Was erfährt der Genealoge aus den Dingen?
Dass ihr Wesen Stück für Stück aus Figuren, die ihm fremd waren, aufgebaut worden ist.
Foucault schreibt dazu: "Am historischen Anfang der Dinge findet man nicht die immer noch bewahrte Identität ihres Ursprungs, sondern die Unstimmigkeit des Anderen." (NGH, 71)
Die Figur ist kein unschuldiger Begriff. Barthes benutzt ihn (seit wann?). Er benutzt die Figur, um seine eigenen kleinen Forschungen, sein kleines Schreiben zu bezeichnen. Nun scheint mir, dass die Figur, so wie Barthes sie verwendet, etwas sehr Ähnliches bezeichnet, wie in der Verwendung von Foucault.
Etwas apodiktisch gesagt:
Die Figur ist keine ruhige Konstellation, in der sich zwei - oder mehrere - Wesen zu einem besseren oder vernünftigeren Wesen aufheben. Es ist nicht der Moment der Synthese und nicht das Spiel einer überwachten und sich reinigenden Dialektik.
Die Figur ist eher der Moment, in dem zwei oder mehrere Kräfte auf der Bühne erscheinen, an jenem unmöglichen Ort, der den Gegnern keinen gemeinsamen Platz einräumt und sie zu einem Zwischenfall zwingt, in dem die eine Kraft die andere Kraft überwältigt.
Die Figur zerlegt also diesen Moment des Erscheinens in ihre Kräfte, zieht ihre Eigenheiten nach, gerade in dem kurzen Moment, bevor der Kampf beginnt oder entschieden wird. Sie markiert die Mitspieler, die Beziehungen zwischen ihnen und stellt diese - in der Schrift - für einen Moment lang still, um das Aufblitzen der Kräfte spürbar zu machen.
Die Figur ist eine eingefrorene Dramatik, eine Dialektik im Stillstand (Walter Benjamin) oder eine Konstellation des Erwachens (Walter Benjamin). Sie ist entschieden anti-narrativ. Oder sie ist zumindest so weit gegen die Narration, als alle narrativen Versatzstücke, alle narrativen Gewöhnlichkeiten ebenfalls nur Elemente im Spiel sind.
Der Genealoge zeichnet diese Figuren nach. Er häuft hier eher die Trümmer zusammen und lässt ihr Ziel offen. Der Genealoge ist kein Architekt, kein Konstrukteur großer Bauwerke. Selbst die bestehenden Bauwerke, so glänzend sie sein mögen, so feierlich sie der Menschheit dienen, sind für ihn aus den Trümmern aufgebaut - eher ein Spiel der Überwältigungen und der Kämpfe, die zufällig das eine oder andere Ende genommen haben, als das langsame Fortschreiten der Vernunft.
NGH = Foucault, Michel: Nietzsche, die Genealogie, die Historie, in: ders. Subversion des Wissens, Frankfurt am Main 1987
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