21.06.2008

Zuviel oder zuwenig?

Haben wir ein Zuviel oder ein Zuwenig an kulturellen Spaltungen?
Diese Frage ist unter Umständen schlecht formuliert. Das Maß wird durch die Aneignung und der Teilnahme an der "Kultur" ruiniert (ich setze Kultur nicht immer in Anführungsstriche, möchte aber nochmal betonen, wie problembehaftet dieser Begriff für mich ist). Die wesentliche Grenze läuft für mich zwischen der Kommunikation und dem Denken, also an der Grenze des Subjekts. Die Teilnahme eines Subjekts an der Kultur ist höchst selektiv. Alleine diese Selektion schleift Grenzen ein, die die Kultur in Gewohnheiten, Neuheiten und Abweichungen einteilt. Gewohnheiten sind fraglos gewordene Selektionen, Neuheiten polarisieren ein Subjekt auf aktuelle Handlungs- und Lernfelder, Abweichungen dienen der Kontrastierung des eigenen Einflussbereiches zu anderen Einflussbereichen und funktionieren gleichsam mit magnetischen Abstoßungskräften.
Die subjektive Tätigkeit ist durch diese Selektionen spaltend. Es geht ja garnicht anders: aus seiner Haut kann und soll man nicht heraus. Was nicht heißt, dass dadurch jede Gewohnheit und jede Selbstverständlichkeit legitimiert ist.
Wohin so etwas führen kann, mag man an den Subjektivitätsorgien mancher "Pädagogen" oder "neuer Männer" sehen: die Authentizität, die man von sich und anderen Männern fordert, ist durchaus ein Zusammenklatschen von Subjekt und Individuum, also von den Bedürfnissen nach sinnhafter Tätigkeit und dem Phantom, das Zuschreibungen von uns erzeugen. Dass man durch Authentizität dieses Phantom vertreiben und die persönliche "Fühligkeit" mit sozialen Wertungen identisch werden könne, ist ein gefährlicher Irrglaube und letztendlich die Legitimation für alle möglichen Faulheiten. Wer authentisch ist, muss sein Tun nicht mehr reflektieren. Dem fehlt aber auch letzten Endes diese unüberbrückbare Kluft zwischen Subjekt und Individuum als Motor für die tätige Auseinandersetzung. In der Authentizität steckt noch der Rest des Geniekultes, der das Genie als naturhaftes Ereignis begreifen vermöchte. Es lebt ja noch im Glauben von der gesellschaftlichen Elite fort.
Was im Geniekult, in der Authentizität immer noch steckt, ist der Vorrang der Psychologismen vor den gesellschaftlichen Bedingungen. Das ist eine typisch partiarchale Operation.
Ebenso ist die Frage nach der Kultur und nach der Einheit einer kulturellen Eigenart falsch gestellt: ein Mensch geht nicht in seiner "Kultur" auf. Gewohnheiten, Neuheiten und Abweichungen prägen die aktuellen Arbeitsfelder eines Subjekts.
Hier sympathisiere ich sehr mit dem Entschleunigen von Problemen: Kultur ist ein Problembegriff, genauso wie die soziale Umgebung ein Arbeitsfeld ist, das man nur selektiv durchwandern kann. In diesem Sinne gibt es auch keine kulturelle Spaltung, bzw. man findet diese universalisiert in der Bedingung, ein selektiv wahrnehmender und selektiv tätiger Mensch zu sein. Dafür sollte man sich Zeit nehmen, möglichst sein ganzes Leben.

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