Deutschland bleibt weiterhin ein Rätsel. Während die einen von der großen Verschwulung sabbeln, präsentieren die anderen wenig stilsicher Vorzeigefiguren, die einem pubertären Comic entsprungen sein könnten; so Bambi-Bushido und so derzeit Xavier Naidoo. Was dieser auf dem European Song Contest zu suchen hat, ist mir jenes Rätsel, das paradigmatisch für Deutschland steht. Wobei ich diese Veranstaltung schon boykottiere, seit ich auf der Welt bin, ähnlich wie Naidoo, seit es ihn gibt. An die Zeit vorm einen oder anderen erinnere ich mich nicht. Passt also alles schon.
Matussek sagt Arschloch
Was mit Matussek los ist, lässt sich unschwer vermuten. Zu seinem theologischen Vakuum haben sich jetzt diverse andere Vakuen hinzugesellt. Dass die Natur vor dem absolut Leeren erschrecke, lehrte uns Aristoteles; doch was zum Teufel geht den Matussek die Natur an, wenn man so schön an Gott glauben kann und an die heilige Familie, sobald man sich auf jenes theologische Vakuum zurückzieht?
Matussek also beschimpft, so lässt sich lesen, seine Vorgesetzten, Jan-Eric Peters, seines Zeichens Chefredakteur der Welt, und Ulf Poschardt, dessen Vize, als „Arschlöcher“. Mittlerweile ist Matussek entlassen. Die Befindlichkeiten erhitzten sich an einem Smiley, welches Matussek hinter einen tweet setzte; darin orakelte er ein Umdenken in der Wertegemeinschaft Europas bezüglich muslimischer Menschen, kurz nachdem die Terroranschläge in Paris publik wurden. Das lachende Smiley sollte wohl eine Zustimmung ausdrücken oder eine Art Hoffnung; aufgefasst wurde das ganze als pietätslos.
Martenstein öffnet Grenzen für Hindus
Sehr geschmackvoll präsentiert sich auch mein guter Martenstein. Dieser öffnet die Grenzen für Hindus, allerdings in Costa Rica und auch nur hypothetisch. Und prophezeit, dass dann sogar das friedliche Costa Rica „explodieren“ würde. Seine Erklärung für dieses Beispiel zeugt dann von der hohen Kunst der Argumentation: „Die Menschen sind leider so.“
Überhaupt orakelt Martenstein in seinem Artikel recht viel: Helmut Schmidt hätte, so sagt er zu der sommerlichen Wende in der Flüchtlingspolitik, keinesfalls so gehandelt. Deutschland hieße jetzt Utopia. Und im letzten Absatz, der mit der Unterstellung von Lügen beginnt und mit Helmut Schmidt endet, wird von manchen geredet, die polarisieren, und von anderen, die ebenfalls polarisieren, von den einen, die den Bau der Mauer fordern oder rechtsradikal sind, und von anderen, die offene Grenzen für alle wünschen und das alles großartig finden. Wer das ist, man bekommt es nicht zu lesen. Aber es sind wohl „arme Teufel“. Die ganz anderen, die finden nicht statt. Es gibt wohl keine differenziertere Meinung in Deutschland, vor allem nicht für Martenstein. Man sollte manche Menschen ja auch nicht überfordern, warum also an viele Umstände denken, wenn zwei reichen, um einen Artikel zu schreiben? Eventuell sind diese Deutschen ja auch unter der Tarnung, verarmte Hindus zu sein, nach Costa Rica ausgewandert –, um dort zu explodieren.
Heinz-Christian Strache schneidet Parallelen
Noch so ein böser Bube ist Heinz-Christian Strache. Aus der Behauptung, Politiker würden bestreiten, dass der islamische Terrorismus mit dem Islam zu tun habe, zieht er den Umkehrschluss, der Islam habe mit dem islamischen Terrorismus zu tun. Leider, leider, leider, so muss man hier konstatieren, ist die Beziehung nicht ganz so einfach zu haben. Islam und Terror schließen einander nicht aus, sind aber auch nicht deckungsgleich. Der im Namen des Islam verübte Terrorismus illustriert nicht nur eine Möglichkeit, die im Islam vorhanden ist, sondern überhaupt eine Möglichkeit, die zahlreichen Religionen eignet; sogar die als ach so friedliebend geltenden Hindus haben es geschafft, eine faschistische Partei mit einer starken militanten Präsenz zu entwickeln.
Die Gemeinsamkeit zwischen all diesen Straftaten ist nicht die falsche Religion, sondern der Moment, in dem Religion dogmatisch wird. Diese Bedrohung teilt der Islam mit dem Christentum, der Konservatismus mit dem Feminismus, die Biologie mit der Semiotik.
Strache benutzt das schöne Wort „Parallelgesellschaft“. Tatsächlich gründen sich Kulturen auf einem seltsamen Mix zwischen Logik und Unlogik. Sie bilden seit je Parallelgesellschaften; und dort, wo sich diese Parallelgesellschaften berühren, entsteht natürlich Unruhe. Man könnte ja auch die Autoren der Jungen Freiheit als eine Parallelgesellschaft ansehen. Dass diese in einem etablierten Medium veröffentlichen, führt eventuell zu einer anderen Sicht, was deren demokratische Deutung und Duldung angeht, aber nicht unbedingt zu einer anderen Bewertung der Logik. Insofern ist Parallelgesellschaft ein recht nutzloser Vorwurf. In einer auf Pluralität gründenden Staatsform könnte er (der Vorwurf) sogar einem zentralen Staatsgedanken zuwider laufen.
Nein, ganz so böse ist Strache dann doch nicht. Er zeigt bloß mal wieder, dass die Logik nicht einfach nur darin besteht, Schlussfolgerungen richtig anzuwenden, sondern zunächst eine genügend große Menge an Argumenten zu sammeln, die mit dem betreffenden Phänomen zusammenhängen. Ansonsten gerät man allzu leicht in den Irrglauben, es gäbe in Gesellschaften eine Kausalität. Damit zeigt sich immer wieder der Irrsinn, dass jene Menschen, die von sozialen Kausalitäten faseln, auch jene Menschen sein können, die der Evolutionstheorie anhängen.
Naidoo und die Systemkritik
Naidoo behauptet, er würde das System kritisieren. Dabei scheint für ihn System zu sein, was ihm nicht behagt. Kritik allerdings habe ich von Naidoo, obwohl ich jetzt zahlreiche Internet-Artikel durchforstet habe, keine finden können; wohl aber die implizite Behauptung, er stünde auf der richtigen Seite. Kritik beruht auf einer Analyse. Die Analyse arbeitet zunächst die Merkmale, dann deren Gewichtung heraus; und eine Systemkritik müsste zunächst das System konkretisieren, und dann seine Funktionen, sowohl die produktiven wie die restriktiven, die progressiven und die regressives, in einen bewertenden Zusammenhang bringen. Von all dem ist bei Naidoo nichts zu lesen. Dafür gibt es viel esoterisches Geschwafel. Ein Stück des gesammelten Irrsinns findet sich hier: "Ich bin ein Rassist, aber ohne Ansehen der Hautfarbe."
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