26.12.2018

Mathematisches Modellieren

Mathe ist nicht gerade das beliebteste Fach in der Schule. Dabei ist gerade das Modellieren mithilfe von mathematischen Sprache spannend.

Was haben Weizenbiergläsern mit Integralgleichungen zu tun? Wie müssen Aufzüge gesteuert werden, damit kein Chaos entsteht? Wie kann man eine nachhaltige Energieversorgung erreichen? Gibt es bei Fußballwetten Tricks?
All das sind Fragen, die man mithilfe des mathematischen Modellierens erforschen kann.

Was ist ein Modell?

Das Modell, so der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss, ist das Abbild eines idealen Funktionierens. Diese Definition muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Zunächst ist es wichtig, dass das, was funktioniert, nur im Idealfall funktioniert. Da die Realität nur real, nicht ideal ist, besitzen Modelle keine Wahrheit. Sie erleichtern allerdings die Erkenntnis.
Abbilder sind zum Beispiel Tabellen, Diagramme, Ablaufpläne, aber im weitesten Sinne auch Texte.
Demnach ist ein Modell eine Konstruktion, die uns das Denken erleichtert.

Modellieren

Modellieren kann folgendermaßen definieren: als aktives Hineinsehen eines Modells in die Umwelt, beziehungsweise als aktives Herauslesen.
Die Umwelt wird also nicht in ihrer Vielfalt wahrgenommen, sondern bewusst auf einen Aspekt hin abstrahiert.
So gesehen spielt das Modellieren in allen wissenschaftlichen Erkenntnisvorgängen eine wichtige Rolle. Ob man nämlich eine Gruppe von Schülern anhand eines psychologischen Motivationsmodells beobachtet oder die Reden von Angela Merkel anhand einer Liste klassischer rhetorischer Figuren: Überall spielen Modellierungsprozesse eine wesentliche Rolle und teilweise liest man, dass Modellierungskompetenzen zu den zentralsten Kompetenzen erwachsenen Denkens gehören.
Das mathematische Modellieren spielt hier allerdings eine wesentliche Rolle.

Die Abstraktion im Blick

Mathematik wird als abstrakt, formell und gerade in ihrer höheren Form auch als wenig tauglich angesehen. Doch gerade dies sind Eigenschaften, die die Mathematik so wichtig machen.
Im alltäglichen Umgang miteinander machen wir uns selten bewusst, dass wir von einem anderen Menschen nur ein Modell, eine Abstraktion besitzen. Und trotzdem muten wir unseren Gegenüber zu, genau damit umzugehen. Sicher: spricht man die Menschen darauf an, dann hört man: "Natürlich, ich kenne ihn nicht vollständig! Wie sollte das gehen?"
Doch hier abzuschätzen, was solche Abstraktionen bedeuten, fällt vielen Menschen sehr schwer.
Die Mathematik dagegen geht genau den umgekehrten Weg. Als formelle Sprache ist sie per se abstrakt. Hier geht es darum, abzuschätzen, was man sich mit Konkretionen leistet.
Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget legt in seinem Werk immer wieder dar, dass eine Funktion nur dann gut begriffen wird, wenn die Umkehrfunktion auch verstanden wird. Man kann also als ein allgemeines Lerngesetz postulieren: um eine Funktion zu verstehen, lerne auch die Gegenbewegung dazu.
Um Abstraktionen zu verstehen, muss man deshalb auch Konkretionen einüben. Mathematische Modelle bieten hierfür zahlreiche Anlässe. Durch gute mathematische Kompetenzen erhöht man - gleichsam indem man gegen den Strom schwimmt - auch das Verständnis für sozialpsychologische und andere nichtmathematische Modelle.

Was ist ein mathematisches Modell?

Das üblichste mathematische Modell ist die Zahl. Zahlen sind hochabstrakt. Man darf sich wundern, dass Kinder sie so früh lernen. Denn was macht eine Zahl? Sie abstrahiert von allem, was sinnlich und konkret ist. Kinder lernen, dass hinter dem Satz "Ich habe vier Figuren und bekomme noch zwei dazu geschenkt." die Zahlen 4 und 2 stehen und die mathematische Operation des Addierens. Was das für Figuren sind, und ob man zum Beispiel mit diesen spielen kann, ist völlig uninteressant.
Weitere mathematische Modelle sind: Gleichungen und Formeln, mathematische Koordinatensysteme, geometrische Figuren oder Mengenabbildungen.

Fazit

Mathematik als Denkpraxis wird viel zu wenig geschätzt. Vor allem ihr Verhältnis zu anderen Wissenschaften wird zu wenig durchdacht. Dabei darf das Problem nicht bei den Mathematiklehrern gelassen werden. Die Fähigkeit zur Abstraktion und Konkretionen sollte jedem Menschen am Herzen liegen, der ein vielseitiges und wissenschaftliches Denken pflegen möchte.

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