26.12.2018

Emotionale Kompetenz: Die Gefühle und ihre Verbindung zum Denken

Emotionale Intelligenz war einige Zeit das Modewort. Dabei haben wissenschaftliche Theorien seit vielen Jahren ganz anderer Einsichten.

Robert Plutchik und Stanley Schachter sind international renommierte Psychologen. Die psychoevolutionäre Theorie der Gefühle von Plutchik und die Verbindung zwischen Kognition und Emotionen, wie Schachter sie vorschlägt, beleuchten wichtige Bedingungen des menschlichen Daseins.

Die acht elementare Gefühle

Plutchik postuliert acht elementare Gefühle, die sich in Gegensatzpaaren anordnen: Furcht-Ärger, Überraschung-Erwartung, Trauer-Freude und Ekel-Vertrauen.
Jedes dieser Gefühle wird durch ein Reizereignis ausgelöst und von einer kognitiven Einschätzung begleitet. Ebenso führt jedes Gefühl zu einem idealtypischen Verhalten.
So wird das Gefühl der Überraschung durch ein unerwartetes Ereignis (dem spezifischen Reizereignis) ausgelöst, durch die kognitive Einschätzung "untersuchen" begleitet und führt zu dem Verhalten des Stehen-bleibens und Betrachtens.

Evolutionäre Entwicklung

Emotionen, so Plutchik, haben sich während der Evolution entwickelt. Sie zeigen bei verschiedenen Tierarten und beim Menschen unterschiedliche Ausprägungen.
Dabei spielen sie bei der Anpassung von Organismen an die Anforderungen ihrer Umwelt eine zentrale Rolle.

Die Konstruktion elementarer Emotionen

Elementare Emotionen sind idealisierte Zustände. Das heißt, dass es wissenschaftliche Konstrukte sind, die bei Erklärungen hilfreich sind, aber so nicht existieren.
Ihrer Eigenschaften und Merkmale können nur aus einem Spektrum von Ausdrucksweisen erschlossen werden. Dieser Prozess der Interpretation muss allerdings kritisch gesehen werden.

Kombination und Ableitung

Plutchik postuliert weiter, dass alle anderen Gefühle aus diesen acht Grundgefühlen abgeleitet sind. Er bildet so genannte Dyaden. dies sind Emotionen, die immer zwei Basis Emotionen kombinieren. So bildete sich das Gefühl der Enttäuschung durch die Kombination von Überraschung und Trauer. Ebenso ließe sich das Gefühl der Verachtung durch die Verbindung von Ekel und Ärger erklären.

Gegensätze, Ähnlichkeiten

Alle Basisemotionen besitzen eine gegenteilige andere Basisemotion. Treten diese beiden zusammen auf, ergibt sich ein emotionaler Konflikt. Dies kann man zum Beispiel in Situationen erleben, die zugleich Freude und Trauer auslösen. Nicht wenige Menschen ist es zum Beispiel so beim Ansehen von Roberto Benignis Film Das Leben ist schön ergangen.
Alle anderen Emotionen besitzen einen mehr oder weniger großen Grad an Ähnlichkeit. So ist die Überraschung der Furcht verwandter, als dem Ärger.

Intensitäten

Jede Emotion kann sich in einem unterschiedlichen Grad an Intensität ausdrücken. So wird Vertrauen in einem intensiven Grad als Bewunderung bezeichnet, in einem schwachen Grad als Akzeptanz.

Kognitionen und Handlungen

Jede Emotion bindet sich in einer Kognition und/oder Handlung. erst durch Handlungen und Kognitionen vermischen sich die basale Emotionen.
Die Grundemotionen sind zwar angeboren, aber ihre Intensität, Mischung und Verfeinerung werden erlernt. Gerade durch die zunehmende Entwicklung des Denkens werden den Emotionen immer feinere "Behälter" angeboten, so dass sich mit dem Fortschritt des Denkens die Impulsivität der Handlungen zurückbildet.
Außerdem erlernen Menschen auch, in welchen Situationen sie welche Gefühle bevorzugen.

Bildung: Selbstmanagement emotionaler Kompetenz?

Folgt man dieser Theorie, kann man weit reichende Schlüsse für die Entwicklung emotionaler Kompetenz ziehen.
Je mehr und je feinere "Behälter" man seinen Emotionen anbietet, umso feinere und sensiblere emotionale Kombinationen entwickelt man. Das heißt, dass eine gute und vielfältige Bildung für eine hohe emotionale Kompetenz notwendig ist.

Laterales Denken: Training mit den emotionalen Brillen

Ähnlich wie bei den sechs Denkhüten von deBono kann man mit den Basisemotionen laterales Denken üben. Man kann nämlich auf eine Situation alle acht Emotionen probeweise anwenden und dazu Gedanken entwickeln.
Nehmen wir an, wir haben eine Situation, die bei uns massive Angst auslöst. Beispiel: ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes.
Mit der Technik des lateralen Denkens wird diese Situation nun durch die Brille aller anderen Basisemotionen begutachtet. Man könnte also erproben, wo und wie das Gefühl der Überraschung, des Ekels oder der Erwartung auf diese Situation passt.
Dabei geht es nicht darum, den Verlust des Arbeitsplatzes zu verniedlichen. Sinn und Zweck dieser Übung ist, sich nicht von seinen Gefühlen gefangen nehmen zu lassen und in ein automatisches Handeln zu verfallen.

Marketing und Kreativität: Emotionalität in barer Münze

Wie auch de Bonos ursprüngliche Methode, kann und wird diese Methode der emotionalen Brillen bei der Entwicklung von Marketingstrategien angewendet. Gerade wenn es um die Wirkung eines Produkts im anvisierten Kundensegment geht, können hier frühzeitig Fehldeutungen und unerwünschte Nebeneffekte erkannt werden. Dadurch kann man das Produkt effektiver platzieren und seinen Markterfolg erhöhen.

Menschenkenntnis: die Intelligenz der Spekulation

Eine dritte Anwendung dieses Modells dient der Menschenkenntnis. Man kann sich überlegen, welche Emotionen in den Handlungen von Menschen "drin stecken", beziehungsweise, in welchen Situationen ein Mensch wohl diese oder jene Emotion zeigen würde.
Allerdings sollte man seine Spekulationen über andere Menschen als Spekulationen begreifen. Ein direkter Zugang zu den Gefühlen anderer Menschen ist, laut Plutchik und Schachter, nicht möglich. Schärfer formuliert: jede Behauptung eines "Ich weiß, was/wie du denkst!" ist pures Machtgehabe.

Fazit

Die Emotionspsychologie ist insgesamt eine hochkomplexer Angelegenheit. Man kann sich sein ganzes Leben mit ihr beschäftigen. Das Modell von Plutchik bietet jedoch einen guten Anhaltspunkt, sich mit den eigenen und fremden Gefühlen im Alltag zu beschäftigen.

Literatur
  • Plutchik, Robert: The Emotions. Madison Books. 228 Seiten. 43,99€
  • Schachter, Stanley: Emotion, Obesity and Crime. Geniza. 195 Seiten. vergriffen

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