26.12.2018

Analogien entwickeln - Voraussetzung für Problemlösen, Kreativität und Humor

Die Analogie ist eine grundlegende Technik komplexer Denkprozesse. Wer sie beherrscht, kann ein komplexes und flüssiges Denken entwickeln.

Die Formel der Analogie ist simpel: A verhält sich zu B wie X zu Y, bzw. A : B <-> X : Y.
Ein konkretes Beispiel: Hund : Beine <-> Auto : Räder.
Ausgeführt lautet die Analogie, dass die Beine dem Hund genauso zur Fortbewegung dienen wie die Räder dem Auto. Das Zeichen ":" drückt ein gleiches Verhältnis aus, in diesem Fall: dienen der Fortbewegung.

Die präoperative Analogie oder Nachahmung

Schon kleine Kinder spielen mit ihren Händen Flugzeug oder Auto. Sie ahmen die Bewegung eines Objektes nach. In dieser Nachahmung steckt eine Analogie, die noch nicht geistig ist, sondern sehr materiell. Die Hand verhält sich zur Bewegung der Hand wie das Flugzeug zur Bewegung des Flugzeugs.
Dabei darf man sich nicht davon stören lassen, dass das alles sehr grob ist. In diesen ersten Übertragungen stecken die späteren Leistungen, die Menschen zu angenehmen und achtsamen Partner und Kollegen machen. Eltern sollten ihre Kinder immer zu solchen Nachahmungen ermutigen und sie respektieren.

Die konkret-operative Analogie

Im Alter zwischen fünf bis sieben Jahren entwickeln Kinder eine komplexere Form der Analogie, die an eine Tätigkeit und/oder an das kognitive Abbild einer Tätigkeit gebunden ist. Das Kind entdeckt die Analogie über Funktionen.
Hans interessiert sich für Fußball wie sich Sarah für Harry Potter interessiert. "sich interessieren für" ist eine Funktion. Sie unterscheidet sich von der präoperativen Analogie vor allem dadurch, dass nicht mehr das Objekt (der Gegenstand) im Mittelpunkt steht, sondern die Handlung oder Funktion.

Die formal-operative Analogie

Zwischen dem zehnten und siebzehnten Lebensjahr entwickeln viele Kinder eine dritte Form der Analogie. Diese besteht nicht mehr aus einzelnen Funktionen, sondern aus der Konstellation von Funktionen. Man merkt das zum Beispiel daran, dass Kinder Verhaltensmuster von Menschen oder die Strukturen von Geschichten vergleichen können.
Diese Art der Analogie besteht aus mehreren Elementen ( A : B : C <-> X : Y : Z). Sie ist für das mathematische Modellieren mit komplexen Gleichungen genauso notwendig wie für die Menschenkenntnis.
Diese Form der Analogie kombiniert Gleichheit und Ungleichheit. Sie erlaubt ein flüssiges, kreatives und zugleich reflektiertes Vergleichen.
Untersuchungen haben ergeben, dass über 80 % aller erwachsenen Menschen in westlichen Zivilisationen diese Stufe nicht mehr erreichen. Die anderen Menschen erlangen die Fähigkeit bereichsspezifisch für das Themengebiet, das sie besonders interessiert. Eine Psychotherapeutin kann zum Beispiel formal-operative Analogien zwischen Menschen bilden, aber nicht zwischen Differentialgleichungen. Einem Mathematikprofessor mag es umgekehrt gehen.
Menschen, die diese Stufe überall erreichen, kann man als hochbegabt bezeichnen.

So fördern Sie Ihre Kreativität mit Analogien

1. Tipp: Schreiben Sie Analogiesätze auf: "A verhält sich zu B wie C zu D." Zum Beispiel: "Harry Potter verhält sich zu Ron Weasley wie Herrchen zu Hund."
Fällt Ihnen gerade keine gute Fortführung ein, dann lassen Sie den Satz liegen und nehmen Sie ihn sich später vor. Hier ein kniffeliges Problem: "Sylvester Stallone verhält sich zum Feminismus wie Tom Cruise zum ….."
2. Tipp: Schreiben Sie sich Analogielisten. Dabei ordnen Sie willkürlich zehn verschiedene Wörter zu Paaren an. Das erste Paar bestimmt das analoge Verhältnis. Zu den anderen vier Paaren begründen Sie, warum diese analog funktionieren. Dabei können recht seltsame Ergebnisse zustande kommen. Auf einer der Analogielisten des Autors stand einmal: Lego : Mama <-> Krümmelmonster : Regenwald. Probieren Sie's aus!
3. Tipp: Probieren Sie die Cluster-Technik von Gabriele Rico, die sie in Garantiert schreiben lernen! beschreibt.

Fördern Sie das wissenschaftliche Denken Ihrer Kinder

Ermutigen Sie ihre Kinder, solange sie klein sind, mit den Dingen zu spielen. Die Zuckerdose kann zum Schloss werden und der Löffel zum Ritter, der den Würfelzucker (die Prinzessin) befreit und nach Hause (in den Tee) bringt. Spielen Sie den Kindern solche kleinen Geschichten auch vor.
Mit Ihren älteren Kindern (Grundschulalter) können Sie Ideen entwickeln, was man mit einer Fähigkeit alles noch machen kann. "Du hast gerade die Buchstaben aufgeklebt. Was kannst du denn noch aufkleben?" und "Wenn du einen Zauberkleber hättest, was würdest du denn mal gerne aufkleben?"
Fragen Sie Ihre Kinder auch, warum sie zwei Sachen kombiniert haben und was der Erfolg davon war. "Du hast die Zahl der Eier durch die Zahl der Lastwagen geteilt. Was ist dabei herausgekommen? … Und wofür brauchen wir das?"
Bei älteren Kindern fragen Sie nach den wesentlichen Gesichtspunkten ihres Handelns. "Was hat dich motiviert? Was hast du dir erhofft?", aber auch "So eine ähnliche Situation kennen wir schon. Was ist jetzt anders? … Und was ist gleich?"

Metakognition, Eselsbrücken und Humor

Mit Metakognition wird die Fähigkeit bezeichnet, seine Denkprozesse bewusst zu steuern. Darin ist auch die aktive Suche nach Analogien eingeschlossen. In der Fähigkeit zur Metakognition ist auch der Unterschied zwischen präoperativen und formal-operativen Analogien begründet. Beide können manchmal recht irrsinnig oder überraschend aufschlussreich sein. Während aber die präoperative Phase zwei Dinge miteinander verwechselt, sucht der "erwachsene Analogisierer" diese ganz bewusst auf.
Erwachsene Lerner nutzen zum Beispiel ganz bewusst Eselsbrücken. Eselsbrücken sind häufig Analogien. "Trenne nie ST, denn es tut ihm weh!" basiert auf der Analogie ST : trennen <-> ihm (=mir) : weh tun.
Nicht zuletzt sind Komiker solche kreativen Analogienbildner, von Stan & Laurel bis Mr. Bean. Sie lassen sich von den Tatsachen nicht vereinnahmen, sondern können ihnen ganz bewusst ihren Stempel aufprägen.

Fazit

Analogien sind ein wesentliches Denkwerkzeug für kreatives und wissenschaftliches Denken. Die Fähigkeit, flüssig komplexe Analogien zu bilden, wird allerdings nur von wenigen Erwachsenen erreicht.
Literatur:
  • Anderson, John: Kognitive Psychologie. Heidelberg 1996, S. 239-257.
  • Birkenbihl, Vera: Stroh im Kopf. Speyer 2002, S. 26-38, 54-64 und 104-114.
  • Piaget, Jean/Inhelder, Bärbel: Die Psychologie des Kindes. München 1998.

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