Die Schule bildet weiter einen nationalen Aufreger. Hoffentlich.
So stand jetzt in der BZ, jeder zweite Lehrer sei für seinen Beruf untauglich. Ich halte diese Zahl zwar für sehr hochgegriffen, aber vielleicht sorgt hier ja ein wenig Aufregung mal wieder für (selbst-)kritische Begutachtung. Zwei Probleme gibt es aber sicherlich dabei: erstens gibt es kein wirkliches Kriterium für guten Unterricht - alle Kriterien müssen sich vorwerfen lassen, eher statisch und in klinischen Situationen gemessen worden zu sein; denn selbst wenn man aus Langzeituntersuchungen objektive Kriterien erfassen kann, kann man diese nicht am einzelnen Lehrer messen. Der Aufwand wäre einfach zu groß. Zweitens aber ist der große Gegenhalt - die Elternschaft - durchaus nicht immer in der Lage, die Leistungen von Lehrern zu überprüfen und manchmal in ihrem Wirken kontraproduktiv. Meist geschieht dies in einem unreflektierten Verteidigen des eigenen Kindes, nach dem Motto: wenn ich das Kind zu einem hohen Abschluss führe, wird aus ihm auch ein guter und erfolgreicher Mensch. Dann müssen Lehrer hier, mit oftmals allzuviel Vorsicht, wenig rechtlicher Handhabe und außerhalb ihrer eigentlichen Befugnis Persönlichkeitserziehung leisten. Ich kenne sogar einen Fall, in dem ein überbeflissenes Elternteil das Kind zu aktivem Mobbing gegen den Lehrer angeleitet hat. Und so etwas ist, egal, ob der Lehrer nun gut oder schlecht ist, widerlich.
Was mich immer wieder frappiert hat: kaum ein Lehrer hat ein handhabbares Modell für den Theorie-Praxis-Bezug. Oftmals wird die Theorie ganz verworfen: der Schulalltag sei Praxis. Das Problem dabei ist, dass jede Wahrnehmung eingeordnet wird, das heißt, dass automatisch Modelle benutzt werden, die zum Beispiel Schülerbewertungen ergeben. Und dort schleicht sich eben doch wieder Theorie ein. Nur eben weder reflektiert noch versprachlicht. Kein Modell ist richtig. Wie Lévi-Strauss mal sagte, bilden Modelle ein ideales Funktionieren ab. Weil man sich immer über sie streiten kann, kann man sich nur auf ironische Weise über sie streiten. Aber streiten muss man, auch mit dem Schüler. Und diesem dabei trotzdem auf der einen Seite Mitspracherecht, auf der anderen Seite eine Festigkeit bieten, an der der Schüler sich - jenseits des konkreten Lernstoffes - abarbeiten kann. Das leisten - meiner Ansicht nach - nur Modelle. Und Modelle, die Vielfalt konkurrierender Modelle, gewinnt man durch Wissenschaft.
Das andere Problem ist, wenn Wissenschaft mit Wahrheit gleichgesetzt wird. Auch eine beliebte Praxis. Man hat etwas erkannt. Es passt zu einer Wissenschaft oder einer wissenschaftlichen Aussage, die man eben gerade mal kennt, und schon ist es wahr. Wenn aber Wissenschaft Wahrheiten produziert, dann vielleicht doch in der höchst irrwitzigen Weise, wie Luhmann es in seinem Buch Die Wissenschaft der Gesellschaft beschreibt.
Wer die Vielfalt konkurrierender (Denk-)Modelle anerkennt, der wird sich auch weniger schwer tun, wenn es um die Integration fremder Weltbilder geht: die fehlende Integration migrantischer Mitbürger fängt schon auf der Ebene des Vielfalt-Denkens an. Auch hier beißt sich die Katze in den Schwanz: wer wissenschaftlich arbeitet, kennt vielfältige Denkmodelle. Die gepflegte Praxis mancher Pädagogen, nur ein einziges Theoriemodell zuzulassen, oder seinen eigenen eklektizistischen Ansatz für den tauglichsten zu halten, ist ebenso terroristisch, wie die funktionierende Praxis als erreichtes Ideal hinzustellen despotisch ist. (Zur Definition von terrorsitisch und despotisch siehe meinen Eintrag vom 12.08.07 hier).
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen