23.03.2015

Emulationslernen

Zimpels Buch Einander helfen hat mich, nachdem ich es jahrelang nicht mehr beachtet habe, auf das so genannte Emulationslernen gestoßen. Dies ist dem Imitationslernen insofern gegensätzlich, als hier nicht die Handlungen anderer Menschen imitiert werden, sondern die gleichen Leistungen angestrebt werden. Bei der Imitation wird ein Mensch nachgeahmt, bei der Emulation versucht ein Mensch ein gleiches Produkt herzustellen.
Beispielhaft ist das Zeichnen von Mangas, welches meine Schüler sehr gerne machen. Hier wird nicht die Tätigkeit des Zeichnens übernommen, sondern das Anfertigen eines bestimmten Bildes. Ich ermutige meine Schüler dazu, dasselbe Bild mehrfach zu zeichnen. Ich weise sie auf bestimmte Aspekte hin und zergliedere so ein Bild mehr und mehr in Teilziele. Dies scheint mir eine hauptsächliche Leistung des Emulationslernens zu sein: anhand einer Ganzheit schafft sich der Lernende nach und nach Teilschritte, durch die er sich die Aufgabe erleichtert.
Einen ähnlichen Effekt, so scheint es mir, haben meine Wochenfragen; diese sind teilweise „zu schwer“ (im neueren pädagogischen Jargon heißt dies: überkomplex). Die Schüler arbeiten sich nach und nach an die Verfertigung solcher Texte heran. Texte haben oftmals auch gar keine andere Möglichkeit, als sich in ihrer gesamten Komplexität darzustellen. Schon einfache Sätze können, will man sie analysieren, so vielschichtig sein, dass eine Reduktion auf Ausgangsabstraktionen fachlich kaum zu rechtfertigen ist.
So haben letzte Woche einige meiner Schüler, zum zweiten Mal, zu einem satirischen Bild geschrieben. Dazu habe ich dann individuelle Antworten verfasst, die zum größten Teil auf die rhetorischen Mittel abzielen, insbesondere der Frequenz (also der Häufung eines bestimmten stilistischen Mittels). Individuell sind die Antworten übrigens auch deshalb, weil jeder Schüler eine andere Art der Problemlösung gezeigt hat, so dass man vielleicht zu einem einheitlichen Ziel kommen könnte (was ich bei so komplexen Phänomenen wie der Satire allerdings bezweifle), jeder Schüler aber einen individuellen Ausgangspunkt und dadurch auch einen individuellen Lernweg besitzt.

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