28.08.2012

Schreiben

„Oft ist das Denken schwer, indes,
das Schreiben geht auch ohne es.“
(Wilhelm Busch)

Krimis und die Logik

In den letzten Tagen  habe ich vor allem mein Spracherkennungsprogramm trainiert. Vor allem habe ich meinen Zettelkasten nach unbekannten Wörtern durchsuchen lassen. Damit bin ich fast fertig.

Ich komme mittlerweile ziemlich in Verlegenheit, weil mein Aufsatz Krimis plotten und schreiben doch recht beliebt ist, für mich aber kaum mehr als ein Rohentwurf. Insbesondere meine intensive Auseinandersetzung mit Dewey und hier vor allem dem Kapitel über das Erzählen haben mich sehr angeregt und mir viele neue Aspekte deutlich werden lassen.
Insbesondere das Verhältnis zwischen Urteilen und Schlussfolgerungen in Krimis  müsste wesentlich präziser dargestellt werden. Die Urteile habe ich in meinem Aufsatz immer mit dem Buchstaben (a) markiert, die Schlussfolgerung mit (c). Besonders wichtig ist hier das interpretierende Mittelglied (mit (b) bezeichnet), und zwar nicht nur im Verhältnis innerhalb des Schlusses (also im Gang von (a) nach (c)). Besonders wichtig ist auch das Verhältnis der interpretierenden Mittelglieder unter einander. Dies hatte ich an den beiden Mittelglieder zu Beginn von Donna Leons Venezianische Scharade untersucht, aber nicht besonders deutlich gemacht:
(b1) Nur Frauen tragen Frauenkleider.
(b2) Männer, die Frauenkleider tragen, sind Travestiten.
Im Prinzip sind diese beiden Sätze nur „Meinungen“, die regelmäßig hervorquellen, wenn der Kommissar neue Tatsachen interpretiert. Neue Tatsachen, wie zum Beispiel die Entdeckung, dass die Leiche ein Mann in Frauenkleidern ist, komplizieren den Fall und das Spiel der Schlussfolgerungen.
Für die Konstruktion eines Krimis und den Gang der Geschichte sind diese interpretierenden Meinungen ebenso wichtig, wie die neu entdeckten Tatsachen.
Tatsachen, das ist klar, werden zum Beispiel durch die Untersuchung eines Tatortes gefunden. Ich bezeichne sie manchmal auch als Wahrnehmungsurteile oder als schlichte Aussagen über die Welt (die Rose ist rot, die Sonne scheint, Harald besitzt einen grünen Audi, gestern habe ich Würstchen gegrillt).
Das interpretierende Mittelglied dagegen bezieht sich auf Gewohnheiten und Verlässlichkeiten. Und diese können gerne auch mal umgestoßen werden. Die Frauenleiche entpuppt sich als Männerleiche, der tote Travestit als fingierter Travestit, um von dem eigentlichen Verbrechen abzulenken.
Nun erscheint mir diese Abfolge von Meinungen, aber auch die Verschiebung dieser Meinungen durch die Tatsachen als wesentlich, wenn man Krimis konstruieren möchte. Und genau das müsste ich besser ausarbeiten, zum Beispiel auch in Bezug auf die Eristik von Schopenhauer, auf die 36 Kriegsstrategeme oder auf die Gesetze der Nachahmung (diesem unglaublichen Buch von Gabriel Tarde).

22.08.2012

Nichts, fast nichts

Eigentlich wollte ich gestern Abend mit dem inhaltlichen Schreiben weitermachen (Kant, wie gewohnt), doch dann habe ich mich mit Anja festgequatscht. Heute Morgen hatte ich ziemlichen Trubel. Habe mehrere E-Mails von jetzt auf gleich schreiben müssen. Dabei zeigt sich noch einmal die Stärke von Dragon NaturallySpeaking. Wofür ich bei der Vorgänger-Version doch eher Wochen gebraucht habe, kann ich jetzt nach zwei Tagen Training nutzen. Noch kennt das Programm viele Vokabeln nicht, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Jedenfalls lief das mit den E-Mails recht flott. Auch andere Texte habe ich schnell einsprechen können.

So habe ich nichts wirklich aufregendes zu berichten.
In Berlin ist es sehr heiß und sehr drückend. Letzte Nacht hat es etwas geregnet und auch gewittert, aber das hat die Sache nicht wirklich besser gemacht. Nach wie vor ist es schwül. Draußen vor dem Fenster lärmen die Bauarbeiter.

21.08.2012

Vorerst letzte Meldung: Dragon NaturallySpeaking 12.0

Jetzt bin ich doch begeistert. Einige Fehler der Vorgängerversion sind offensichtlich hervorragend behoben worden. 
So hatte ich immer wieder das Problem, dass bestimmte Wörter aus meinen Texten entweder nicht gefunden wurden und ich so herausfinden musste, welche Wörter das waren. Andere Wörter wiederum habe ich eintrainiert und eintrainiert, wurden aber immer wieder in der Liste mit unbekannten Wörtern angezeigt. Was habe ich gemacht? Ich habe aus den Dokumenten, aus denen ich mir die unbekannten Wörter herausgesucht habe, alle bekannten Wörter gelöscht. Dies habe ich mit der Ersetzen-Funktion von Winword getan. Das ist eine äußerst zeitfressende Arbeit.
Wie gesagt: dieses Problem scheint jetzt vollständig behoben zu sein und ich kann mir die Überprüfung sparen.

Ein weiteres Problem waren Sonderzeichen und Anglizismen. So wurden Wörter wie énoncé und Ricœur nicht oder nur zerstückelt angenommen. Auch Wörter, die von der normalen, deutschen Morphologie abweichen, erkannte Dragon bisher nur schlecht. Auch hier hat sich einiges getan: ob Anzieu, Braindead, Genremix, Historical, Trelawney, Zapping oder zoon, die Wörter werden hervorragend angenommen.

Sehr schick zum Beispiel ist auch, dass Sonderzeichen für sich eintrainiert werden können, zum Beispiel •. Allerdings können nur solche Sonderzeichen eintrainiert werden, die zum entsprechenden Zeichensatz gehören.

Ich war am Anfang etwas genervt, weil mein ganzes antrainiertes Vokabular nicht übernommen worden ist. Sicherlich hätte ich mir viel Arbeit erspart bleiben können, wenn Dragon das hinbekommen hätte. Auf der anderen Seite allerdings ist wahrscheinlich die ganze Abspeicherung in der Datenbank komplett neu gestaltet worden und eine Übernahme der alten Daten wäre schwierig geworden.
Da die Neuerungen aber wesentlich zur Verbesserung des Programms beitragen, ist dieses Ärgernis gut hinnehmbar.

19.08.2012

Artikel auf suite101.de

Während einige Kolleginnen und Kollegen mit suite101.de höchst unzufrieden sind, bin ich ganz zufrieden. Zwar habe ich über zwei Monate keinen Artikel mehr veröffentlicht, aber meine Tantiemen sind trotzdem leicht gestiegen, von etwas unter 10 cent pro Tag auf etwas darüber. Durchschnittlich!
Auch die Unkerei, suite101.de würde untergehen, seine Autoren auspressen, und so fort, kann ich nicht (mehr) nachvollziehen. Der Bruder einer Freundin, in Kanada lebend und für Google arbeitend, berichtet fast durchgehend positiv über die kommenden Neuerungen. Allerdings sind es noch Gerüchte. Man sollte diese zur Kenntnis nehmen, aber nicht für Wahrheiten ausgeben.

Am Dienstag habe ich einen Artikel über die Kreativität veröffentlicht, heute einen über Dragon, einen Testbericht über die neue Version.

Reich werde ich damit nicht. Aber mein Blog ein wenig bekannter und damit auch mehr Anfragen von Kunden.

Astronautin untersucht Gebärmutter: Scotts Prometheus

Die Gebärmutter als autonomes Objekt: Rapace staunt
Scotts neuer Film Prometheus enttäuscht die Alien-Fans. Ein Glück!
Symbolik statt Schockeffekte scheint das Motto gewesen zu sein. Eine knapp gehaltene Analyse findet ihr hier: Prometheus - Natürlich gibt es intelligentes Leben im Kino.

Im Gegensatz zu Cameron (siehe Kokons & Labyrinthe) weisen die Filme von Scott sehr unterschiedliche Symboliken auf. Der Kokon ist bei Cameron als Schiff (Titanic), Raumschiff, Körper und Roboter (Alien), Unterseestation (Abyss) oder Schlaf-/Traumkabine (Avatar) eigentlich immer präsent. 
Scott dagegen bietet in seinen Historienfilmen (Gladiator, Königreich der Himmel, Robin Hood), oder in seinen Thrillern (American Gangster) stets wechselnde Symboliken, die teilweise, wie zum Beispiel in American Gangster, bewusst gegen die historischen Tatsachen zu verstoßen scheinen, um ein symbolisches Geflecht aufzubauen.

17.08.2012

Dragon NaturallySpeaking 12.0, erster Bericht

Zunächst ein kleines Drama: nach der Einspielung der neuen Version wurde meine Seriennummer nicht akzeptiert und so hatte ich nur fünf mögliche Versuche, mit Dragon zu arbeiten. Ich war etwas genervt, weil das Wochenende vor der Tür steht und ich auf mein Programm nicht verzichten wollte. Jetzt habe ich doch bei der Hotline angerufen. Dort wurde mir sehr rasch und sehr freundlich geholfen. Die neue Seriennummer hätte mir zugesandt werden müssen. Doch offensichtlich ist diese E-Mail in den Tiefen und Untiefen des Systems verschwunden. Der Kollege auf der Hotline hat mir dann noch einmal die Seriennummer zugesandt und jetzt ist alles in Ordnung.

Ich war bereits mit der Vorgängerversion sehr zufrieden. Probleme hatte ich vor allen Dingen mit dem speziellen Vokabular meiner bevorzugten Autoren. Auch hier scheint die Grundausstattung von Dragon besser geworden zu sein.
Ärgerlich ist, dass zwar das alte Vokabular der Version 11.0 übernommen wird, aber wieder neu trainiert werden muss. Das ist dann keine wirkliche Arbeitserleichterung.

Insgesamt scheint die Spracherkennung aber auch etwas schneller zu sein.
Fasst man also zusammen, dass die Verarbeitungsgeschwindigkeit besser geworden ist und die Erkennungsgenauigkeit tatsächlich höher, kann ich dieses Programm nur empfehlen.

16.08.2012

Dragon Naturally Speaking 12.0

Jetzt ist es soweit. Seit Dragon die neue Version letzte Woche angekündigt hat, sitze ich ein wenig auf glühenden Kohlen. Derzeit lade ich das Software-Paket auf meinen Computer. Und es ist tatsächlich ein ganz schöner Batzen von Programm: immerhin drei Gigabyte (!).

Demnächst werde ich mal eine kleine Anleitung zum guten Gebrauch dieses Programmes schreiben.

15.08.2012

Erörterung

Es ist übrigens eine Feinheit, und gegenüber dem in der Schule gebrauchten Begriff der Erörterung auch eine gewisse Boshaftigkeit, wie simpel Kant die Erörterung versteht:
Ich verstehe aber unter Erörterung (expositio) die deutliche (wenn gleich nicht ausführliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe gehört; ...
Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Seite 72 (Suhrkamp-Ausgabe)
Zu einem Begriff gehören Merkmale und so ist eine Erörterung nichts anderes als die Diskussion, welche Merkmale zu einem Begriff gehören (und welche natürlich auch nicht) und in welcher Modalität diese dem Begriff eigen sind.
In der Schule wird mit der linearen und der dialektischen Erörterung immer so getan, als diskutiere man Perspektiven. Mit der linearen Erörterung werde eine Perspektive vorgestellt, bei der dialektischen Erörterung seien es zwei, die entgegengesetzte Standpunkte vertreten.
Richtiger aber müsste man sagen, dass die lineare Erörterung den bestimmten Gebrauch eines Begriffes, während die dialektische Erörterung den unterschiedlichen Gebrauch eines Begriffes darstellt. Dabei spielt die Perspektive nur eine mittelbare Rolle.

Übrigens darf man hier, bei Kant, durchaus mithören, dass die Erörterung von ihm auch expositio genannt wird, also die zweite (bzw. dritte) Phase der Erstellung einer Rede angehört, also jene Phase, in der der "sachliche" Zusammenhang entworfen wird und in dem der Fall (im juristischen Bereich) auseinandergepflückt wird.
(Anmerkung: manchmal findet man fünf, manchmal sieben Phasen der Redegestaltung. Die ausführlichste ist folgende: (1) intellectio = Klärung des Redegegenstandes, (2) inventio = Erfindung des Sachverhaltes (wobei man Erfindung nicht als pure Fantasie ansehen darf, sondern eher als ein Suchen nach möglichen, plausiblen Argumenten), (3) expositio = Darlegung des Sachverhalts, Entwurf des Argumentationsgangs, (4) elocutio = die sprachliche Darstellung des Sachverhalts, (5) memoria = das Einprägen der Rede, (6) pronunciatio = die stimmliche Auskleidung der Rede und (7) actio = die gestische/theatralische Auskleidung der Rede. Intellectio und inventio werden oft zusammengenommen und nur inventio genannt. Ebenso werden pronunciatio und actio oft zu einer Phase zusammengefasst.)

Buch: Sinn und Eigensinn des Materials

Derzeit lese (kommentiere) ich dieses hübsche Werk, das von Petra Kathke geschrieben wurde. Es enthält tausenderlei Anregungen, wie man mit Naturmaterialien und dem üblichen Abfall ästhetisch gestalten kann.

Besonders gut gefallen mir einige Projekte zum Sand. So kann man im feuchten Sand mit Gegenständen ein Relief erstellen und dieses dann mit Gips ausgießen. Sobald der Gips abgebunden ist, kann man ihn vorsichtig abwaschen und vom Sand befreien. Auf dieses Gipsrelief kann man wieder Farbe auftragen. Das schöne an solchen Sandformen ist, dass sie dem Gips eine natürliche Rauheit verleihen.
Ein anderes Projekt sind die Erdkugeln.
Dabei verpackt man Zeitungspapier zu größeren Kugeln (etwa 20 cm im Durchmesser) und stabilisiert diese durch einen dickeren Bindfaden oder Paketschnur. Anschließend sollte man diese Kugeln noch einmal mit ein oder zwei Lagen geleimten Papiers glätten, die auf die Oberfläche gelegt werden. Das Ganze getrocknet, kann man diese Oberfläche mit einem Gemisch aus Leim und Sand (im Verhältnis 1 : 9) weiter gestalten. Farbe können Sie entweder den Leim-Sand-Gemisch sofort hinzufügen oder später auf die feuchte oder trockene Fläche auftragen.
In der Schule könnte man so zum Beispiel einen Kasten mit verschiedenen Fantasieplaneten erstellen und dazu die Kinder Steckbriefe verfassen lassen: was ist das Besondere an diesem Planeten? Wer lebt darauf?
Mit derselben Technik könnte man allerdings auch Skulpturen fertigen. Zunächst Form man mithilfe von Zeitungspapier eine Skulptur, und trägt auf diese den Leim-Sand direkt auf (vorsichtig: trocken bricht dieses Gemisch gerne auseinander: es sollte nicht zu dick aufgetragen werden). Oder man bearbeitet, wie oben beschrieben, die Oberfläche mit geleimten Zeitungspapier oder Pappmaschee. Wer eine besonders malerische Fläche haben will, kann nach dem Trocknen mit Wandfarbe eine Schicht weiß auftragen und sich so einen Malgrund schaffen.

Kathke, Petra: Sinn und Eigensinn des Materials I. Berlin 2007

12.08.2012

Muskelkater und Ruprecht Frieling

Eigentlich bin ich ja Mitglied eines bekannten Fitnessstudios Berlins. Nur habe ich dieses in den letzten Monaten reichlich wenig genutzt. Anfang dieser Woche hatte ich leichte Rückenschmerzen. Deshalb habe ich mich am Donnerstag mal wieder an den Geräten blicken lassen. Mit dem Erfolg, dass ich am Freitag nicht nur ganz üblen Muskelkater hatte, sondern auch meine Rückenschmerzen besonders schlimm waren. Mittlerweile geht es mir wieder hervorragend.
Gestern allerdings war ich etwas leichtsinnig: ich wollte zu Conrad fahren, weil diese gute Laminiergeräte haben. Mein altes ist letzten Herbst kaputtgegangen. Aber das Fahrrad fahren war dann doch eine rechte Qual, da meine Rückenmuskeln immer noch "verkatert" waren. Statt einer Stunde habe ich für den Weg doch fast zwei gebraucht.

Ruprecht Frieling hat mir sein neuestes Werk zugeschickt. Es wird ein Schreibratgeber sein, der vor allem thematisiert, wie Autoren ihre unbewussten Kräfte nutzen können. Wie gewohnt schreibt Ruprecht sehr eloquent. Bloß bei der Darstellung, was ein kreativer Prozess sei, kommen wir uns ziemlich ins Gehege. Ich mag diesen Begriff des "Unbewussten" durchaus nicht. Er impliziert, selbst wenn er sauber genutzt wird, ideologische Vorentscheidungen, die ich nicht mitmachen möchte. So wird in der modernen Kultur dieses Unbewusste gerne als ein Vorrat ungebändigter Phantasieprodukte vorgestellt. Doch damit wiederholt sich auf einer subjektiv symbolischen Ebene nur ein Platonismus. Der Mensch nimmt zwar nicht mehr Anteil an allgemeinen reinen Ideen; aber jeder Mensch besäße ein solches allerdings rein individuelles Potenzial, eine Art innerer Formensprache, die ihm vor jeder Erfahrung eigen sei.
Typisch hierfür ist die Verballhornung der Archetypenlehre von Carl Gustav Jung. Bei seinen Archetypen handelt es sich um verallgemeinerte Vorstellungsbilder. So ist die Anima das Bild eines guten weiblichen Begleiters. Doch es geht Jung nicht um die Anima als solche, sondern um ihre Position in Bezug auf anderer solcher Archetypen und in Bezug auf das "Selbstgefühl". In Kreativwerkstätten wird diese Archetypenlehre sehr gerne verdinglicht benutzt. Dort malen dann unbedarfte Hobbykreative ihre Anima. Dabei wird der reflexive und strukturelle Moment vergessen: nur in Bezug auf das Kernich entfaltet die Anima ihre Bedeutung; sie muss also weniger essentiell als differentiell gelesen werden.

Manche Menschen halten mich für zu kognitivistisch, also für einen Menschen, der zu sehr auf die intellektuellen Prozesse bedacht ist. Das ist so nicht richtig. Ich halte mich nur, was die emotional-motivationalen Prozesse angeht, stark zurück. Denn diese sind wesentlich schwieriger zu beschreiben als die rein kognitiven Prozesse. Sie sind auch schwieriger zu diagnostizieren. Das ist der eine Grund für meine Zurückhaltung. 
Der andere Grund besteht darin, dass sich Kognitionen und vor allem Gedächtnisinhalte wesentlich rascher ändern lassen als emotionale Einstellungen. Deshalb sehe ich hier in der praktischen Arbeit einen Vorrang in der intellektuellen Beschäftigung. Dieser Vorrang ist allerdings tatsächlich nur ein rein praktischer, kein theoretischer. Ich halte es für unbestritten, dass ein Denken ohne Emotionen nicht möglich ist. Die Behauptung, jemand sei ein kühler Denker oder gar, jemand sei emotionslos oder ausschließlich rationalistisch, ist weder ein Lob noch ein Tadel, sondern schlichtweg eine verkürzte und damit falsche Beschreibung.

Ruprecht hängt hier, meiner Ansicht nach, zwischen einer guten Klärung und den Mythen der älteren Ratgeberliteratur fest. Auf der einen Seite weiß und spürt er die Mangelhaftigkeit dieser Darstellungen, aber er kommt nur halb von deren Begriffen los.
Für mich ist der schöpferische Mensch der vielseitig arbeitende Mensch. Dabei ist die Vielseitigkeit kein Wert an sich, sondern erst die Reibung, die aus dieser Vielseitigkeit entsteht. Jerome Bruner hat für diese Reibung den Begriff der "kognitiven Dissonanz" geprägt.
Es ist also gar nicht so schlecht, wenn jemand von kulturellem Inselchen zu kulturellem Inselchen hüpft, von der Wagner-Oper zu den Büchern Murakamis, vom Kochen zur Herstellung von Sandbildern, vom gemeinsamen Spieleabend mit Freunden zum einsamen Spaziergang durch die Natur. All dies erzeugt unterschiedliche Erfahrungsnester. Und diese Unterschiede führen zu neuen, abweichenden Betrachtungen.
Nicht das Unbewusste, sondern die Vielfalt der Erfahrung ermöglicht die individuelle und reichhaltige Kreativität. (Ein Problem, was gerade für Langzeitarbeitslose aber auch für Workaholics triftig ist: Beide machen zu wenig Erfahrungen auf unterschiedlichen Gebieten. Der Langzeitarbeitslose hat dafür kein Geld, der Workaholic keine Zeit. Beide "leiden" an einer Verarmung und Verflachung eigensinniger Prozesse und dadurch an einem Verlust der Individualität.)

Maslow und die Bedürfnisse

Vor einigen Tagen meldete sich bei mir eine Studentin, die einige Fragen zu Maslowschen Bedürfnispyramide hatte. Es waren die nämlichen Probleme, die ich selbst mit diesem Modell habe: so sind zum Beispiel die physiologischen Bedürfnisse deutlich anders biologisch verankert als die Bedürfnisse nach Wertschätzung (vierte Stufe) oder Selbstverwirklichung (fünfte Stufe).
Bei der Bedürfnispyramide gibt es allerdings auch noch (wie ich finde) einen großen Diskussionsbedarf, was die kulturellen Bedingungen angeht. Denn unsere Kultur fördert bestimmte Werte und schließt andere aus, bzw. macht sie unwahrscheinlich. So prägen die kulturellen Umfelder auch die konkrete Ausgestaltung unserer Bedürfnisse. Es ist für uns auch heute kaum ein Problem, uns mit Nahrung zu versorgen und insofern wird das physiologische Bedürfnis nach Nahrung nur am Rande wahrgenommen. Auffällig wird dieses Bedürfnis erst, wenn es zu Störungen in der Kultur kommt: so hatte ich einmal einen Schüler, der zuhause kein Frühstück bekam und deshalb im Unterricht nur zappelte und kaum Aufmerksamkeit aufbringen konnte. Deshalb habe ich dem Jungen immer beschmierte Brote mitgebracht.
Anders formuliert: es mag ja sein, dass die Bedürfnispyramide ganz gut einen bestimmten Standard in unserer westlichen Kultur beschreibt. Aber sie kann zum Beispiel die Bedürfnisse von verwahrlosten Jugendlichen, neurotischen Personen oder Menschen aus fremden Kulturen nur sehr bedingt erfassen.
Insofern diese Bedürfnispyramide für mich auch nur ein Modell, um mich daran kritisch abzuarbeiten. Die Wirklichkeit bildet sie nicht ab.

Material, Fantasie und e-learning

Demnächst fängt mein Kurs "Fördererassistenz Schule" an. Ein Thema, um das ich mir große Gedanken mache, ist die Einbindung von Computerprogrammen als Lernhilfe. Ich bin von diesem Konzept nicht wirklich überzeugt. Natürlich werden wir unseren Teilnehmern auch das beibringen. Was in der Praxis üblich ist, sollten sie auch wissen.
Aus meiner eigenen Erfahrung im Unterricht konnte ich aber feststellen, dass der Computer und die darauf vorhandenen Programme vor allem deshalb so attraktiv sind, weil der Computer diesen Nimbus des "besonders wichtig" besitzt.
In dem Buch Sinn und Eigensinn des Materials I (von Petra Kathke, erschienen bei Cornelsen) finde ich folgende Argumentation:
"Bleibt abschließend die Frage, ob es nicht angesichts der neuen medientechnischen Konzepte, mit denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, einen Anachronismus darstellt, ein materialnahes Buch als Orientierungshilfe für die pädagogisch-ästhetische Praxis anzubieten. Mir scheint, gerade die auf Simulation von Wirklichkeiten gerichtete Medialisierung und die zunehmend eingeschränkten Gelegenheiten sinnlicher Materialerfahrung rechtfertigen einen solchen Entwurf. Die Bebilderungen der multimedialen Welt zeichnet sich durch schnelle Wechsel, vereinheitlichte Oberflächenwert und durch eine erschreckende Gleich-Gültigkeit von Belanglosem und Existenziellem aus. Programme ersetzen die tatsächliche Auseinandersetzung mit der Welt, Visualisierungen durch Mausclick die unmittelbare Begegnung." (13)
Psychologischer gesagt: um mir die Wirklichkeit in ihrer konkreten sinnlichen Gestalt erfassbar zu machen, brauche ich Modelle, wie ich mit dieser umzugehen habe. So ist zum Beispiel die Mathematik (sowohl die Geometrie, als auch die Algebra) ein wunderbarer Vorrat an Modellen und der Möglichkeit, die Wirklichkeit zu modellieren. Dazu brauche ich allerdings Material, das noch nicht durch die Vorgabe eines Computerprogramms auf den reinen Lernstoff zugeschnitten ist.
Hinter den Prozessen des wissenschaftlichen Systematisierens findet man immer eine Vielzahl ästhetischer Kleinstexperimente, will sagen: Abweichungen. Oftmals sind wir uns dieser ästhetischen Kleinstexperimente gar nicht mehr bewusst. Sie finden trotzdem statt. Je vielfältiger und je bewusster ich mit diesen umgehen kann, umso eher kann ich zu einer Systematisierung der Möglichkeiten eines bestimmten Materials oder einer bestimmten Disziplin kommen. Computer bieten diese Möglichkeit nicht: ein Programm kann nur das, was ein Programm kann. Will der Benutzer etwas ausprobieren, ist er meist durch die Programmierung verhindert.
Wer mit konkretem Material umgehen muss, erfährt sich selbst mit seinem ästhetischen Potenzial und muss zugleich einen Willen zur ästhetischen Gestaltung aufbauen. Computerprogramme dagegen führen die Benutzer viel zu eng entlang vorgegebener Prozesse. Vor allem können sich die Benutzer darauf verlassen, dass sie eng geführt werden. Damit ist das problemlösende Potenzial von Computerprogrammen wesentlich geringer als bei offenen Stoffsammlungen.
Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, ist aber ein wichtiger Bestandteil der Kreativität. Insofern spreche ich Lernprogrammen diese zentrale Wichtigkeit ab, die ihnen manchmal zugewiesen wird.

08.08.2012

Dragon Naturally Speaking 12.0

Die nächste Version von Dragon kommt am 16. August auf den Markt. Ich habe mir gerade das Upgrade gekauft. Es soll um 38% besser sein. Ich bin gespannt und werde berichten.
Was hatte ich alles mit diesem Programm anstellen wollen: jeden Tag zwei Artikel auf suite101, jeden Monat ein Buch. Pustekuchen! Ich frickele mich gerade mit den verschiedenen Darstellungen des Motivationsprozesses (Wille, Interesse, Bedürfnis, Aufmerksamkeit) durch die Philosophiegeschichte und die Psychologie.

06.08.2012

Das Undenkbare denken

"Unter diesen Umständen ist in der Tat das in den letzten Jahrzehnten ständig wachsende Ansehen der wissenschaftsgläubigen »brain trusters«, von denen die Regierungen sich beraten lassen, höchst beunruhigend. Gegen ihre Kaltblütigkeit, »das Undenkbare zu denken«, wäre kaum etwas einzuwenden, wenn man nur sicher sein könnte, dass sie überhaupt denken."
Arendt, Hannah: Macht und Gewalt, München 1970, S. 10

Max Raphael - Gesammelte Werke

Eigentlich hatte ich mir bis November ein Bücherkaufverbot erteilt. Jetzt aber habe ich bei Amazon eine neuwertige Ausgabe von Max Raphaels gesammelten Werken gefunden, für den halben Preis und dem konnte ich natürlich nicht widerstehen. Heute ist das Paket angekommen.