Eigentlich bin ich ja Mitglied eines bekannten Fitnessstudios Berlins. Nur habe ich dieses in den letzten Monaten reichlich wenig genutzt. Anfang dieser Woche hatte ich leichte Rückenschmerzen. Deshalb habe ich mich am Donnerstag mal wieder an den Geräten blicken lassen. Mit dem Erfolg, dass ich am Freitag nicht nur ganz üblen Muskelkater hatte, sondern auch meine Rückenschmerzen besonders schlimm waren. Mittlerweile geht es mir wieder hervorragend.
Gestern allerdings war ich etwas leichtsinnig: ich wollte zu Conrad fahren, weil diese gute Laminiergeräte haben. Mein altes ist letzten Herbst kaputtgegangen. Aber das Fahrrad fahren war dann doch eine rechte Qual, da meine Rückenmuskeln immer noch "verkatert" waren. Statt einer Stunde habe ich für den Weg doch fast zwei gebraucht.
Ruprecht Frieling hat mir sein neuestes Werk zugeschickt. Es wird ein Schreibratgeber sein, der vor allem thematisiert, wie Autoren ihre unbewussten Kräfte nutzen können. Wie gewohnt schreibt Ruprecht sehr eloquent. Bloß bei der Darstellung, was ein kreativer Prozess sei, kommen wir uns ziemlich ins Gehege. Ich mag diesen Begriff des "Unbewussten" durchaus nicht. Er impliziert, selbst wenn er sauber genutzt wird, ideologische Vorentscheidungen, die ich nicht mitmachen möchte. So wird in der modernen Kultur dieses Unbewusste gerne als ein Vorrat ungebändigter Phantasieprodukte vorgestellt. Doch damit wiederholt sich auf einer subjektiv symbolischen Ebene nur ein Platonismus. Der Mensch nimmt zwar nicht mehr Anteil an allgemeinen reinen Ideen; aber jeder Mensch besäße ein solches allerdings rein individuelles Potenzial, eine Art innerer Formensprache, die ihm vor jeder Erfahrung eigen sei.
Typisch hierfür ist die Verballhornung der Archetypenlehre von Carl Gustav Jung. Bei seinen Archetypen handelt es sich um verallgemeinerte Vorstellungsbilder. So ist die Anima das Bild eines guten weiblichen Begleiters. Doch es geht Jung nicht um die Anima als solche, sondern um ihre Position in Bezug auf anderer solcher Archetypen und in Bezug auf das "Selbstgefühl". In Kreativwerkstätten wird diese Archetypenlehre sehr gerne verdinglicht benutzt. Dort malen dann unbedarfte Hobbykreative ihre Anima. Dabei wird der reflexive und strukturelle Moment vergessen: nur in Bezug auf das Kernich entfaltet die Anima ihre Bedeutung; sie muss also weniger essentiell als differentiell gelesen werden.
Manche Menschen halten mich für zu kognitivistisch, also für einen Menschen, der zu sehr auf die intellektuellen Prozesse bedacht ist. Das ist so nicht richtig. Ich halte mich nur, was die emotional-motivationalen Prozesse angeht, stark zurück. Denn diese sind wesentlich schwieriger zu beschreiben als die rein kognitiven Prozesse. Sie sind auch schwieriger zu diagnostizieren. Das ist der eine Grund für meine Zurückhaltung.
Der andere Grund besteht darin, dass sich Kognitionen und vor allem Gedächtnisinhalte wesentlich rascher ändern lassen als emotionale Einstellungen. Deshalb sehe ich hier in der praktischen Arbeit einen Vorrang in der intellektuellen Beschäftigung. Dieser Vorrang ist allerdings tatsächlich nur ein rein praktischer, kein theoretischer. Ich halte es für unbestritten, dass ein Denken ohne Emotionen nicht möglich ist. Die Behauptung, jemand sei ein kühler Denker oder gar, jemand sei emotionslos oder ausschließlich rationalistisch, ist weder ein Lob noch ein Tadel, sondern schlichtweg eine verkürzte und damit falsche Beschreibung.
Ruprecht hängt hier, meiner Ansicht nach, zwischen einer guten Klärung und den Mythen der älteren Ratgeberliteratur fest. Auf der einen Seite weiß und spürt er die Mangelhaftigkeit dieser Darstellungen, aber er kommt nur halb von deren Begriffen los.
Für mich ist der schöpferische Mensch der vielseitig arbeitende Mensch. Dabei ist die Vielseitigkeit kein Wert an sich, sondern erst die Reibung, die aus dieser Vielseitigkeit entsteht. Jerome Bruner hat für diese Reibung den Begriff der "kognitiven Dissonanz" geprägt.
Es ist also gar nicht so schlecht, wenn jemand von kulturellem Inselchen zu kulturellem Inselchen hüpft, von der Wagner-Oper zu den Büchern Murakamis, vom Kochen zur Herstellung von Sandbildern, vom gemeinsamen Spieleabend mit Freunden zum einsamen Spaziergang durch die Natur. All dies erzeugt unterschiedliche Erfahrungsnester. Und diese Unterschiede führen zu neuen, abweichenden Betrachtungen.
Nicht das Unbewusste, sondern die Vielfalt der Erfahrung ermöglicht die individuelle und reichhaltige Kreativität. (Ein Problem, was gerade für Langzeitarbeitslose aber auch für Workaholics triftig ist: Beide machen zu wenig Erfahrungen auf unterschiedlichen Gebieten. Der Langzeitarbeitslose hat dafür kein Geld, der Workaholic keine Zeit. Beide "leiden" an einer Verarmung und Verflachung eigensinniger Prozesse und dadurch an einem Verlust der Individualität.)
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