Ein Buch habe ich mir mit in den Urlaub genommen, das ich höchst eigentümlich fand (aber ich vermutete dessen Nutzen): Schrödinger programmiert Java.
Kulturen
Nachbauen
Ich beschäftige mich immer wieder mit der Programmierung, einer Sache, die mir nicht nur aus Nostalgie nahegelegt wird, sondern weil ich sowohl die Sprache der Programme selbst als auch die Sprache der Lehrbücher interessant finde. Es gibt für mich viele Gründe, das zu tun. Gelegentlich genieße ich es, einfach auch mal ein funktionierendes Programm zu schreiben. Und gerade ist es mir tatsächlich gelungen, ein Fenster zu programmieren, in dem man in einem Textfeld einen Text eingeben kann, daraus einen ausgewählten Ausschnitt (oder mehrere) fett markieren kann und die Markierung auch wieder aufheben kann. Was als absurd einfacher Texteditor gelten könnte, ist für mich ein größerer Erfolg: ich habe verstanden, wie so etwas funktioniert.
Pathos des Dazwischen-Gehens
Einen anderen Grund, warum ich Java interessant finde, ist die Möglichkeit, von dort aus Ereignisse anders zu beschreiben. Tatsächlich legt gerade Java ein sehr dicht an unserer Wahrnehmung und unseren Handlungskonzepten orientiertes System an. Es ermöglicht damit, wenn man es als Denkprinzip nimmt, eine sehr enge und handlungsorientierte Arbeit am Material.
Und noch aus einem anderen Grund finde ich die Arbeit mit Java interessant: sie verändert den Blickwinkel auf bestimmte kulturelle Phänomene. Dazu habe ich, unter dem Titel Pathos des Dazwischen-Gehens vor einigen Jahren zu Roland Barthes Buch Das Reich der Zeichen folgendes notiert:
Man müsste so, am Rande der Rituale und der kulturellen Verschiebungen, seine Texte schreiben. Dies wäre ein Schreiben, das sich zwischen den Zusammenstoß zweier Ereignisse setzt und weniger die Empirie notiert, als den Pathos des Dazwischen-Gehens.
In gewisser Weise ist Java sogar eine sehr affektive Sprache.
Notieren
Die Frage, warum mich Java so beschäftigt, ist also eine kulturelle Frage. Das geduldige Nachzeichnen von Funktionsweisen bleibt für die Beschreibung von kulturellen Phänomenen auf jeden Fall nützlich. Zudem bietet es eine Syntax an, die relativ kurz und dabei übersichtlich ist.
(Ein Problem, das ich gerade bei der Didaktik des Lesens habe: man kann Texte auf sehr verschiedene Arten und Weisen lesen: aber wenn man hier einfach vom Text ausgeht, bleibt man unbestimmt: ein Text besteht aus vielen Schichten und erst der Blickwinkel bringt die eine oder andere Schicht an die Oberfläche: eine präzise Notierung erzwingt das Nachdenken über die Schicht, die man beim Lesen fokussieren möchte.)
Grafische Aufbereitung
Was mich an Schrödinger programmiert Java noch interessiert hat, war die grafische Aufbereitung. Ich hatte vor einigen Monaten das Buch Denken mit dem Stift vorgestellt. Das finde ich immer noch sehr anregend. Wenn ich das nun mit dem Aufbau des Java-Buches vergleiche, so ist das Java-Buch zu unruhig gestaltet. Es gibt zu viele Schrifttypen, zu viele Blickfänger, eine zu vielseitige Leserichtung (nicht nur von oben nach unten und gelegentlich wieder zurück, sondern eigentlich kreuz und quer). Auf der anderen Seite sind die Texte aber recht klar geschrieben und vor allem beginnen sie dann doch mit dem Wesentlichen (im Gegensatz zu den beiden JavaCore-Büchern).
Schrödinger programmiert Java
In achtzehn Kapiteln und auf 695 Seiten bietet dieses Buch also eine peppig aufbereitete Einführung in die Sprache Java. Von den grundlegenden Daten, dem Kontrollfluss und der Arbeit mit Strings arbeitet sich das Buch dann durch die Vererbung und Kapselung, komplexe Datensammlungen, der Speicherung und den Threads bis zur Programmierung von Windows und die Anbindung ans Internet durch.
Inhaltlich finde ich es gut: die Kapitel beginnen mit grundsätzlichen Hinweisen, die dann mit tiefergehendem Wissen erweitert werden. Die Texte selbst sind verständlich; allerdings sollte man sich gerade als Anfänger tatsächlich von vorne nach hinten durcharbeiten, da Fachbegriffe später nicht mehr erklärt werden. Ein rascher Blick in den Umgang mit Dateien hat mir gezeigt, dass ich mich erstmal vorher, in den vorausgehenden Kapiteln, aufhalten sollte: später habe ich dann verstanden, wovon der gute Mensch dort schreibt.
Was die visuelle Aufbereitung angeht, bin ich durchaus zwiegespalten. Auf der einen Seite finde ich die Seiten teilweise viel zu unruhig. Auf der anderen Seite allerdings sehe ich mir die Seiten dadurch anders an, sortiere mein bisheriges Java-Wissen neu und versuche es, an dieses Buch anzupassen; und dadurch bewegt sich dann tatsächlich etwas. Wie ich es eben jetzt geschafft habe, ein ganz rudimentäres Textverarbeitungsprogramm zu schreiben.
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