Doudou Diène - UNO-Berichterstatter über Rassismus - hat gestern über den zunehmenden Rassismus in den westlichen Ländern und vor allem in der westlichen Politik gewarnt. Dort werde der Rassismus zunehmend durch die Beschränkung auf Sicherheitsfragen zugleich ausgeblendet und legitimiert.
Von den logischen Operationen her gesehen zieht diese Beschränkung aus Sicherheitsfragen ein transzendentes Objekt: sie extrapoliert die Sicherheit aus einem instabilen Gefüge von Machtverhältnissen. So gesehen ist es übrigens nicht richtig, wenn man sagt, die Politik instrumentalisiere die Sicherheitsfrage, um den Rassismus zu legitimieren. Genau das umgekehrte gilt nämlich auch. Der Rassismus legitimiert die Sicherheitsfrage. Dieses Verhältnis wechselseitiger Ermöglichung entsteht aus einem Netz von vielfältigen Vorteilen, die man aus einer angespannten Situation ziehen kann. Die Extrapolation schneidet an dieser Stelle das Mikrogefüge aus der Wahrnehmung aus und inszeniert einen universellen Kampf, ein Duell. Dieses Duell kann kaum mehr als ein tödliches Verhältnis zwischen Sicherheit und zum Beispiel Islamismus bezeichnet werden. Transzendent ist es allemal, da es der empirischen Vielfalt widerspricht, beziehungsweise die empirische Vielfalt als Spielarten einer transzendenten Norm begreift: der Moslem, um es mal auf krude Art und Weise zu sagen, der noch nicht Terrorist ist, ist eben eine Abweichung von dieser Norm.
Das alles hat übrigens auch nichts mit Ideologie zu tun (ich huldige keinem Marxismus, nicht einmal einem Marxismus, der Marx noch kennt):
Das Problem, das mit jeglichem Rassismus oder mit der Ideologie einhergeht, ist ein eindeutig ödipales Problem: das Kind, welches mit dem Spielzeug-Zug in eine Höhle fährt, inszeniert kein ödipales Drama, keinen symbolischen Ich-will-mit-meiner-Mutter-schlafen-Wunsch. Die Extrapolationen, die hier manche Psychoanalytiker vorgenommen haben, sind zwar glücklicherweise als lächerlich gebrandmarkt. Doch spricht die Spielhandlung des Kindes weder für noch gegen diese Deutung. Ob ich hier einen Ödipus entdecke oder einen Ödipus ablehne, spielt gar keine Rolle. Einziges Problem bei diesem Beispiel ist, ob ich eine transzendente Bedeutung im Spiel des Kindes entdecke, sei dies eine psychoanalytische oder eine anti-psychoanalytische, oder ob diese Bedeutung einem lokalen, unspezifischen Gefüge entspringt, ob ich also meine Deutung als Teil des Spiels begreife.
Wenn ich nun aus dem Verhalten von Moslems eine Art Fundamentalismus ziehe, wenn ich aus dem Verhalten von Politikern eine Art instrumentalisierten Rassismus ziehe, dann versuche ich mich genau an einer solchen ödipalen Interpretation.
Dabei ist das größte Wunder der Zeichen, dass sie hier so hübsch redundant sind: ihr größter Erfolg und ihr größter Despotismus.
Gäbe es ein Heilungsmittel? Vielleicht. - Zumindest kann man hier eines sagen: statt den Rassismus, den Anti-Islamismus auf reine Aussagen zu begrenzen, ihnen den Kampf anzusagen, das natürlich auch, muss man ihnen ihren strukturellen Lyrismus nachweisen, ihre Zufälligkeiten, ihre Auch-noch-Verbindungen über den reinen Rassismus hinaus, ihre Gelegenheiten, ihre Abfallprodukte, die am Rande mitschwimmen, ihre Narzismen, ihren Schwulst. Der Lyrismus bedient sich der uneigentlichen Sprechweise, deutet an, verschiebt und verstellt, indem er falsch gelesen wird, nicht mehr als Lyrismus begriffen wird. Man kann ihm nicht mit einem Anti-Lyrismus begegnen, denn dies würde genau zu der Position führen, dass es neben einem komplexen Sprechen ein einfaches Sprechen gäbe, neben dem immanenten Bedeuten eine reinere, transzendente Position. Nein, man kann den Lyrismus hier nur überbieten, ihn aufschäumen lassen, ihn in die irrwitzigsten Richtungen mitspielen, die die Empirie noch zulässt (und sei es als Unterstellung). All dies ist kein Kampf gegen den Rassismus (das auch), sondern ein Kampf gegen die Extrapolation.
Statt also von einem Signifikanten auf ein Signifikat zu schließen, lese man ein seltsames Wechselverhältnis zwischen einer Ereignisebene und einer Materialebene.
Man nehme zum Beispiel einen Text als Material, das Lesen als eine Wolke von Ereignissen. Weder ist der Text durch das Lesen zu definieren, noch das Lesen durch den Text. Das liegt daran, dass der Text zwar viele, aber nicht beliebige Verbindungen zulässt. Da jeder Text mit anderen Texten, mit anderen Objekten in Verbindung gebracht werden kann, entstehen unzählige, nicht-beliebige Aussagen und Sinnzusammenhänge. Umgekehrt wird das Lesen nicht als ein Reflektieren des Textes besorgt (siehe oben), sondern als ein Produzieren von Ereignissen. Materialebene und Ereignisebene, Text und Lesen können nicht eindeutig aufeinander abgebildet werden; es handelt sich nicht um eine bijektive Applikation.
Genau so aber muss man mit allen Materialebenen umgehen, handelt es sich nun um die moslemische Bevölkerung, einer rassistischen Gruppierung, einem politischen Komitee gegen Rassismus. Auf der Ereignisebene geschehen Sachen, die sich nicht rational aus der Materialität ableiten lassen. - Foucault hat dies zum Beispiel sehr deutlich für die Formen der Delinquenz und Strafverfolgung (Ereignisebene) und dem Gefängnis (Materialebene) herausgestellt (Michel Foucault: Überwachen und Strafen).
Ein Anti-Rassismus kann deshalb nicht im Verbot von Rassismen bestehen, auch nicht in einem Brandmarken, sondern in der lyrischen Subversion aller "vernünftigen" Aussagen, das heißt, in der Misshandlung von ihnen. Schafft es der lyrische Rassismus, zwischen Ereignisebene und Materialebene eine Eindeutigkeit herzustellen, entgrenzt und zerstört die lyrische Subversion genau diese Einheit wieder. Ihr vorrangiges Angriffsziel ist dabei das transzendentale Objekt (als Quasi-Material) und die Extrapolation (als pseudo-logisches Ereignis).
Von den logischen Operationen her gesehen zieht diese Beschränkung aus Sicherheitsfragen ein transzendentes Objekt: sie extrapoliert die Sicherheit aus einem instabilen Gefüge von Machtverhältnissen. So gesehen ist es übrigens nicht richtig, wenn man sagt, die Politik instrumentalisiere die Sicherheitsfrage, um den Rassismus zu legitimieren. Genau das umgekehrte gilt nämlich auch. Der Rassismus legitimiert die Sicherheitsfrage. Dieses Verhältnis wechselseitiger Ermöglichung entsteht aus einem Netz von vielfältigen Vorteilen, die man aus einer angespannten Situation ziehen kann. Die Extrapolation schneidet an dieser Stelle das Mikrogefüge aus der Wahrnehmung aus und inszeniert einen universellen Kampf, ein Duell. Dieses Duell kann kaum mehr als ein tödliches Verhältnis zwischen Sicherheit und zum Beispiel Islamismus bezeichnet werden. Transzendent ist es allemal, da es der empirischen Vielfalt widerspricht, beziehungsweise die empirische Vielfalt als Spielarten einer transzendenten Norm begreift: der Moslem, um es mal auf krude Art und Weise zu sagen, der noch nicht Terrorist ist, ist eben eine Abweichung von dieser Norm.
Das alles hat übrigens auch nichts mit Ideologie zu tun (ich huldige keinem Marxismus, nicht einmal einem Marxismus, der Marx noch kennt):
Ideologie ist ein ganz mieser Begriff, der alle tatsächlich funktionierenden gesellschaftlichen Maschinen verdeckt. (Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus, S. 96)Die Ideologie selbst ist eine weitere Transzendenz, mit der sich der Stalinismus/Linksterrorismus versorgt, um gegen eine genauso abstrakte kapitalistische Maschinerie anzukämpfen.
Das Problem, das mit jeglichem Rassismus oder mit der Ideologie einhergeht, ist ein eindeutig ödipales Problem: das Kind, welches mit dem Spielzeug-Zug in eine Höhle fährt, inszeniert kein ödipales Drama, keinen symbolischen Ich-will-mit-meiner-Mutter-schlafen-Wunsch. Die Extrapolationen, die hier manche Psychoanalytiker vorgenommen haben, sind zwar glücklicherweise als lächerlich gebrandmarkt. Doch spricht die Spielhandlung des Kindes weder für noch gegen diese Deutung. Ob ich hier einen Ödipus entdecke oder einen Ödipus ablehne, spielt gar keine Rolle. Einziges Problem bei diesem Beispiel ist, ob ich eine transzendente Bedeutung im Spiel des Kindes entdecke, sei dies eine psychoanalytische oder eine anti-psychoanalytische, oder ob diese Bedeutung einem lokalen, unspezifischen Gefüge entspringt, ob ich also meine Deutung als Teil des Spiels begreife.
Wenn ich nun aus dem Verhalten von Moslems eine Art Fundamentalismus ziehe, wenn ich aus dem Verhalten von Politikern eine Art instrumentalisierten Rassismus ziehe, dann versuche ich mich genau an einer solchen ödipalen Interpretation.
Dabei ist das größte Wunder der Zeichen, dass sie hier so hübsch redundant sind: ihr größter Erfolg und ihr größter Despotismus.
Gäbe es ein Heilungsmittel? Vielleicht. - Zumindest kann man hier eines sagen: statt den Rassismus, den Anti-Islamismus auf reine Aussagen zu begrenzen, ihnen den Kampf anzusagen, das natürlich auch, muss man ihnen ihren strukturellen Lyrismus nachweisen, ihre Zufälligkeiten, ihre Auch-noch-Verbindungen über den reinen Rassismus hinaus, ihre Gelegenheiten, ihre Abfallprodukte, die am Rande mitschwimmen, ihre Narzismen, ihren Schwulst. Der Lyrismus bedient sich der uneigentlichen Sprechweise, deutet an, verschiebt und verstellt, indem er falsch gelesen wird, nicht mehr als Lyrismus begriffen wird. Man kann ihm nicht mit einem Anti-Lyrismus begegnen, denn dies würde genau zu der Position führen, dass es neben einem komplexen Sprechen ein einfaches Sprechen gäbe, neben dem immanenten Bedeuten eine reinere, transzendente Position. Nein, man kann den Lyrismus hier nur überbieten, ihn aufschäumen lassen, ihn in die irrwitzigsten Richtungen mitspielen, die die Empirie noch zulässt (und sei es als Unterstellung). All dies ist kein Kampf gegen den Rassismus (das auch), sondern ein Kampf gegen die Extrapolation.
Statt also von einem Signifikanten auf ein Signifikat zu schließen, lese man ein seltsames Wechselverhältnis zwischen einer Ereignisebene und einer Materialebene.
Man nehme zum Beispiel einen Text als Material, das Lesen als eine Wolke von Ereignissen. Weder ist der Text durch das Lesen zu definieren, noch das Lesen durch den Text. Das liegt daran, dass der Text zwar viele, aber nicht beliebige Verbindungen zulässt. Da jeder Text mit anderen Texten, mit anderen Objekten in Verbindung gebracht werden kann, entstehen unzählige, nicht-beliebige Aussagen und Sinnzusammenhänge. Umgekehrt wird das Lesen nicht als ein Reflektieren des Textes besorgt (siehe oben), sondern als ein Produzieren von Ereignissen. Materialebene und Ereignisebene, Text und Lesen können nicht eindeutig aufeinander abgebildet werden; es handelt sich nicht um eine bijektive Applikation.
Genau so aber muss man mit allen Materialebenen umgehen, handelt es sich nun um die moslemische Bevölkerung, einer rassistischen Gruppierung, einem politischen Komitee gegen Rassismus. Auf der Ereignisebene geschehen Sachen, die sich nicht rational aus der Materialität ableiten lassen. - Foucault hat dies zum Beispiel sehr deutlich für die Formen der Delinquenz und Strafverfolgung (Ereignisebene) und dem Gefängnis (Materialebene) herausgestellt (Michel Foucault: Überwachen und Strafen).
Ein Anti-Rassismus kann deshalb nicht im Verbot von Rassismen bestehen, auch nicht in einem Brandmarken, sondern in der lyrischen Subversion aller "vernünftigen" Aussagen, das heißt, in der Misshandlung von ihnen. Schafft es der lyrische Rassismus, zwischen Ereignisebene und Materialebene eine Eindeutigkeit herzustellen, entgrenzt und zerstört die lyrische Subversion genau diese Einheit wieder. Ihr vorrangiges Angriffsziel ist dabei das transzendentale Objekt (als Quasi-Material) und die Extrapolation (als pseudo-logisches Ereignis).
Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II. Berlin 1997
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main 1991
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Frankfurt am Main 1991
3 Kommentare :
Das sind sehr wahre Einsichten, wie ich finde. Der Grund dafür, dass ich mich nicht gerne in die politische Kategorie "links" einordnen lasse. Einige meiner Ansichten mögen mit linken Ideologien überinstimmen, andere gar nicht. "Links" ist konservativ und zu unflexibel, um auf aktuelle Lebenssituationen noch anwendbar zu sein. Ich habe oft über die Sicherhetsfrage nachgedacht und man kann den Wunsch danach schon irgendwie verstehen. Für mich ist nur die Frage, ob ich meine Freiheit dafür aufgeben möchte. Auch Anti-Rassismus ist eine Freiheit, nämlich die Freiheit einem Menschen als Menschen zu begegnen und nicht als Moslem, Jude, Christ, Neger, Kommunist, was weiß ich. Kommst du übrigens zur re:publica (http://re-publica.de/08/)? Wenn ja, laß uns dort treffen, ich würde dir gerne eine Zeitschrift geben.
Hab noch mal geschaut: für die re:publica sind alle Tickets ausverkauft. Leider.
Wäre bei mir aber eh knapp mit der Zeit geworden.
Was die Freiheiten angeht, so kann und möchte ich nicht ablehnen, dass jemand Moslem, Jude, Neger ist. Nur möchte ich daraus keine Idealität extrapolieren, genausowenig, wie ich zum Beispiel zwischen einem rassischen Merkmal und einem rassentypischen Denken - falls es das überhaupt gibt - eine eineindeutige Beziehung herstellen will.
Es heißt übrigens eineindeutig, wenn sich die Elemente von zwei gleichmächtigen Mengen je eindeutig einander zuordnen lassen. Ich habe das hier, mit Gilles Deleuze, bijektive Applikation genannt. Laut Deleuze ist die bijektive Applikation ein weiterer Paralogismus.
Um zum Beispiel von einer Rasse auf ein rassentypisches Denken schließen zu können, müsste man das Denken innerhalb seiner biologischen Bedingungen einschließen, während es doch gerade Wesen des Denkens ist, sich von einem unbekannten Außen aufstören zu lassen.
Selbst der Stein nimmt vital an seiner Umwelt teil, wird warm, kalt und verwittert. So denkt der Stein, wenn auch in sehr begrenztem Maße, seine Umwelt. Oder, anders gesagt, drückt der Stein sein In-der-Umwelt-sein-aus. Er gibt Zeichen, dass er in seiner Umwelt ist, dass er sie "bedenkt". Dies ist einerseits typisch nur so zu schaffen, wie dem Stein dies möglich ist. Andererseits ist es aber ohne diese eine besondere Umwelt, in der dieser eine Stein liegt, nicht so möglich, wie es hier nun geschehen ist.
Es ist also garnichts dagegen zu sagen, dass jemand Moslem, Jude, Neger ist, da ihm das eine eigene Position, ein eigenes Spiel ermöglicht. Nur ist nie jemand nur eines davon. Das Ich ist Mischung, heterogen. Der Rassist leugnet dies für andere, der Hyper-Nationalist für sich selbst, bzw. die eigene Kultur. Aber selbst das Deutsche hat sich immer nur aus seinen Mischungen mit anderen Kulturen ergeben, hat immer Codes eingefangen, die es vorher noch nicht besessen hat.
Mein Problem ist aber übrigens auch dabei, dass ich nicht weiß, was das Deutsche zum Beispiel wäre. Jedenfalls kann ich mir keine Einheit vorstellen. Und die heterogene Vielfalt irgendwie noch zu definieren, das ist mir zu mühsam und verspricht mir zu wenig Erfolg. Ich bin also nicht Antinationalist aus Überzeugung, sondern aus Trägheit, oder vielleicht auch aus Unwillen. Ebenso geht es mir mit Moslems. Ich sehe da keine Einheitlichkeit. Es gibt Berührungspunkte zwischen ihnen, aber das ist ein Band unter vielen. Ich muss das nicht als etwas Besonderes hervorheben.
Ein Stein, der neben einem Wasserfall liegt, wird sich anders in der Welt wahrnehmen als ein Stein in der Wüste. Aber für uns Sprecher gibt es Berührungspunkte, denn sonst nennten wir sie nicht beide Stein. Die Sprache ist ein Mittel, um aus der phänomenologischen Subjektivität hinaus in die Intersubjektivität zu treten. Wir können uns über unsere Weltwahrnehmung austauschen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdecken.
Ich glaube, aber das ist eine These, Rassismus hat im grunde genommen dieselben Ursachen wie z.B. Eifersucht, nämlich mangelnde Überzeugung von der Stärke und Standhaftigkeit des Selbst. Identität ist ja keine feste Größe und wird immer durch den Abgleich der Weltwahrnehmung relativiert werden. Aber manchen Menschen macht das offenbar Angst, weil sie ihre Identität durch den Kontakt mit anderen Identitäten infrage gestellt sehen. Und so glaubt der Rassist, der Ausländer könnte seiner Identität schaden und der eifersüchtige Ehegatte glaubt, seine Frau könnte einen anderen evtl. spontan mehr lieben und verbietet ihr deshalb den Kontakt zu anderen Männern.
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