19.03.2014

Eine Art Selbstdemontage: die Grünen, die Linken und die Krim-Krise

Das ganze ging wohl von Reinhard Bütikofer aus, dem Chef der europäischen Grünen. Auf jeden Fall erschien ein Bild mit russischen Soldaten im Internet. Davor war Sahra Wagenknecht zu sehen, mit einem Bildbearbeitungsprogramm hineingesetzt. Beschriftet war das Bild mit: »Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze!«

Die "beiden" Kritikpunkte der Linkspartei

Die Linkspartei hatte, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Gewichtungen, den Umgang mit der Ukraine und Russland kritisiert. Ein Hauptargument war, dass man nicht gegen Russland sein und damit stillschweigend eine „faschistische“ Regierung in Kiew in Kauf nehmen könne. Die andere Kritik betraf den völkerrechtlichen Umgang mit Russland. Gysi hat eingewendet, dass man nicht, wie das in der Vergangenheit auf dem Kosovo geschehen ist, dem einen Staat etwas erlauben könne und dem anderen Staat nicht, der einen Volksgruppe schon und der anderen nicht. Gysi hat hier also, übrigens sehr vorsichtig, nicht zuallererst die Russlandfeindlichkeit des Westens hervorgehoben, sondern ein rechtsstaatliches Prinzip, nämlich die Gleichheit vor dem Gesetz.

Die Ersetzung eines Schlusses durch ein Argument

Rhetorisch gesehen passiert der übliche Mist. Ein Argument wird als Schluss verkauft, bzw. ein Gegenargument zu einem Schluss umfunktioniert. Dass Gysi hier durchaus eine völkerrechtliche Konsequenz bei Russland sieht, deren Präzedenzfall der Westen geschaffen hat, heißt ja noch lange nicht, dass er über die Annektierung der Krim durch die Russen glücklich ist.
Dasselbe gilt übrigens für Sahra Wagenknecht. Die Grünen spinnen einfach einen Argumentationsstrang weiter und schieben damit Frau Wagenknecht eine Meinung unter, die sie so nicht geäußert hat. Das scheint ihr häufiger zu passieren und weist auf ein gewisses, recht befremdliches Verständnis der Linken in den deutschen Medien hin. Neulich habe ich gelesen, Wagenknecht würde eine europafeindliche Partei, die AfD, unterstützen. Ich glaube, es war in einem Artikel der Welt. Hier ist die Zustimmung eines Arguments von Lucke, dem Vorsitzenden der AfD, generalisiert worden. Wagenknecht und Lucke sind sich darin einig, dass die hohen Zahlungen während der Bankenkrise vor allem den Banken genützt hätten. Die Argumente berühren sich in einem einzigen Punkt. Von einer Unterstützung kann noch keine Rede sein.

Einige Paralogismen

Wir haben also eine ungebührliche Hervorhebung eines Merkmals (und das ist bei einer Partei natürlich eine Meinung), also eine Extrapolation. Wir haben eine Generalisierung, also eine Übertragung in andere Bereiche und eine Art „einstimmig machen“. Und schließlich eine Vertauschung von Argument und Schluss, bzw. eine eigenmächtige Schlussfolgerung (hier also durch die Grünen) auf einen „bösen“ Schluss.

Öffentlichkeit und Aufklärung

Es ist immer ungünstig, wenn solche Sachen zwischen Oppositionsparteien geschehen. Die Opposition, zumindest die parlamentarische, ist in Deutschland im Moment schwach genug. Das ist nicht sonderlich erfreulich. Schließlich spielt die Opposition als Kontrollinstrument in Demokratien eine wichtige Rolle. Die Linken sind nun die stärkste Oppositionspartei.
Dass hier von den Medien aus eine so kurzgegriffene Berichtserstattung stattfindet, dass von der anderen Oppositionspartei, den Grünen, solche Missklänge kommen, ist für die öffentliche Meinungsbildung nicht hilfreich. Man kann ja von den Linken im einzelnen halten, was man will. Da bin ich durchaus indifferent. Aber es gibt schon günstige und ungünstige Spielregeln für den demokratischen Prozess.
In diesem Fall schleicht sich leider, ob im Einzelfall zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt, insgesamt eine Missachtung der Opposition ein. Gerade weil wir eine Große Koalition in Deutschland haben, sollte die Öffentlichkeit kritischer informiert werden. Und dazu gehört zunächst, dass ein Argument ein Argument ist, egal wie viele Menschen das vertreten.
Es gibt hier eine Grenze: diese Grenze wird vor allem auch durch das Grundgesetz festgelegt, etwa durch die Würde des Menschen, um die zum Beispiel im Fall Lewitscharoff gestritten wurde / wird (dürfen durch künstliche Befruchtung gezeugte Menschen als Halbwesen bezeichnet werden?).
Ansonsten aber darf sich in der öffentlichen Aufklärung ein Argument nur durch die gute Argumentation behaupten, nicht durch eine Parteizugehörigkeit. Und schon gar nicht darf hier, zumindest von den Medien aus, aber auch bitte nicht von den Parteien, dem Gegner eine Position in den Mund gelegt werden, die so nie geäußert worden ist. Das ist einfach eine ganz schlechte Taktik.
Das durchschauen die Menschen. Damit demontieren sich einzelne Grüne selbst. Zurecht distanzieren sich viele in der Partei von dem Vorgehen Bütikofers. Die Krim-Krise ist ernst genug und wenig durchschaubar. Sachlichkeit und Aufklärung sollten an erster Stelle stehen.

Lesenswert: Grüner Streit um Anti-Wagenknecht-Kampagne
Rhetorisch auch interessant: On The Oversimplification In American Coverage Of Russia

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