08.07.2013

Sinnvoll ausgegebenes Geld: Johannes Flörsch und Christa Wolf

Weil Johannes Flörsch mich mal wieder köstlich amüsiert hat (hier: Kluftinger), habe ich nach meinem Duden für Richtiges und gutes Deutsch (Bd. 9) gegriffen und mir sind dabei drei graue Haare gewachsen. Er ist doch immerhin noch von 1991, also hübsche 22 Jahre alt. Und so habe ich beschlossen, in nächster Zeit mal diese ganzen Duden auszutauschen. Neu sind bei mir lediglich die Rechtschreibung (Bd. 1), die Grammatik (Bd. 4) und das Fremdwörterbuch (Bd. 5). Im Prinzip reicht das auch. Für Schriftsteller ganz praktisch ist noch das Wörterbuch der Synonyme (Bd. 8) und für den Unterricht war immer ganz nützlich, das Bildwörterbuch (Bd. 3) zu besitzen.

Natürlich habe ich den Duden in meiner Lieblingsbuchhandlung eingekauft, der Buchhandlung Herschel in der Anklamer Straße. Ich schätze die Besitzer, weil sie mich immer gut beraten. So habe ich doch die eine oder andere Perle in meinem Bücherschrank nur dank ihrer Empfehlung gekauft. Ansonsten kaufe ich über Amazon nur dann Bücher, wenn ich sie nicht bestellen kann. Also zum Beispiel E-Books.
Und dann bin ich natürlich an Christa Wolf nicht vorbeigekommen. Neuerdings befinden sich in meinem Besitz: Nachdenken über Christa T., Kindheitsmuster, Medea. Stimmen, Leibhaftig, Stadt der Engel.
Eine Kundin hatte vor einigen Wochen eine Arbeit zum Umgang Christa Wolfs mit der (politischen) Zensur. Ich konnte nur von Glück sagen, dass ich über die Weihnachtsferien zwei Bücher von Christa Wolf gelesen hatte, Kein Ort. Nirgends und Kassandra (Der geteilte Himmel habe ich vor vielen Jahren gelesen). So konnte ich relativ rasch einer ganz klugen, aber leicht verunsicherten Studentin helfen. Das größte Problem dieser Arbeit war (für sie), dieses Thema auf insgesamt zehn Seiten darzustellen. Weitere Eingrenzungen (die durchaus hilfreich gewesen wären) gab es nicht. Da Christa Wolf nun mit jedem Buch auf andere Formen des Verschweigens eingeht, lässt sich eine ernsthafte Untersuchung in dieser Kürze gar nicht leisten.
Derzeit kommentiere ich Kassandra durch, parallel zu Königs Erläuterungen und Materialien, der Dialektik der Aufklärung (Adorno/Horkheimer) und Das Unbehagen der Geschlechter (Judith Butler). Normalerweise bin ich kein großer Freund von Schulinterpretationen. Die Erläuterungen zu Kassandra, geschrieben von einem Bernd Matzkowski (Hollfeld 1999), finde ich allerdings sehr brauchbar. Beim Homo Faber hatte ich das Problem, dass die Schulinterpretationen die Feuilletons einfach nachplappern, bzw. wohl voneinander abgeschrieben haben, ohne die Richtigkeit im Buch überprüft zu haben. Matzkowski dagegen scheint die Kassandra gründlichst auseinander gepflückt zu haben. Matzkowski ist Deutschlehrer. Und auch wenn man als Deutschlehrer wenig Zeit hat, sich auf intensive Interpretationen einzulassen, ist es doch ganz sinnvoll, wenn man dies einmal in seinem Leben gemacht hat und so ein Gespür für die Freuden und Leiden des Interpreten gewonnen hat.
Die Dialektik der Aufklärung zielt übrigens auf den Homo Faber. Der Homo Faber thematisiert meiner Ansicht nach nicht den Gegensatz von Natur und Kultur (wie man dies häufiger liest), sondern das schwierige Verhältnis von Situation (damit ersetze ich die Natur, die im Homo Faber immer nur als Mythos auftaucht), Technik und Synthese (der Ersatz für "Kultur"). Die Synthese, die ich auf der einen Seite an Adorno/Horkheimer ausarbeite, auf der anderen Seite an Judith Butler, erscheint mir als eine sinnvolle Erweiterung der Extrapolation. Diesen Paralogismus (also: Trugschluss) hatte ich in der Vergangenheit recht ausführlich behandelt. Dazu aber demnächst wohl mehr (zur Ontologie der Logik immer noch wichtig: Zur deleuzianischen Logik III). Wichtig ist hier nur, dass die Vielstimmigkeit, die Christa Wolf in Kassandra als poetisches Prinzip nutzt, der Extrapolation entgegensteht, ohne diese vollständig aufzulösen. Die Extrapolation ist deshalb ein Trugschluss, weil sie behauptet, vollständig zu sein. Wollte die Vielstimmigkeit zugleich vollständig sein, würde sie in das zurückkehren, was sie bekämpft: die Extrapolation, bzw. im praktischen Bereich die herrschende Meinung. Ebenso fragt Judith Butler nach der Möglichkeit politischer Kooperation (zumindest in ihren neueren Büchern), ohne sich auf solche herrschenden Meinungen zu stützen, ohne diese bereits im Vorfeld durch Extrapolation und Zensur gemaßregelt zu haben. Meiner Ansicht nach können hier sowohl Max Frisch als auch Christa Wolf wertvolle Impulse liefern.

Lange Rede, kurzer Sinn: ich habe sinnvoll Geld ausgegeben.

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