auf, da sie nicht so penetrant und dann meist unfreiwillig komisch wirken wie homogene Metaphernkomplexe.
Trotzdem können auch heterogene Metaphernkomplexe befremdlich bis lächerlich wirken, wenn sie zu deutlich unsinnige und unübliche Metaphern miteinander kombinieren: Im aufgeflammten Streit um das entgleiste Verfahren erhielt XXX durch seinen trockenen, scharfen Bericht den Zuschlag der Sympathien.
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