17.05.2016

Wie auch immer

Der Nahost-Konflikt

Wenn man von der kulturellen Evolution ausgeht, hat es wenig Sinn von Kausalitäten in der Geschichte zu sprechen. Anlässlich des traurigen 100-jährigen Jubiläums des Nahost-Krieges wird das Geheimabkommen zwischen Sykes und Picot, bzw. zwischen der britischen und französischen Regierung als die Ursache des Nahost-Konfliktes bezeichnet. Mit keinem Wort möchte ich dieses Abkommen verteidigen. Ich bezweifle aber die Ursächlichkeit. Soziale Phänomene sind heteronom, sie beziehen ihre Gesetzmäßigkeit aus vielerlei Quellen. Dies ist das Wesen der biologischen Evolution, dies auch das Wesen der kulturellen.

Erdogan und Böhmermann

Unverständlich ist mir das Urteil des Hamburger Landesgerichtes im Falle Erdogan-Böhmermann. Unverständlich ist mir die Trennung zwischen den Passagen, die verschwiegen werden müssen, und denen, die noch erlaubt sind. Sagen darf man zum Beispiel noch: „Sackdoof, feige und verklemmt ist Erdogan, der Präsident.“
Nun, das ist eine seltsame Art der Zensur.

Zettelkasten, programmieren

Meine zwei kleinen Hobbys, die in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt sind, das ist einmal mein Zettelkasten (und das Schreiben mit ihm), auf der anderen Seite mein Projekt, mir selbst einen Zettelkasten programmieren, der besser meinen Bedürfnissen entspricht.
Nun, an diesem Wochenende habe ich mich um dieses und jenes gekümmert, und tatsächlich wieder mehr mein Spracherkennungsprogramm genutzt. Da ist dieses vorsichtige Herantasten an das Experiment als Unterrichtsmethode. Auch das ist ein Projekt, das sich seit mehreren Jahren verfolge.
Programmiert habe ich gar nicht, aber zumindest hatte ich meine üblichen Gespräche zum Programmieren.

Experimentieren

Wittgenstein schreibt, man könne nicht aus seiner Logik hinaus. Genauer gesagt schreibt er:
In der Logik passiert nichts Neues.
Die Logik kann sich über ihr Dasein als phänomenale Struktur aufklären, aber nicht über die Bedingungen ihrer Existenz. Mit Nietzsche geredet: die Logik schneidet sich von ihren moralischen Genesen ab.
Um zu den Wurzeln der Logik zu kommen, zu ihren transzendenten Bedingungen, genügt es heute nicht mehr, die Vernunft zu postulieren, wie dies einst Kant getan hat. Auch hier muss man den heteronomen Charakter der Logik akzeptieren. Und statt sie aus metaphysischen Prinzipien abzuleiten, muss man ihr historisches Werden nachzeichnen.
Für die Darstellung der Logik ist das Experiment eine Art Zwischenraum, oder, wie Roland Barthes dies bezeichnen würde, ein Neutrum, ein Weder … Noch …, aber ebenso ein Sowohl … Als auch ….
Das Experiment gehorcht weder vollständig der Logik, noch ist es von ihr unabhängig. Und ich vermute mal, dass schon viel gewonnen wäre, würde man die gesellschaftlichen Bedingungen nicht unter einer Logik subsumieren, sondern als ein Sternengeflecht von verstreuten Experimenten auffassen. Und auch hier höre man Wittgenstein dazu:
Im Experiment verlässt man sein Denken.

Teuflische Einflüsterungen

Anne Graham, Tochter des Turbo-Priesters Bill Graham, vermutet eine Kausalität zwischen der Legalisierung von Schwulen und Transsexuellen und den Anschlägen auf die Twin Towers. Diese Anschläge seien geschehen, weil Gott sich von Amerika abgewandt habe; und abgewandt habe er sich von Amerika, weil diese „schwule Rechte“ legalisiert habe.
So weit, so primitiv. Seltsam ist aber der Tenor, dass es sich bei bestimmten Rechten um „schwule Rechte“ handele. Es gibt Rechte, die sich gerade nicht durch die Bevorzugung einer bestimmten Minderheit auszeichnen, sondern nur betonen, dass bestimmte Minderheiten in ein umfassenderes Recht eingebettet sind. Die Legalisierung bestimmter sexueller Praktiken im Privatbereich impliziert ein Wegsehen des Staates; es ist ein Zugeständnis aufgrund eines dahinter liegenden Menschenbildes: dass der Mensch in bestimmten Bereichen auf bestimmte Arten und Weisen zur Freiheit fähig ist, und deshalb vor dem Gesetz gleich behandelt werden müsse. Hier von „schwulen Rechten“ zu sprechen verfehlt den Kern des Gedankens einer Rechtsstaatlichkeit. Insofern mag ich den Kritikern von Anne Graham nicht zustimmen.
Viel schlimmer ist aber, dass diese Frau den islamistischen Terror in eine interne Staatsaffäre, vielmehr noch in eine private Familienfehde ummünzt. Damit verkennt sie den gewalttätigen Anteil, der vielen Religionen eigen ist; vor allem verdrängt sie sie aber auch, und dreht damit die Aussage, die die Anschläge vom 11. September begleiten, komplett um. Diese Anschläge sind zwar nicht direkt gegen Homosexuelle gerichtet, aber die Gewalttätigkeit und die Vernichtung von unerwünschten Existenzen, das ist eine Sache, in der sich islamistischen Terroristen und diese amerikanische Predigerin anähneln.

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