07.04.2009

Noch da II (erzählendes Schreiben)

3. Seit einigen Wochen bin ich auch wieder intensiv am Schreiben fiktiver Geschichten.

Fast das gesamte letzte Jahr habe ich mich mit kleinen Geschichten, Erzählungen auseinandergesetzt. Grund dafür war, dass erstens einige meiner Lieblings-Kinderbuchautoren, Roald Dahl, Otfried Preußler, Christine Nöstlinger, Astrid Lindgren, ihre Romane in Form von Kurzgeschichtenketten schreiben. Nicht ganz, denn meist gibt es Verbindungen, Übergänge, so dass die Kurzgeschichten Episoden in der großen Geschichte werden.
Trotzdem ist hier eine Trennung zwischen den Episoden und der Geschichte deutlich. Kai Meyer finde ich dann am besten, wenn er solche Episoden schreiben kann. Und er ist furchtbar, wenn ihm solche Grenzen verwischen.
Also habe ich mir ein rigoroses Übungsprogramm aufgestellt gehabt. Jeden Tag mindestens eine Kurzgeschichte zu plotten. Einleitung, Durchführung, Abschluss. Personencharakterisierung.
Dies habe ich seit etwa November ruhen lassen, weil ich mich vor allem um Krimis gekümmert habe. Derzeit nutze ich meine alten Plots, aber auch neue, um einfach wieder zu schreiben. Nichts großes, nur als Fingerübung, neben dem Krimi, an dem ich arbeite.
 
Übrigens habe ich zu dem Ineinanderschachteln von Romanen zu Episoden neulich auf dem Blog Schriftsteller-Werden.de eine etwas überamerikanisierte Darstellung der nämlichen Struktur gefunden, unter dem Begriff der Schneeflocken-Methode. Die Schneeflocken-Methode besteht im Prinzip darin, dass die Struktur von Einleitung, Hauptteil, Schluss für jeden einzelnen Teil wieder verwendet wird, so dass aus dieser Dreiteilung im zweiten Schritt folgendes Schema entsteht:
Einleitung (Einleitung, Hauptteil, Schluss), Hauptteil (Einleitung, Hauptteil, Schluss), Schluss (Einleitung, Hauptteil, Schluss)
Und natürlich kann man jetzt diese weiter einteilen, je nachdem, wie umfangreich und komplex die Geschichte werden soll:
Einleitung (Einleitung (Einleitung, Hauptteil, Schluss), Hauptteil (...)), usw.
Das Problem dieser Methode dürfte aber rasch auf der Hand liegen. Eine solch schematische Darstellung erzeugt zu viel Monotonie. Zudem fallen Übergangsszenen aus dem Schema heraus und auch Alltagsszenen.
Übergangsszenen sind Szenen, die vor allem den Leser orientieren. Die Helden sitzen im Auto und fahren von Ort A nach Ort B. In solchen Szenen findet man erstens eine Reflexion auf das bisher erlebte und Überlegungen zu dem Kommenden, vor allem aber werden Ortswechsel deutlich gemacht. Sie haben also keine dramatische Funktion, sondern eher eine didaktische. Fehlen solche Szenen, wirken die Geschichten gehetzt und meist auch die Charaktere farblos.
Alltagsszenen sind gerade dadurch wichtig, weil sie nicht unmittelbar in die Geschichte gehören. Sie kontrastieren zu dieser, schaffen "idyllische Momente", charakterisieren die Welt, in der die Helden leben und diese Helden selbst. Auch sie orientieren den Leser. Vor allem schaffen sie Identifikationen zwischen Held und Leser.

Um seine einzelnen Figuren in einem Roman auszugestalten, empfehle ich auch, zu diesen Kurzgeschichten zu schreiben. Mein Kommissar im Krimi hat hier einige solcher Geschichten ebenso auf den Leib geschrieben bekommen, wie andere, teilweise sogar nebensächliche Figuren.
Dieses Ausarbeiten von kleinen Nebengeschichten, Kurzgeschichten, die zunächst nichts mit dem Krimi zu tun haben müssen, hat mehrere Vorteile. Zum einen muss man den Hintergrund der Figuren genauer beleuchten, zum zweiten übt man das Schreiben, und drittens schafft man sich eine Ausgangsbasis für weitere Geschichten, ohne dass man das Setting vollkommen neu erfinden muss.
Wäre ich Amerikaner, würde ich dies die Comédie-humaine-method nennen. Die Comédie humaine ist mehr oder weniger das Gesamtwerk von Balzac, dem französischen Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert. Er hat seine Romane immer um einige wenige Hauptfiguren herum geschrieben, doch tauchen Hauptfiguren aus dem einen Roman als Nebenfiguren in einem anderen wieder auf. So spinnt sich im Hintergrund ein dichteres, soziales Netz.
Dies als Technik, zumindest in groben Zügen, nutze ich für mein derzeitiges Schreiben. Dass ich mit Kurzgeschichten mittlerweile viel Erfahrung habe, hilft mir natürlich.



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