05.03.2009

Passiv dankbar

So, damit ist eine weitere nächtliche Sitzung mit Sabrina und Rena zu Ende. Wir haben uns in der Arbeit zu spezifischem Konsumentinnenverhalten fortbewegt (Frauen an sich kennen wir jetzt).
Alles in allem ist die Arbeit auch deshalb spannend, weil die gender theory deutlich Geschlechtsnormen und -typologien hinterfragt, während das gender marketing in einem Spannungsverhältnis dazu steht: auf der einen Seite ist der Wandel kultureller Geschlechter mit neuen Vermarktungschancen verbunden und, da Werbung mitprägend für diesen Wandel sein kann, das Marketing auf Diversifizierung eingestellt. Auf der anderen Seite aber will man natürlich Kundinnen binden. Und daraus resultieren wieder recht konservative Strategien.
Hier zugleich fördernd und hemmend zu agieren ist die große Herausforderung beim gender marketing. Sich nicht zu sehr von den Entkanonisierungsstrategien der aktiv-politischen gender practice, des queering beeinflussen zu lassen und diesen trotzdem Erkenntnisse und Tendenzen abzulauschen, eine andere Herausforderung.
Im Moment absorbiert mich noch dieses kognitive Spannungsfeld. Insgesamt finde ich dieses marktförmige Aufsaugen einer guten politischen Bewegung aber befremdlich.

Noch befremdlicher allerdings ist das gender mainstreaming, politisch durch das GGO § 2 (Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, vom 26. Juli 2000) verordnet, bzw. novelliert. Hier heißt es: "Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip und soll bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung in ihren Bereichen gefördert werden (Gender Mainstreaming)". Im Prinzip also nichts anderes als was das Gleichstellungsgesetz sagt und seit der feministischen Bewegung auch für die Ämterbesetzung gefordert wird.
Nichts Neues also unter der politischen Sonne, außer einem schicken, englischen Wort.

Doing gender dagegen bezieht sich auf das Neuerfinden von Geschlechtern. Jedem sein eigenes Geschlecht wäre hier die radikalste, von Gilles Deleuze und Félix Guattari ausgegebene Parole.

Zu meiner gender-Verfassung gehört derzeit, dass ich zwischen Rena und Sabrina sitze und mit Schnullern aus Weingummi gefüttert werde (ein Hund, wer Böses dabei denkt). Wir unterhalten uns - rein intellektuell - über gender marketing, lachen ein wenig, und ich tippe dabei die stilistischen Änderungen ein, die wir für sinnvoll erachten. Ab und zu setze ich ein Komma, ohne zu fragen.

Heute Abend, das heißt ja mal wieder, gestern Abend, hatte ich ein Telefonat mit Chris. Chris schreibt Geschichten, sehr novellistische übrigens, und liest diese ganz wunderbar vor.
Sie erzählte mir, dass sie sich mit einem Menschen zerstritten hat, dem sie vor einiger Zeit einen sehr wichtigen Kontakt vermittelt hat. Durch diesen Kontakt konnte dieser Mensch sich seinen beruflichen Wunschtraum erfüllen. Jetzt, beim Streit, erinnerte sie ihn daran, und dass er wenigstens ein bisschen Dankbarkeit zeigen könne, indem er sie auch mal ernst nehme.
Er sagte darauf, er sei ihr ja auch dankbar, aber rein passiv.
Hier kommt jetzt eine angemessen lange Pause, in der ihr euch wundern dürft.

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