22.11.2012

Spannung und Humor: Tortilla Flat, Pippi Langstrumpf, Schrecksenmeister

In den letzten Tagen habe ich mal wieder an der humorvollen Literatur gearbeitet. Ich glaube, ich habe es mittlerweile häufig genug erwähnt: diese ist viel flexibler und funktioniert teilweise komplett anders als Spannungsliteratur. Die Rhetorik des Humors halte ich für eine der schwierigsten Bereiche der analytischen Rhetorik.
Gerade habe ich für mich Tortilla Flat von John Steinbeck wieder entdeckt. Dieser bezaubernde Schelmenroman zeigt, wie unterschiedlich die Komposition zum Spannungsromanen verlaufen kann. Es gibt eine große Geschichte: Danny kehrt aus dem Krieg heim, hat zwei Häuser geerbt und verliert diese durch Sauferei und Prügeleien. Das ist keine wirklich spannende Geschichte. Der ganze Roman bekommt seinen Charme durch die Variationen, also durch verschiedene Episoden, die das gleiche Problem lösen, aber auf unterschiedliche Art und Weise. Wer Tortilla Flat nicht kennt, der kann hier auch Pippi Langstrumpf nehmen. Pippis Problem ist etwas infantiler: was fange ich lustiges mit dem Tag an?
Ich habe für Teilgeschichten in Romanen zwei Begriffe: Einmal die Sequenz und einmal die Periode. Die Sequenz ist immer Teil einer größeren Geschichte, auch wenn sie in sich abgeschlossen wirkt. Die Periode dagegen steht ganz explizit als eigene Geschichte da und könnte auch komplett weggelassen werden. Natürlich sind das nur idealistische Begriffe, die so rein nie in der Wirklichkeit auftauchen.
Spannungsromane bestehen fast ausschließlich aus Sequenzen. Dagegen können humorvolle Romane beides gut benutzen. Die Montalbano-Krimis zum Beispiel sind Sequenzen aufgebaut und durch bestimmte Episoden (typisch: Montalbano geht Essen) aufgelockert. Ein ebenfalls vorwiegend als Spannungsroman aufgebauter Text ist der Schrecksenmeister von Walter Moers. Es gibt ein zentrales Ziel: der Protagonist (die Kratze) möchte überleben. Dieses zentrale Ziel wird allerdings durch vielerlei Episoden überwuchert.
Tortilla Flat nun ist ein typischer Schelmenroman, der ähnlich wie Till Eulenspiegel oder Münchhausen aus einzelnen Geschichtchen lebt. Er hat eine typisch episodische Struktur, die nur ganz am Rande durch die Gesamtgeschichte zusammengehalten wird.

Es gibt eine ganze Reihe von Unterschieden zwischen dem humorvollen, episodische Roman und dem Spannungsroman. Ich wollte Steinbeck einfach mal als einen „großen“ Autor für die Ebenen der Motiviertheit anführen. Aber es funktioniert nicht. Selbst auf der Ebene der Sätze sind episodische Romane scheinbar komplett anders aufgebaut und müssen mit ganz anderen Funktionen belegt werden.

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