08.12.2015

mein Herz mein Zimmer mein Name – und Flüchtlingsobergrenzen

mit Kant wäre dies nicht passiert
Ich bin mein eigenes Deutschland. Dieses Gefühl beschleicht mich gelegentlich, und dann denke ich mir dabei, dass mit mir wohl kein Staat zu machen wäre, zumindest kein regierbarer. Grund genug um Deutschland zu lieben habe ich jedenfalls. Stolz will trotzdem nicht in mir aufkeimen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass diejenigen, die Deutschland so vehement als Kulturland verteidigen, diejenigen sind, mit denen ich mich gerade über deutsche Kultur nicht unterhalten wollte. Wir reden da, glaube ich, von sehr unterschiedlichen Kulturen. Es ist mein Herz, es schlägt in meinem Zimmer, es schlägt in meinem Namen. (Ich liebe Friederike Mayröcker. Ich kann sie immer noch nicht interpretieren; da ist einfach zu viel Pathos und zu wenig Distanz.)

Doofe Parteipolitik: Nahrungsgrenzen

Höcke (AfD) und Gauland (AfD) setzten, so weiß die Welt zu berichten, „nicht nur die eigene Parteispitze, sondern vor allem auch die Union unter Druck. Auf dem CSU-Parteitag am Wochenende begründete etwa Parteichef Horst Seehofer seine Forderung nach Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen unter anderem mit dem Erfolg der AfD. Die Union dürfe der rechten Konkurrenz keine Nahrung geben.“
Was das denn für ein Argument sei, muss man sich fragen: das ist doch ganz eindeutig kein sachliches, sondern nur ein parteipolitisches Argument, keines, was den Flüchtlingen gerecht wird, keines was den deutschen Staatsbürgern gerecht wird. Hier wird die Flüchtlingsobergrenze missbraucht, rhetorisch missbraucht: es gibt keine direkten Argumente gegen die Politik der AfD, also übernimmt man ihre Position, brandmarkt die AfD als mehr oder weniger „irgendwie“ inakzeptabel, und dass man ein Recht habe, ihnen die Wähler wegzunehmen.

Metapher: das Büffet

Gelegentlich taucht in politischen Reden eine Metapher auf, die auf das semantische Feld der Luxusnahrung, des fruchtbaren Ackers und der auf ihm wachsenden Früchte verweist. Offensichtlich ist das Parteivolk oder Wahlvolk so etwas wie gut platzierte Häppchen auf einem Frühstücks-Büffet. Schlemmen statt reden. Wer war hier noch mal der Schmarotzer?
Aber nein, im Ernst: ich habe jetzt noch nicht die Rede von Horst Seehofer gelesen, und hier wäre es ja vielleicht ganz interessant, ob er nicht tatsächlich auch einiges Stichhaltiges für eine Flüchtlingsobergrenze genannt hat, etwas, was man vielleicht sachlich diskutieren müsste; es mag also durchaus wieder mal eine journalistische Verengung sein, die hier den Ton angibt (Pirinçci lässt grüßen). In gewisser Weise kann ich es auch verstehen: mich würde ja interessieren, ob jemand durch sachliche Begründung zu einer Meinung kommt, ob also eventuell die CSU zwar zu dem gleichen Ergebnis wie die AfD kommt, aber vielleicht aus einer differenzierteren, mit besseren Argumenten versehenen Position heraus. Das würde ich durchaus als einen Vorteil ansehen. Aber das bessere, differenziertere Argument ist wohl kein Kriterium, nach dem die meisten Menschen wählen gehen.
So aber sieht das ganze tatsächlich danach aus, als würden die Anhänger der CSU (und kurz darauf auch der SPD und der Grünen) nicht für sachliche Argumentationen zugänglich sein, oder als hätten diese Parteien keine sachlichen Argumentationen, oder als seien sie nicht stolz genug darauf, mit diesen sachlichen Argumentationen tatsächlich auch in die Öffentlichkeit zu treten.
Viel schlimmer aber finde ich an einer solchen Argumentation, dass sie so tut, als hinge das Wohl und Wehe von Flüchtlingen in Deutschland von einer Position ab, die die AfD vertritt. Und egal, was man dazu nun noch zu sagen habe, müsse man eben auch diese Position einnehmen. Die AfD mag verlieren, die Position selbst bleibt, wie begründet oder unbegründet auch immer, stark.

Keine Kommentare :