Ich wusste es. Ich hätte darauf wetten können! Mein Kommentar zu Adlon erregt die Gemüter. Übrigens in einem für mich meist positiven Sinne. Viele Menschen auf Facebook loben meine offenen, aber auch begründeten Worte.
Trotzdem möchte ich hier einen halben Schritt zurück gehen. Wissenschaftlich gesehen ist es nämlich völlig uninteressant, ob das Buch von Adlon nun gut oder schlecht geschrieben ist. Selbst in der Literaturwissenschaft (die ja einen gewissen „unwissenschaftlichen“ Ruch hat) beginnt man mit strikten, formalen Methoden, kommt dann zu systematischeren Zusammenhängen und erst dann folgt die „offizielle“ Interpretation und schließlich,wenn der Wissenschaftler überhaupt so weit gehen will, auch so etwas wie eine Wertung der literarischen Qualität. Ich hatte bereits in Bezug auf John Asht darauf hingewiesen, dass literarische Qualität eine äußerst fragwürdige Vokabel ist, und zurecht scheuen sich viele Literaturwissenschaftler davor, diese in den Mund zu nehmen. Nicht so der Alltagsmensch. Weshalb sich manchmal Alltagsmenschen und Literaturwissenschaftler so schlecht verstehen. (Ich sehe darin übrigens kein großes Drama: es ist doch durchaus erlaubt, dass man ein Buch mögen möchte und dies mit einer Beurteilung der literarischen Qualität vor der wissenschaftlichen Analyse erreicht. Man muss eben nur wissen, wo die Grenzen einer solchen Beurteilung liegen.)
Wie schwierig es ist, selbst einen kurzen Text zu bewerten, mag das folgende Beispiel zeigen. Dieser Kommentar zu meinem Artikel Ausgebucht könnte nämlich wörtlich oder ironisch gemeint sein. Ich bin mir da nicht so sicher, tendiere aber deutlich zu der ironischen Leseweise.
Boah.... Endlich ein gutes Buch, welches die Gemüter regt... Nu brauche ich nicht mehr nachzudenken, ob ich es kaufe :))) Habe ich da eine Perle entdeckt???? Hmmm....
Dieser Kommentar enthält keinerlei Erkenntnisurteile. Erkenntnisurteile sind die Basis des wissenschaftlichen Arbeitens und insofern ist dieser Kommentar, ob er ironisch oder wörtlich gemeint ist, keine wissenschaftliche Aussage.
Nun könnte man sagen: das ist schlecht. Ich dagegen möchte behaupten: es geht fast nicht anders. Denn die wissenschaftliche Aussage stützt sich immer auf Anschauungen. Der Literaturwissenschaftler muss zitieren, muss auf die einzelnen Wörter, auf die logischen Partikel der Sprache, usw. hinweisen und damit begründen, woher ihm die weiterführenden Aussagen, die er daraus folgert, kommen. Nun haben Texte allerdings das große Problem, dass es um deren Bedeutung geht. Und die Textbedeutung ist gerade nicht anschaulich, nicht sinnlich-konkret. Sinnlich-konkret sind die Buchstaben oder, wenn man es ganz deutlich machen will, die Druckerschwärze auf dem weißen Papier. Dadurch wird die literarische Interpretation zu einer gewissen äußerst windigen Angelegenheit.
Wenn sich allerdings die Interpretation nur mit großer Mühe durch Erkenntnisurteile unterstützen lässt, müssen wir uns fragen, wie wir sonst auf eine adäquate und akkurate Weise mit Literatur umgehen können. Das sind jedoch Fragen, die ich dem Alltagsmenschen nicht zumuten möchte. Sicher, für uns Literaturwissenschaftler sind diese wichtig; Alltagsmenschen haben gewöhnlich aber andere Dinge zu tun und deshalb für solche Fragen keine Zeit. Was völlig in Ordnung ist!
Der Kommentar, den ich oben zitierte, könnte wörtlich gemeint sein. Meiner Ansicht nach enthält er aber zu viele Ironiesignale. Die Ironie steckt jedoch in den Strukturen, zum Beispiel in den seltsamen, logischen Zusammenhängen der ersten beiden Sätze. Bücher, die Gemüter erregen, sind nicht automatisch gut. Und natürlich sollte man, bevor man ein Buch kauft, darüber nachdenken, ob man es wirklich kaufen möchte.
Andererseits sind manche Menschen mittlerweile so unmäßig in ihrer Selbstwerbung, dass dies von außen entweder wie die hohe Schule der Selbstironie oder aber einfach wie eine narzisstische Dummheit aussieht. Sofern man den betreffenden Menschen nicht genauer kennt, kann man das gar nicht entscheiden.
Zurück zu Andreas Adlon:
Ich rate nicht vom Kauf ab. Lesen ist eine Aktivität und ein Text, auch der Nutzen eines Textes, entsteht nicht im Text selbst, sondern in unserem Bewusstsein. Deshalb ist es auch völlig uninteressant, auf der rein abstrakten Ebene, ob Adlon „schreiben kann“. Es kommt vielmehr darauf an, wie Sie, als Leser, diesen Text nutzen wollen.
Anders sieht es aus, wenn Sie halbwegs intelligent und mit einer gewissen Sorgfaltspflicht des Autors gegenüber dem Leser unterhalten werden wollen. Dann empfehle ich das Buch von Adlon keinesfalls.
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