Mittlerweile beschäftige ich mich seit fast einer Woche dem Begriff der Aufmerksamkeit in Czikszentmihalyis berühmtem Buch Flow. Und natürlich allem drumherum, was in diesem Buch passiert.
Im Prinzip ist es eine recht umwegige Weiterführung meiner Auseinandersetzung mit Dewey. Dessen Begriff des Interesses habe ich erstmal auf Eis gelegt.
Zunächst muss man bei Czikszentmihalyi die Aufmerksamkeit und was ihre grundlegenden Merkmale sind, im ganzen Buch zusammensuchen. Die Aufmerksamkeit sei die Fähigkeit, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Schon diese Formulierung ist unglücklich bis falsch. Denn nicht die Informationen an sich sind wichtig und nicht deshalb richte ich meine Aufmerksamkeit auf sie, sondern dadurch, dass ich (mit Hilfe meiner Aufmerksamkeit) die Informationen wahrnehme, werden sie wichtig.
Czikszentmihalyi argumentiert hier wie damals Lamarck mit der Giraffe. Er schrieb damals, die Giraffe habe sich einen langen Hals wachsen lassen (ich bin jetzt etwas sehr verkürzt und deshalb karikaturhaft), um an die oberen Blätter der Bäume heranzukommen. Darwin hat dagegen eingewendet, dass eine natürliche Variation bei den Urgiraffen diejenigen Tiere bevorzugt hat, die einen längeren Hals besaßen und so im Laufe der Zeit eine bestimmte Lebensform sich herausbilden konnte. Nicht das Ziel bestimmt die Form, sondern die Form erfährt nach und nach eine mehr oder weniger günstige Verschiebung.
Und ebenso ist es mit den Informationen in der Aufmerksamkeit. Nicht, weil die Informationen wichtig sind, sondern weil die Aufmerksamkeit sie wichtig macht, sind wir für sie aufmerksam.
Auch an anderen Stellen hat Czikszentmihalyi durchaus große Probleme mit seiner Darstellung. So schreibt er zu einem Mann namens R., dieser sei sich seiner Aufmerksamkeit und der Kontrolle seiner Aufmerksamkeit voll bewusst. Tatsächlich aber deutet er dann am Rande an, dass dieser Mann durchaus in gedankliche Suchprozesse verstrickt ist (Seite 52).
Doch ähnliche Prozesse sind auch wiederum schlecht, laut dem Autor (Seite 57).
Sehr häufig wird die Aufmerksamkeit als einer der wichtigsten Bestandteile im planenden und produktiven Arbeitsprozess dargestellt. Es gibt aber auch einige Darstellungen, die fast genau das Gegenteil zeigen, also eine Aufmerksamkeit in der vita activa und eine in der vita contemplativa.
So wird dieser Begriff der Aufmerksamkeit und damit die ganze Theorie des Flow immer problematischer, je genauer man sich mit ihr befasst. Sie ist auf immanenten Widersprüchen aufgebaut.
Genauso problematisch ist allerdings, dass manche Begriffe vorwiegend metaphorisch genutzt oder definiert werden. Dies passiert zum Beispiel mit allen "unschönen" Gefühlen. Zwar ist dieses Buch vor allem über "positive" Gefühle und hier ist Czikszentmihalyi etwas präziser. Aber auch bei einem populärwissenschaftlichen Buch sollte man sich um eine möglichst präzise Darstellung der Begriffe kümmern.
Hier gefällt mir Dewey im Kontrast sehr gut. Da bei ihm die Problemorientierung im Mittelpunkt des Denkens steht, sich also Denkprozesse entlang von anstehenden Problemen entwickeln, kommt er gar nicht auf die Idee, wie das bei Czikszentmihalyi gerne mal durchscheint, das Bewusstsein als eine Art Materie zu erläutern.
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen