"Alle materiellen und intellektuellen Kräfte, die für die Realisierung einer freien Gesellschaft eingesetzt werden können, sind da. Dass sie nicht für sie eingesetzt werden, ist ausschließlich der totalen Mobilisierung der bestehenden Gesellschaft gegen ihre eigene Möglichkeit der Befreiung zuzuschreiben."Marcuse, Herbert: Das Ende der Utopie
Was Marcuse hier totale Mobilisierung nennt, findet sich bei Marx als das Spannungsverhältnis zwischen sinnlicher Basis und ideologischem Überbau. Neulich habe ich irgendwo gelesen (ich glaube, bei Antje Schrupp), dass unser politisches Denken immer noch vom Bild des religiösen Führers geprägt wird. Dieser Gedanke war mir sofort einleuchtend. Der Kampf im politischen Denken der letzten zwei Jahrhunderte gilt auch der Auflösung dieser Verbindung. Man denke nur an Nietzsche, der sich so heftig gegen die Bevormundung der Menschen durch die Religion, bzw. deren Protagonisten gewehrt hat und ihren Metaphern doch so verfallen ist.
Vielleicht sollte ich hier wieder mal Derridas Politiken der Freundschaft lesen (in Abweichung zur offiziellen Übersetzung stelle ich die Mehrzahl der Politik, wie im französischen Original, heraus). Denn die Opposition zwischen (politischer) Freundschaft und Feindschaft scheint sich von einem ausgeschlossenen Dritten abzuleiten (soweit ich mich erinnere), deren Aporie darin besteht, Identität zu sein, aber darin beständig hin und her zu changieren. Dieses ausgeschlossene Dritte, in der binären Logik, ist sowieso schon ein unmögliches Ding, wenn es trotzdem an der Konstitution beteiligt ist, eben ein paradoxes Element.
Diese Nicht-Identität der Identität drückt sich dann auch in zahlreichen und scheinbar heterogenen Bestimmungen aus: mal als Freund, mal als Bestie. Besonders bezeichnend aber ist, dass das Gespenst angeführt wird. Das Gespenst sei, so Brittnacher in seiner Ästhetik des Horrors, deshalb eine so bürgerliche Horrorfigur, weil sie keine Gestalt und damit keine Identität habe. Es gleicht dem unbekannten Mörder und wie der unbekannte Mörder durch eine Kette von Syllogismen dingfest gemacht werden kann (zumindest bei Poe und Doyle), so wird im klassischen Gespensterroman die Ursache des Spukens oft deduktiv erschlossen. Man muss sich fragen, ob diese ausgeschlossene Figur, die den Diskurs von Freund und Feind heimsucht, nicht auch die heimliche Gleichsetzung des religiösen Führers als Gespenst beinhaltet, als desjenigen, der seine Identität momenthaft ändern darf (in Form eines religiösen Privilegs).
Das Gespenst scheint mir auch in dem Kapital, bzw. der Ökonomie zu stecken: mal ist sie Heilsbringer und Wohlstandsvermehrer, mal Schreckteufel und Sorgenkind. Dass es eine Ökonomie jenseits der herrschenden Ökonomie geben könne, scheint den wenigsten in den Sinn zu kommen. Insofern scheinen die religiösen Figuren vor allem in die politisch-ökonomischen Protagonisten abgewandert.
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