Irgendwie war ich das ganze Wochenende rührig. In meiner neuerworbenen Mathematik-Didaktik habe ich das Kapitel Muster und Strukturen durchgearbeitet. Vor einigen Jahren habe ich mir mal eine Mathematik-Didaktik auf dem Flohmarkt gekauft, Verlag war Volk und Wissen, Veröffentlichungsjahr 1963. Überblättert man die ersten Seiten, das übliche (allerdings sehr lustlos geschriebene) Lob auf die Partei, ist das eine wunderbare Übersicht, wie man Kinder in den Zahlenraum und die Geometrie einführt. Mittlerweile sind aber weitere Bereiche zur Mathematik in der Grundschule hinzugekommen. Diese werden in meinem alten DDR-Buch nur am Rande behandelt, dort, wo sie sich mit den klassischen Bereichen berühren.
Raum und Ebene
Ein wichtiges Thema ist der Umgang mit Flächen, vor allem auch die Differenzierung von Flächen. Und ein zweiter wichtiger Aspekt dabei ist der Übergang in den Raum, also in die dreidimensionale Darstellung. Zufälligerweise habe ich das am Freitag bereits mit den Kindern trainiert. Ich wollte eigentlich erst nächsten Donnerstag damit beginnen. Aber am Freitag habe ich mit den Kindern noch einmal Mengenerfassung geübt, und dafür hatte ich mir aus Faltblättern Schachteln gefaltet. Die Kinder waren weniger daran interessiert, die Schachteln zu benutzen, als sie selber herzustellen.
An den mathematischen Aspekt hatte ich erst gar nicht gedacht, aber an den feinmotorischen, als ich daraufhin mit den Kindern Schachteln falten geübt habe. Besonders die letzten beiden Schritte, die Schachtel in die dreidimensionale Ebene klappen, hat den Kindern deutlich Mühe bereitet, sowohl von der Beherrschung einzelner Finger (man muss eine Falte mit den Zeigefingern in das Innere, während der Rest der Finger die Kanten festhält), als auch vom Vorstellungsvermögen: denn eigentlich ist der Schritt ganz einfach: man muss eben wirklich nur die Falten nach innen biegen; der Rest des Papiers folgt dann automatisch, aber das war den Kindern unklar; sie haben versucht, während sie noch nach der richtigen Faltung gesucht haben, gleichzeitig die Papierseite hochzuklappen, die sie gar nicht hätten bewegen müssen. Dadurch ist ihnen der letzte Arbeitsschritt komplett durcheinander gegangen.
Automatisierung
Für meine letzte Klasse hatte ich ein ganzes Paket mit Origami-Blättern bestellt gehabt. Diese habe ich, nachdem ich die Klasse verlassen habe, natürlich mitgenommen. Nun werde ich diese morgen meiner neuen Klasse zur Verfügung stellen.
Und vermutlich werde ich Ihnen immer wieder Gelegenheit geben, sich Schachteln zu falten. Insbesondere sind die Faltblätter auch sehr hübsch und eignen sich für die Aufbewahrung von kleineren und größeren Utensilien, insbesondere auch kleineren Mengen von gleichen Gegenständen, wie sie im Mathematik-Unterricht der zweiten Klasse häufig gebraucht werden.
Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum man solche Tätigkeiten häufig ausüben lassen sollte. Aus der Kognitionspsychologie kommt die These, dass durch eine Überautomatisierung aus einem interpretierten Muster ein interpretierendes Muster wird. Daran schließt sich die These an, dass Menschen, die zahlreiche interpretierende Muster besitzen, eine reichere Umwelt konstruieren können. Auch deshalb sollte man keine Angst vor der Wiederholung und vor der häufigen Wiederholung haben, auch als Erwachsener nicht.
Eine andere These, die im Zuge der Erforschung der Spiegelneuronen erstellt worden ist, ist, dass die motorischen Muster die Bildung höherer, kognitiver Muster besonders anregen, so dass man Kindern viel Erfahrung mit motorischen, bzw. praktischen Materialien bieten sollte.
Faltschachteln
In solchen Faltschachteln steckt schon eine ganze Menge grundlegender mathematischer Fähigkeiten. So wird ganz praktisch vom Quadrat der Mittelpunkt bestimmt, sowie das Schneiden zweier Linien. Ebenso wird die Parallele und die Einteilung einer Fläche erfahren. Zudem kann man, während man faltet, verschiedene Muster beobachten. In der Einteilung der Fläche steckt die Division durch 2. Schließlich ist die Schachtel selbst eine Aufteilung in vier gleiche Würfel.
Sobald man den Umgang mit dem Lineal eingeführt hat, kann man die Kinder die Schachtel abmessen lassen. Nimmt man als Ausgangspunkt ein Faltblatt von 10 cm Kantenlänge, entsteht eine Schachtel von dem Grundriss von 2 × 2 cm und der Höhe von 1 cm. Daran lassen sich relativ viele mathematische Probleme beobachten und zahlreiche Fragen stellen, zum Beispiel, wohin die 10 cm verschwunden sind.
Modellieren
Ein Thema, welches mich damals, als ich Lehrer für Naturwissenschaften ausgebildet habe, besonders begeistert hat, war das Thema des Modellierens. Dabei ging es darum, naturwissenschaftliche Formeln, aber auch mathematische Formeln aus der Umwelt herauszulesen oder in diese hineinzusehen. So sind wir zum Beispiel mit der ganzen Gruppe und mit Handys bewaffnet durch das Viertel von Berlin gezogen, in dem die Schule stand, und haben geometrische Figuren fotografiert. Oder wir haben anhand von praktischen Aufgaben (zum Beispiel der Fischzucht oder der Ampelschaltung) mathematische und physikalische Formeln angewendet.
Für mich war jetzt noch einmal wichtig, wie diese Grundlagen in der zweiten Klasse gelegt werden. Ich habe mir also die Lehrwerke gründlicher angesehen: tatsächlich kann man auch hier, über das Weiterführen von Ornamenten und Mustern, aber auch über das Sortieren nach unterschiedlichen Aspekten, Regelbildungen anregen.
Als Unterrichtsmaterial kann man zum Beispiel Plättchen basteln:
Das sind natürlich nur einige Möglichkeiten, die Plättchen zu gestalten.
Wenn man diese einlaminiert und hinten mit Klettband beklebt, lassen sie sich zum Beispiel auf einem größeren Stück Vlies immer wieder neu anordnen. Man kann dann, wenn man 120 Plättchen auf einem Raster verteilt, Linien und Quadrate aus gleichen Elementen entdecken (Hier sind vier Plättchen mit einem blauen Kreis nebeneinander! Hier ist ein Quadrat aus zwei mal vier Plättchen, auf denen die Hintergrundfarbe grau ist!).
Wie weiter?
Die Musterbildung und Regelbildung wird hier noch recht spielerisch praktiziert. Tatsächlich findet diese später aber ihre Anwendung zum Beispiel in der quantitativen Sozialforschung oder in der Informatik, insbesondere dann, wenn es um das Modellieren von Datensätzen geht. Es ist also nicht einfach nur eine ästhetische Spielerei; und tatsächlich schaffen es die Mathematik-Bücher, zum Beispiel das Lehrwerk Rechenwege oder auch Mathefreunde, nicht nur zu Musterbildung anzuregen, sondern diese auch zu problematisieren und nach weiteren, überlagernden Ordnungen zu fragen.
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