08.03.2014

die Reichweite der politischen Sprache und die Reichweite des politischen Handelns

Vielleicht ist es ein Traum von all jenen Menschen, die unbedingt an die Macht wollen: dass sie möglichst viele Menschen erreichen. Ist schon das ein Schreckgespenst, denn wie viele Menschen kann man schon so intensiv erreichen, wenn man sie auch noch seine Freunde nennen will? So scheint mir das gleiche Schreckgespenst auch ein ganzes Stück weit die derzeitige Debatte heimzusuchen.
Alexander Kissler suggeriert dies in seinem fatalen Artikel im Cicero. Die reden ja nur. Und meint damit dann gleich, dass all diese Menschen, die sich an der Debatte um Lewitscharoff beteiligen (oder Lanz, oder Snowden, oder oder) nur leere Worte dreschen würden.

Nun ist die Reichweite der Sprache wesentlich größer als die Reichweite des Handelns. Sprache kann aufgehoben werden (wenn auch nicht unbedingt ihr Sinn). Handeln ist flüchtig und verschwindet sofort wieder.
Fatal ist die Annahme, dass all diese Menschen, die dort redeten, unbedingt etwas tun müssten, was dem Autor dieses Artikels (und manch anderem, der öffentlich publizieren oder öffentlich handeln kann)  leicht fällt. Fatal ist auch, dass das mit ein Hauptargument zu sein scheint, warum all jene Menschen, die sich mit ihrer Meinung in die Öffentlichkeit wagen, es doch besser nicht tun sollten. Als ob der Autor dieses Artikels in irgendeiner Weise etwas anderes getan hat, was ihn vor allen anderen zu seiner Meinung legitimiert. Die zudem ja noch völlig verworren ist.

Hören wir, um uns mit einer Autorität zu verknüpfen, Hannah Arendt:
Ich bin der Meinung, dass die Rückführung aller menschlichen Tätigkeiten auf das Arbeiten und Herstellen und die Reduzierung aller politischen Verhältnisse auf das Herrschaftsverhältnis nicht nur historisch nicht zu rechtfertigen sind, sondern in verhängnisvoller Weise den Raum des Öffentlichen und die Möglichkeiten des Menschen als eines für Politik begabten Wesens verkrüppelt und pervertiert haben. In der Form von Essays ist eine solche Kritik natürlich nicht zu leisten, schon weil sie im bloß Kritischen stecken bleibt. Aber gerade für das Vorläufige solcher Versuche scheint die Essayform wiederum besonders geeignet.
Arendt, Hannah: Vorwort zu Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart. in dies.: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I. München 2012, hier S. 380.

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