Zu den Dingen, welche einem vornehmen Menschen vielleicht am schwersten zu begreifen sind, gehört die Eitelkeit: er wird versucht sein, sie noch dort zu leugnen, wo eine andre Art Mensch sie mit beiden Händen zu fassen meint. Das Problem ist für ihn, sich Wesen vorzustellen, die eine gute Meinung über sich zu erwecken suchen, welche sie selbst von sich nicht haben – und also auch nicht „verdienen“ –, und die doch hintendrein an diese gute Meinung selber glauben. Das erscheint ihm zur Hälfte so geschmacklos und unehrerbietig vor sich selbst, zur anderen Hälfte so barock-unvernünftig, dass er die Eitelkeit gern als Ausnahme fassen möchte und sie in den meisten Fällen, wo man von ihr redet, anzweifelt.Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse, S. 212 (KSA V)
Dies habe ich schon lange nicht mehr gelesen; mich erinnert das gerade sehr an meine Ex-Frau, wie sie vor mir herum getänzelt ist, nachdem sie ihr Diplom in Kriminologie erworben hatte, und meinte, sie hätte es geschafft. Im Nachhinein kann ich darüber nur lächeln. Damals fand ich es ziemlich beleidigend: für meine Hilfe habe ich kein einziges Dankeschön bekommen, und was habe ich geholfen! Der theoretische Kernbau der Arbeit, die systemtheoretische Betrachtung, stammt gänzlich von mir; und was ich am Rest der Arbeit herumgeflickt habe! Ich weiß nicht, wie viele Zitate ich nicht wiedergefunden habe, die sie in den Fußnoten aufgeführt hat. Da ist ihr ganz grundlegend etwas durcheinander gelaufen. Einige wenige habe ich dann noch gefunden, die meisten habe ich ersetzt (ich habe damals noch nicht meinen elektronischen Zettelkasten geführt, der mir dabei wahrscheinlich wesentlich bessere Dienste geleistet hätte).
Nietzsche und die Frauen
Dazu ist ja nun vielerlei geschrieben worden. Seltsam dabei ist, dass Nietzsche mit einigen führenden Frauenrechtlerinnen (insbesondere Malwida von Meisenbug) befreundet war. 1874 stimmte Nietzsche als Einziger für die Zulassung der Frauen zum Doktorat (eine Tatsache, die meiner Ex-Frau auch heute wohl wenig nützen würde: Trotz eines zweijährigen Stipendiums und eines Fahrplans, den ich ihr 2006 auszuarbeiten geholfen habe, um nicht zu sagen abgenommen habe, ist sie weiterhin nur „wissenschaftliche Mitarbeiterin“).
Dann gibt es da noch diesen Spruch: „Du gehst zum Weibe? Vergiss nicht die Peitsche!“ – Die Frage, die eigentlich nicht gestellt wird, ist, wer die Peitsche dann benutzt. Zumindest gibt es hier eine schöne Fotografie, die Friedrich Nietzsche und Paul Rée einen Leiterwagen ziehend zeigt; auf dem Leiterwagen kniet Lou von Salomé, mit einer Peitsche in der Hand; allerdings ist die Peitsche mit Flieder geschmückt.
Der „Sklave“ im Blute des Eitlen
Es ist „der Sklave“ im Blute des Eitlen, ein Rest von der Verschmitztheit des Sklaven – und wie viel „Sklave“ ist zum Beispiel jetzt noch im Weibe rückständig [und man höre hier bitte das Wort Rückstand im Zusammenhang mit dem Wort Atavismus]! –, welcher zu guten Meinungen über sich zu verführen sucht; es ist ebenfalls der Sklave, der vor diesen Meinungen nachher sofort selbst niederfällt, wie als ob er sie nicht hervorgerufen hätte. – Und nochmals gesagt: Eitelkeit ist ein Atavismus.Ebd., S. 214
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