Nachdem ich mich nochmal intensiv mit einigen Szenen aus verschiedenen Kriminalromanen befasst habe, kann ich jetzt hoffentlich genauer angeben, wie sich Spuren in einer Erzählung verwenden lassen.
Ich hatte schon früher auf die innige Verbindung zwischen der Spur (als Zeichen) und der Metonymie (als rhetorisches Mittel) hingewiesen.
Ich hatte schon früher auf die innige Verbindung zwischen der Spur (als Zeichen) und der Metonymie (als rhetorisches Mittel) hingewiesen.
Der rote Schuh
Betrachten wir uns dies anhand eines Beispiels zunächst genauer, am Krimi Venezianische Scharade von Donna Leon. Dieser Krimi beginnt mit einer Tatortbeschreibung. Der erste Satz lautet:
Der Schuh war rot, rot wie Londoner Telefonhäuschen oder New Yorker Feuerwehrautos, aber diese Vergleiche kamen dem Mann, der den Schuh als erster sah, nicht in den Sinn.
Zunächst liegt der Schuh einfach nur so da. Er ist Teil eines Bildes, zu dem ein Ödland, ein Zaun und ein Schlachthof hinter dem Zaun gehören. Der Schuh gehört nicht in diese Szenerie und markiert so ein Rätsel: warum liegt er dort? wer hat ihn fallen gelassen? Das Rätsel selbst wieder spielt auf ein Verbrechen an, wie es sich für einen Krimi gehört.
Wesentlich am Rätsel ist hier das Unverbundene, sozusagen die nackte Existenz eines Dinges. Es ist kein Accessoire, kein Teil eines sinnvollen Ganzen, keine Funktion in einer Organisation. Dieses Beziehungslose erfüllt ein wesentliches erzählerisches Element; genauer: auf der diskursiven Ebene - also jener Ebene, auf der der Autor dem Leser Hinweise gibt - ist das Unverbundene das Zeichen für ein Rätsel und - im Kontext des Kriminalromans - das Zeichen für ein Verbrechen, während auf der narrativen Ebene - also jener Ebene, die die erzählte Welt vortäuscht - der Schuh einfach nur deplatziert ist.
Am Ende des ersten Kapitels wird der Leser gemeinsam mit dem Mann entdecken, dass der Schuh an einem Fuß steckt und dass der Fuß zu einer Leiche gehört. Aus dem Ding wird ein Accessoire.
Wesentlich am Rätsel ist hier das Unverbundene, sozusagen die nackte Existenz eines Dinges. Es ist kein Accessoire, kein Teil eines sinnvollen Ganzen, keine Funktion in einer Organisation. Dieses Beziehungslose erfüllt ein wesentliches erzählerisches Element; genauer: auf der diskursiven Ebene - also jener Ebene, auf der der Autor dem Leser Hinweise gibt - ist das Unverbundene das Zeichen für ein Rätsel und - im Kontext des Kriminalromans - das Zeichen für ein Verbrechen, während auf der narrativen Ebene - also jener Ebene, die die erzählte Welt vortäuscht - der Schuh einfach nur deplatziert ist.
Am Ende des ersten Kapitels wird der Leser gemeinsam mit dem Mann entdecken, dass der Schuh an einem Fuß steckt und dass der Fuß zu einer Leiche gehört. Aus dem Ding wird ein Accessoire.
Von der Denotation zur Metonymie
Der Schuh ist zunächst nur ein Objekt. Er wird benannt und beschrieben. Dies geschieht etwas umständlicher als bei einem Lexikoneintrag, aber im Prinzip passiert dasselbe: der Lexikoneintrag aktiviert Weltwissen. Die Erzählung macht es genauso. Dieses reine Objektsein entspricht im sprachlichen Bereich der Denotation.
Wenn sich durch die Erzählung nun erste Verflechtungen ergeben, zum Beispiel dass der Schuh zu einer Leiche gehört, entspinnt sich eine Nachbarschaft, die nicht durch den Schuh vorgegeben ist. Der Schuh wird zu einer Metonymie. Diese ist freilich konstruiert. Jeder Kriminalroman baut auf solchen konstruierten Nachbarschaften auf. So sind die aufgescheuerten Stellen an der Hosen eines Verdächtigen genau die Spur, die Sherlock Holmes braucht, um auf Grabarbeiten zu schließen (Der Klub der Rothaarigen).
Und im Falle von Venezianische Scharade wird von dem Ort (das Ödland an der Durchgangsstraße) und dem Ding (der rote, hochhackige Schuh) auf die Person geschlossen: die Tote ist eine Prostituierte.
Der Übergang von der Denotation zur Metonymie wird durch Markierungen vollzogen. Im Bereich des Satzes funktioniert das durch grammatische Marker. Ein Wort wie Hund bekommt in einem Satz wie Der Hund bellte die ganze Nacht einen Kontext zugewiesen, der durch die Stellung des Wortes im Satz eindeutig nachvollziehbar ist. Ähnlich den grammatischen Markern funktionieren nun Spuren in der (fiktiven) Welt. Sie zeigen Verbindungen an, und man kann hier durchaus von einer Alltagsgrammatik sprechen.
Marmelade im Kühlschrank verweist darauf, dass die Kühlschrankbesitzer gerne Marmelade essen könnten. Die Marmelade, die zunächst unverbunden (denotiert) dasteht, fügt sich durch den Kontext sofort in ein Gefüge ein, das uns erlaubt, Hypothesen aufzustellen. Solche Hypothesen basieren auf Metonymien. Die Marmelade befindet sich im Kühlschrank (die Metonymie Umhüllung-Inhalt); der Kühlschrank befindet sich in einer Wohnung (Umhüllung-Inhalt); die Wohnung gehört jemandem (die Metonymie Teil-Ganzes: Peters Wohnung "gehört" zu Peter); was in der Wohnung passiert, ist vom Besitzer verursacht (Metonymie Ursache-Wirkung); also ist das Marmeladenglas vom Besitzer "verursacht" (gekauft).
Dieses Beispiel ist sehr konventionell. Marmeladengläser lösen in uns keine Neugierde aus. Im Falle des Krimis werden die Metonymien nun so konstruiert, dass sie Überraschungsmomente enthalten. Der Schuh steckt am Fuß einer Leiche. Die Leiche ist ein Mann, der Frauenkleider trägt. Doch das ist nur der weitergehende Aspekt. Zunächst einmal wird hier ein Tatort begutachtet, und durch diese Begutachtung werden einzelne Elemente nach und nach entdeckt und in Beziehung zueinander gesetzt. Das Entdecken dieser Elemente ist das Denotieren; das In-Beziehung-setzen ist das Metonymisieren.
Wenn sich durch die Erzählung nun erste Verflechtungen ergeben, zum Beispiel dass der Schuh zu einer Leiche gehört, entspinnt sich eine Nachbarschaft, die nicht durch den Schuh vorgegeben ist. Der Schuh wird zu einer Metonymie. Diese ist freilich konstruiert. Jeder Kriminalroman baut auf solchen konstruierten Nachbarschaften auf. So sind die aufgescheuerten Stellen an der Hosen eines Verdächtigen genau die Spur, die Sherlock Holmes braucht, um auf Grabarbeiten zu schließen (Der Klub der Rothaarigen).
Und im Falle von Venezianische Scharade wird von dem Ort (das Ödland an der Durchgangsstraße) und dem Ding (der rote, hochhackige Schuh) auf die Person geschlossen: die Tote ist eine Prostituierte.
Der Übergang von der Denotation zur Metonymie wird durch Markierungen vollzogen. Im Bereich des Satzes funktioniert das durch grammatische Marker. Ein Wort wie Hund bekommt in einem Satz wie Der Hund bellte die ganze Nacht einen Kontext zugewiesen, der durch die Stellung des Wortes im Satz eindeutig nachvollziehbar ist. Ähnlich den grammatischen Markern funktionieren nun Spuren in der (fiktiven) Welt. Sie zeigen Verbindungen an, und man kann hier durchaus von einer Alltagsgrammatik sprechen.
Marmelade im Kühlschrank verweist darauf, dass die Kühlschrankbesitzer gerne Marmelade essen könnten. Die Marmelade, die zunächst unverbunden (denotiert) dasteht, fügt sich durch den Kontext sofort in ein Gefüge ein, das uns erlaubt, Hypothesen aufzustellen. Solche Hypothesen basieren auf Metonymien. Die Marmelade befindet sich im Kühlschrank (die Metonymie Umhüllung-Inhalt); der Kühlschrank befindet sich in einer Wohnung (Umhüllung-Inhalt); die Wohnung gehört jemandem (die Metonymie Teil-Ganzes: Peters Wohnung "gehört" zu Peter); was in der Wohnung passiert, ist vom Besitzer verursacht (Metonymie Ursache-Wirkung); also ist das Marmeladenglas vom Besitzer "verursacht" (gekauft).
Dieses Beispiel ist sehr konventionell. Marmeladengläser lösen in uns keine Neugierde aus. Im Falle des Krimis werden die Metonymien nun so konstruiert, dass sie Überraschungsmomente enthalten. Der Schuh steckt am Fuß einer Leiche. Die Leiche ist ein Mann, der Frauenkleider trägt. Doch das ist nur der weitergehende Aspekt. Zunächst einmal wird hier ein Tatort begutachtet, und durch diese Begutachtung werden einzelne Elemente nach und nach entdeckt und in Beziehung zueinander gesetzt. Das Entdecken dieser Elemente ist das Denotieren; das In-Beziehung-setzen ist das Metonymisieren.
Der Umgang mit Metonymien
Der rote Schuh spielt zwar nur eine sporadische Rolle in dem Krimi; er führt aber einige wichtige Elemente vor.
Zunächst ist der Schuh in ein Rätsel eingehüllt. Das erste Kapitel enthüllt, dass der Schuh Teil einer Leiche ist. Teil von einem Ganzen, pars pro toto, also die klassische Form der Metonymie. In diesem Fall handelt es sich nicht um ein Weltwissen, durch das der Leser auf den Zusammenhang stoßen könnte, sondern um eine Konstruktion des Autors. Jeder Tatort in einem Krimi ist konstruiert. Die Spuren (auf der narrativen Ebene) sind die konstruierten Metonymien (auf der diskursiven Ebene).
Mit einem Schuh kommen weitere Voraussetzungen: ein Schuh wird irgendwo verkauft. Das heißt, der Schuh verweist auf einen Schuhverkäufer. Genau dieser "Spur" geht Brunetti (der Kommissar in Leons Roman) nach. Dieses gewöhnliche Weltwissen drückt sich in einem gewöhnlichen Satz aus. Der Schuhverkäufer ist in diesem Satz aber noch ein Platzhalter. Es geht nicht um irgendwelche Schuhverkäufer, sondern um diesen einen bestimmten Schuhverkäufer, der diesen einen bestimmten roten Schuh verkauft hat. Alles dreht sich um die Person, die den Schuhverkauf (auch) bewirkt hat, denn dieser Mensch könnte sagen, wer der andere war, der den Schuhverkauf ausgelöst hat (möglicherweise eben der Mörder). In diesem Sinn ist der verkaufte Schuh das Bewirkte, der Schuhverkäufer die Ursache. Auch dies ist eine Art Metonymie.
Freilich darf man hier die Metonymie als rhetorisches Kürzel nicht mit der narrativen Metonymie verwechseln. In der Rhetorik würde eine solche Metonymie so aussehen: Hier lag sie nun auf trauerhalt'gem Grabe. Das Grab enthält keine Trauer, sondern eine Leiche. Die Leiche ist die Ursache der Trauer; so ersetzt handelt es sich um eine Vertauschung von Ursache (Leiche) und Wirkung (Trauer). Die narrative Metonymie ersetzt zwar nach und nach die Wirkung durch die Ursache oder Ursachen. Aber ihr Ziel ist nicht die Poetisierung, sondern ein Stück der Erzählung zu motivieren. Ihr Ziel ist der in ein Stück Erzählung verkleidete Sachverhalt.
Der rote Schuh am Körper zeigt zunächst eine weibliche Leiche an. Roter Schuh steht für das Weibliche; dies ist ein Vertauschen des Substantiellen (weiblicher Körper) mit einem Akzidentiellen (weibliches Accessoire). Als dann entdeckt wird, dass die Leiche männlich ist, wird diese Vertauschung nur leicht abgeändert. Der rote Schuh am Männerfuß (akzidentiell) bedeutet Transvestit (substantiell). Ein Teil von Brunettis Untersuchungen geht dahin, diese Metonymie aufzulösen: die Leiche ist nur zur Täuschung als Transvestit verkleidet, nicht, weil der Mann tatsächlich ein Transvestit war.
Krimis knüpfen und lösen also narrative Metonymien. Diese Metonymien werden durch Spuren wahrnehmbar und lassen sich in Sätzen ausdrücken.
Zunächst ist der Schuh in ein Rätsel eingehüllt. Das erste Kapitel enthüllt, dass der Schuh Teil einer Leiche ist. Teil von einem Ganzen, pars pro toto, also die klassische Form der Metonymie. In diesem Fall handelt es sich nicht um ein Weltwissen, durch das der Leser auf den Zusammenhang stoßen könnte, sondern um eine Konstruktion des Autors. Jeder Tatort in einem Krimi ist konstruiert. Die Spuren (auf der narrativen Ebene) sind die konstruierten Metonymien (auf der diskursiven Ebene).
Mit einem Schuh kommen weitere Voraussetzungen: ein Schuh wird irgendwo verkauft. Das heißt, der Schuh verweist auf einen Schuhverkäufer. Genau dieser "Spur" geht Brunetti (der Kommissar in Leons Roman) nach. Dieses gewöhnliche Weltwissen drückt sich in einem gewöhnlichen Satz aus. Der Schuhverkäufer ist in diesem Satz aber noch ein Platzhalter. Es geht nicht um irgendwelche Schuhverkäufer, sondern um diesen einen bestimmten Schuhverkäufer, der diesen einen bestimmten roten Schuh verkauft hat. Alles dreht sich um die Person, die den Schuhverkauf (auch) bewirkt hat, denn dieser Mensch könnte sagen, wer der andere war, der den Schuhverkauf ausgelöst hat (möglicherweise eben der Mörder). In diesem Sinn ist der verkaufte Schuh das Bewirkte, der Schuhverkäufer die Ursache. Auch dies ist eine Art Metonymie.
Freilich darf man hier die Metonymie als rhetorisches Kürzel nicht mit der narrativen Metonymie verwechseln. In der Rhetorik würde eine solche Metonymie so aussehen: Hier lag sie nun auf trauerhalt'gem Grabe. Das Grab enthält keine Trauer, sondern eine Leiche. Die Leiche ist die Ursache der Trauer; so ersetzt handelt es sich um eine Vertauschung von Ursache (Leiche) und Wirkung (Trauer). Die narrative Metonymie ersetzt zwar nach und nach die Wirkung durch die Ursache oder Ursachen. Aber ihr Ziel ist nicht die Poetisierung, sondern ein Stück der Erzählung zu motivieren. Ihr Ziel ist der in ein Stück Erzählung verkleidete Sachverhalt.
Der rote Schuh am Körper zeigt zunächst eine weibliche Leiche an. Roter Schuh steht für das Weibliche; dies ist ein Vertauschen des Substantiellen (weiblicher Körper) mit einem Akzidentiellen (weibliches Accessoire). Als dann entdeckt wird, dass die Leiche männlich ist, wird diese Vertauschung nur leicht abgeändert. Der rote Schuh am Männerfuß (akzidentiell) bedeutet Transvestit (substantiell). Ein Teil von Brunettis Untersuchungen geht dahin, diese Metonymie aufzulösen: die Leiche ist nur zur Täuschung als Transvestit verkleidet, nicht, weil der Mann tatsächlich ein Transvestit war.
Krimis knüpfen und lösen also narrative Metonymien. Diese Metonymien werden durch Spuren wahrnehmbar und lassen sich in Sätzen ausdrücken.
Das Umstülpen der Spuren
Spuren werden zunächst in der (fiktiven) Welt vorgefunden. Sie reihen sich in ein Bild ein (ich hatte dies - etwas weiter gefasst - als Verankerung bezeichnet). Im Laufe des Kriminalromans wird diese räumliche Nachbarschaft in eine zeitliche Nachbarschaft umgeschrieben: vom Tatort zum Tathergang.
Die Spuren werden umgestülpt, die akzidentiell/substantiell-Metonymie in eine ursächlich/bewirkt-Metonymie abgeändert. Vom Bild zum Prozess.
Die Spuren werden umgestülpt, die akzidentiell/substantiell-Metonymie in eine ursächlich/bewirkt-Metonymie abgeändert. Vom Bild zum Prozess.
Szenen
Dreh- und Angelpunkt dieses Umstülpens sind die Szenen. Die erste Szene in Venezianische Scharade entfaltet zunächst das Bild, um am Ende zu einer ersten wesentlichen Nachbarschaft zu kommen: dem Schuh am Fuß der Leiche. Mehr erzählt die Szene eigentlich auch nicht. Der Rest ist Leserorientierung, "Stimmungsmache". Die zweite Szene bringt ein weiteres Element: die Leiche ist männlich. Auch dies ist fast schon die einzige Aussage der Szene zu dem Fortgang des Krimis. Alles andere drumherum ist schmückendes Beiwerk.
Man kann so den ganzen Krimi danach durchgehen, wie sich anhand weiterer Spuren mehr und mehr aus dem Bild ein Tathergang ergibt. Zahlreiche Szenen dienen auch dem Auflösen bestimmter Verbindungslinien, um von diesem rätselhaften Zustand dann zu neuen Schlussfolgerungen zu kommen.
In den Sherlock Holmes-Geschichten steht am Anfang fast immer eine Folge von Szenen, wie Holmes und Watson in ein neues Abenteuer hineingezogen werden. Holmes-Geschichten weisen eine sehr typische Nähe von Bild und Tathergang auf: Sherlock Holmes sucht nicht, oder nur sehr wenig, und wenn Holmes einen Tatort besichtigt hat, überrascht er Watson (und damit den Leser) mit seinen raschen Schlussfolgerungen, die dann natürlich immer richtig sind. Die moderneren Krimis beschreiben dagegen die Suchbewegung und lassen den Leser an den Irrungen und Wirrungen beim Lösen des Rätsels teilhaben. Durch diese Suchbewegungen entstehen die Szenen. Wo Holmes in einzelnen, kühnen Sätzen "deduziert", stehen bei Leon Abschnitte mit mehr oder weniger komplexen Handlungen und mehr oder weniger Erfolg. Wie sich also eine Spur in eine narrative Metonymie umwandelt (sobald sie in einer Geschichte steht), wie sich eine narrative Metonymie in einem Satz ausdrücken lässt, so lässt sich ein solcher Satz zu einer Szene ausbauen.
Man kann so den ganzen Krimi danach durchgehen, wie sich anhand weiterer Spuren mehr und mehr aus dem Bild ein Tathergang ergibt. Zahlreiche Szenen dienen auch dem Auflösen bestimmter Verbindungslinien, um von diesem rätselhaften Zustand dann zu neuen Schlussfolgerungen zu kommen.
In den Sherlock Holmes-Geschichten steht am Anfang fast immer eine Folge von Szenen, wie Holmes und Watson in ein neues Abenteuer hineingezogen werden. Holmes-Geschichten weisen eine sehr typische Nähe von Bild und Tathergang auf: Sherlock Holmes sucht nicht, oder nur sehr wenig, und wenn Holmes einen Tatort besichtigt hat, überrascht er Watson (und damit den Leser) mit seinen raschen Schlussfolgerungen, die dann natürlich immer richtig sind. Die moderneren Krimis beschreiben dagegen die Suchbewegung und lassen den Leser an den Irrungen und Wirrungen beim Lösen des Rätsels teilhaben. Durch diese Suchbewegungen entstehen die Szenen. Wo Holmes in einzelnen, kühnen Sätzen "deduziert", stehen bei Leon Abschnitte mit mehr oder weniger komplexen Handlungen und mehr oder weniger Erfolg. Wie sich also eine Spur in eine narrative Metonymie umwandelt (sobald sie in einer Geschichte steht), wie sich eine narrative Metonymie in einem Satz ausdrücken lässt, so lässt sich ein solcher Satz zu einer Szene ausbauen.
Schluss
Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach einem guten Grundgerüst und einem Handwerkszeug zum Konstruieren von Krimis. Ich habe hier einen weiteren Schritt vorgestellt, auf den mich meine Untersuchungen geführt haben. Ein Ende ist hier noch lange nicht in Sicht. Mir fehlt noch die Struktur, die einzelnen Elemente, mit denen ein Krimiautor jongliert, um eine Geschichte zum Laufen zu bringen.
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