24.10.2012

Erbarmungslosigkeit; oder: ein Problem mit den Allgemeinplätzen

»Wir haben jetzt keine Zeit, einer ängstlichen Frau die Erbarmungslosigkeit des Lebens zu erklären.« (143)
Ist dieser Satz an sich schon befremdlich doof, so offenbart er noch ein weiteres, deutliches Problem von ›Eisberg‹ (Cussler). Cussler versucht hier, eine Frau zu einem geschichtstragenden Moment zu machen. Mal quält er eine Konversation herbei, die offensichtlich lustig sein soll, es aber nicht im mindesten ist (89-93). Oder er versucht der Frau einen Anteil an der Handlung zu geben, entreißt ihr diese allerdings sofort wieder. Damit werden alle Szenen, in denen Frauen auftauchen, blass und erscheinen sogar stellenweise als dysfunktional für die Geschichte.
Über das Frauenbild des Autors muss man, glaube ich, nicht viele Worte verlieren: es ist schlichtweg dümmlich.
Viel dramatischer allerdings ist, dass Cussler versucht, eine völlig stereotype Figur mit einer Hauptrolle zu versehen. Stereotype Figuren allerdings eignen sich nur für Nebenrollen. Sieht man von Groschenromanen einmal ab (Jerry Cotton, John Sinclair).

Erzähltechnisch tritt für mich hier allerdings auch noch ein eng damit zusammenhängendes Problem auf. Anscheinend sind Allgemeinplätze tatsächlich ein wesentliches Mittel für den Spannungsaufbau. Allerdings sollten diese Allgemeinplätze thematisch mit der Hauptgeschichte zusammenhängen. Durch seine klischeehaften Äußerungen über Frauen verschiebt Cussler nun den Fokus in ein ganz anderes Gebiet und absorbiert damit gleichsam die Wirkung seiner spannungsaufbauenden Allgemeinplätze.
Zudem sind Cusslers Allgemeinplätze immer sehr grob gefasst, immer sehr direkt und platt in den Text hineingesetzt. Dadurch verlieren sie (meiner Ansicht nach) ihre suggestive Kraft. Ein Beispiel dafür ist folgende Stelle:
»Allein zu tauchen ist gefährlich, und jede Gefahr kann tödlich enden.« (128)
Vor allem der zweite Allgemeinplatz ist komplett überflüssig, weil zu den Allgemeinplätzen eines Thrillers automatisch dazu gehört, dass von einer tödlichen Gefahr erzählt wird.

Das sind erstmal grobe Rahmenbedingungen, wie Allgemeinplätze als Technik des Spannungsaufbaus funktionieren oder eben nicht funktionieren. Sie (die Allgemeinplätze) müssen hinreichend subtil sein, damit sie ihre suggestive Kraft entfalten. Sie sollten vor allem für das zentrale Thema bedeutsam sein und nicht zu viele Nebenschauplätze aufmachen. (Wer sich hier an den sehr schwammigen Formulierungen stört: das tue ich auch. Ich gebe eher eine Tendenz an, in welche Richtung für mich die Reise geht. Aber noch ist für mich der Sachverhalt so unklar, dass ich keine ordentlichen Begriffe anwenden möchte. Vor allem eignet sich das Ganze aber auch noch nicht zur Vermittlung: ich kann also noch keine wirklich handfesten Schreibtipps geben.)

Und noch eine hübsche Stelle, so als Abschluss:
„Pitt zuckte die Achseln. »Frauen sind eben rätselhafte Wesen.«
»Sie ist eigentlich noch zu jung für die Wechseljahre«, raunzte Sandecker.“ (126)

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