Ankündigung
Hiermit eröffne ich meine Artikelserie zu Judith Butler. Entschlossen habe ich mich eigentlich schon letztes Jahr dazu, als Butler den Adorno-Preis bekommen hat. Die Unbelesenheit und Unkultiviertheit, mit der hier vor allem von gewissen Männern aus argumentiert wurde, hat mich ziemlich entsetzt. Man sollte demjenigen, den man kritisiert, wenigstens in seinen Werken eine gewisse Gerechtigkeit zukommen lassen. Und dazu gehört nun einmal, gerade wenn man mit Philosophie argumentiert, ein qualitativ angemessenes Lesen.
Es ist also auch eine Artikelserie für all diejenigen, denen bisher Butler suspekt war. Bei manchen Menschen fürchte ich bloß, dass ich damit auf taube Ohren stoße. Die Artikelserie wird nach und nach Aspekte aus den Büchern von Butler vorstellen. Da sie sozusagen eigenständig ist, bekommt sie ein eigenes Label namens Butlerserie.
Es ist also auch eine Artikelserie für all diejenigen, denen bisher Butler suspekt war. Bei manchen Menschen fürchte ich bloß, dass ich damit auf taube Ohren stoße. Die Artikelserie wird nach und nach Aspekte aus den Büchern von Butler vorstellen. Da sie sozusagen eigenständig ist, bekommt sie ein eigenes Label namens Butlerserie.
Meine Position zu Butler
Ich kann die Aufregung um Butlers Werk nicht verstehen. Selbstverständlich ist jedes Werk kritisierbar. Zunächst aber sollte man nachzeichnen, mit welchen Schwerpunkten und mit welchen Quellen und Vorbildern ein Mensch argumentiert. Und hier steht für mich bei Butler nicht der Feminismus oder gender im Mittelpunkt (obwohl diese wichtig sind), sondern die Beziehung zwischen einem Sprechakt und den Machtverhältnissen innerhalb einer Gesellschaft.
Das ist nicht nur ein Schwerpunkt, der meinem Interesse geschuldet ist, dass Machtverhältnisse sich vielfältig kreuzen und eben nicht nur aus sexuellen, sondern auch aus ökonomischen, politischen und anderen Machtverhältnissen bestehen.
Ansonsten finde ich, dass Judith Butler kenntnisreich und unaufgeregt argumentiert. Ich kann sie also empfehlen.
Ich beginne zunächst mit dem Buch Das Unbehagen der Geschlechter, aus dem ich mit Seitenangabe zitiere. Alle anderen Quellenangaben gebe ich mit Namen an, Seitenzahl und zitiere die Quelle am Ende des Artikels.
Das ist nicht nur ein Schwerpunkt, der meinem Interesse geschuldet ist, dass Machtverhältnisse sich vielfältig kreuzen und eben nicht nur aus sexuellen, sondern auch aus ökonomischen, politischen und anderen Machtverhältnissen bestehen.
Ansonsten finde ich, dass Judith Butler kenntnisreich und unaufgeregt argumentiert. Ich kann sie also empfehlen.
Ich beginne zunächst mit dem Buch Das Unbehagen der Geschlechter, aus dem ich mit Seitenangabe zitiere. Alle anderen Quellenangaben gebe ich mit Namen an, Seitenzahl und zitiere die Quelle am Ende des Artikels.
Deklarativ und Performativ
Gleich zu Beginn erzählt Butler eine Anekdote aus ihrer Kindheit:
„Im herrschenden Diskurs meiner Kindheit galt »Schwierigkeiten machen« als etwas, das man auf keinen Fall tun durfte, und zwar gerade, weil es einen »in Schwierigkeiten bringen« konnte.“ (Seite 7)
Worauf Butler hier anspielt, ist die Unterscheidung zwischen deklarativen und performativen Sprechakten. Der deklarative Sprechakt trifft eine Aussage, die entweder wahr oder falsch sein kann. Der performative Sprechakt dagegen macht "irgendetwas". Um diese Form des Sprechaktes zu verstehen, nutzt man gerne die Heirat und hier den Satz „Ich erkläre euch zu Mann und Frau!“ Damit wird keine Wahrheit ausgedrückt, sondern ein Zustand geändert. Dieser Sprechakt ist handelnd.
Diese Unterscheidung geht auf den englischen Philosophen John Austin und seine Vorlesungsmitschrift „How to do things with words“ zurück. Allerdings ist diese Unterscheidung rasch und vielfach kritisiert worden. Man kann sich das zum Beispiel an dem Satz „Sie haben schöne Schuhe an.“ deutlich machen. Wenn ich das zum Beispiel zu einem Kollegen während der Arbeitszeit sage, wird dieser den nicht als deklarativen Sprechakt verstehen, also in seinem Bezug zur Wahrheit. Der Kollege weiß, dass er Schuhe trägt. Er wird sich eher fragen, warum ich dies zu ihm sage. Damit aber versteht er diesen Sprechakt, der zunächst rein deklarativ erscheint, als Performativ und als Handlung, auch wenn er nicht weiß, worauf diese Handlung hinauslaufen soll.
Wir treffen also auf ein rein praktisches Phänomen: ob ein Sprechakt performativ ist oder nicht, entscheidet nicht der Sprecher, sondern der Hörer. Zudem sind wir so in die Überzeugung eingebunden, dass Handlungen immer einen Zweck haben, dass ich daran zweifle, ob wir überhaupt in der Lage sind, einen Sprechakt nicht als performativ wahrzunehmen.
Dasselbe Phänomen kann man übrigens an einer Diskussion deutlich machen, die in den letzten zwei Monaten stark in den Medien verbreitet war und diskutiert wurde. Es geht um den Sexismus-Vorwurf gegen Rainer Brüderle. Dieser hatte einer Journalistin gesagt, sie würde gut in ein Dirndl passen. Die Journalistin hat dies aber nicht (nur) als Tatsache gehört; im Gegenteil: das genau scheint sie gar nicht interessiert zu haben. Dagegen hat sie es als eine Anmache verstanden; Anmachen bestehen aus performativen Sprechakten: man möchte jemanden dazu bringen, ihm nachzugeben.
Klar muss allerdings auch sein, dass performative und deklarative Sprechakte gleichzeitig vorkommen: Sie haben immer einen Letztrest an Information oder Handlung.
Es ist diese Unentschiedenheit zwischen den beiden Formen des Sprechaktes, deren Einsätze immer wieder, auch situativ, verschoben werden. Ob ich zu dem Kollegen oder dem Chef sage: „Ich habe meine Arbeit erledigt!“ soll trotz gleicher Information wahrscheinlich etwas verschiedenes bewirken und bewirkt auch etwas Verschiedenes.
Dieses zunächst recht magere Ergebnis wird bei Butler eine große Rolle spielen. Denn nicht nur kritisiert sie hier das Fundament der Unterscheidung zwischen performativem und deklarativem Sprechakt, sondern sie wird auch immer wieder die Situation, in der dieser Sprechakt passiert, untersuchen. Zudem wird sie die fehldeutenden Einsätze der Sprechakte kritisch begutachten, zum Beispiel dort, wo ein Sprechakt als rein deklarativ betrachtet wird oder so getan wird, als gehöre er nur einer bestimmten Handlungsschicht an.
Das wird auch besonders wichtig, wenn es um das Menschenbild, bzw. die Identitätsvorstellungen geht. Zwar transportieren häufig einzelne Sprechakte kein adäquates Bild einer Identitätsvorstellung, im Bündel allerdings schon. So sind juristische Urteile samt der vorhergehenden Urteilsfindung immer auf ein gewisses Menschenbild bezogen. Das bedeutet übrigens nicht, dass sie deshalb homogen sein müssen. Die „romantische“ Idee der Frau war zum Beispiel zugleich eine der Idealisierung und der Unterdrückung.
Wir können zum Schluss festhalten:
Diese Unterscheidung geht auf den englischen Philosophen John Austin und seine Vorlesungsmitschrift „How to do things with words“ zurück. Allerdings ist diese Unterscheidung rasch und vielfach kritisiert worden. Man kann sich das zum Beispiel an dem Satz „Sie haben schöne Schuhe an.“ deutlich machen. Wenn ich das zum Beispiel zu einem Kollegen während der Arbeitszeit sage, wird dieser den nicht als deklarativen Sprechakt verstehen, also in seinem Bezug zur Wahrheit. Der Kollege weiß, dass er Schuhe trägt. Er wird sich eher fragen, warum ich dies zu ihm sage. Damit aber versteht er diesen Sprechakt, der zunächst rein deklarativ erscheint, als Performativ und als Handlung, auch wenn er nicht weiß, worauf diese Handlung hinauslaufen soll.
Wir treffen also auf ein rein praktisches Phänomen: ob ein Sprechakt performativ ist oder nicht, entscheidet nicht der Sprecher, sondern der Hörer. Zudem sind wir so in die Überzeugung eingebunden, dass Handlungen immer einen Zweck haben, dass ich daran zweifle, ob wir überhaupt in der Lage sind, einen Sprechakt nicht als performativ wahrzunehmen.
Dasselbe Phänomen kann man übrigens an einer Diskussion deutlich machen, die in den letzten zwei Monaten stark in den Medien verbreitet war und diskutiert wurde. Es geht um den Sexismus-Vorwurf gegen Rainer Brüderle. Dieser hatte einer Journalistin gesagt, sie würde gut in ein Dirndl passen. Die Journalistin hat dies aber nicht (nur) als Tatsache gehört; im Gegenteil: das genau scheint sie gar nicht interessiert zu haben. Dagegen hat sie es als eine Anmache verstanden; Anmachen bestehen aus performativen Sprechakten: man möchte jemanden dazu bringen, ihm nachzugeben.
Klar muss allerdings auch sein, dass performative und deklarative Sprechakte gleichzeitig vorkommen: Sie haben immer einen Letztrest an Information oder Handlung.
Es ist diese Unentschiedenheit zwischen den beiden Formen des Sprechaktes, deren Einsätze immer wieder, auch situativ, verschoben werden. Ob ich zu dem Kollegen oder dem Chef sage: „Ich habe meine Arbeit erledigt!“ soll trotz gleicher Information wahrscheinlich etwas verschiedenes bewirken und bewirkt auch etwas Verschiedenes.
Dieses zunächst recht magere Ergebnis wird bei Butler eine große Rolle spielen. Denn nicht nur kritisiert sie hier das Fundament der Unterscheidung zwischen performativem und deklarativem Sprechakt, sondern sie wird auch immer wieder die Situation, in der dieser Sprechakt passiert, untersuchen. Zudem wird sie die fehldeutenden Einsätze der Sprechakte kritisch begutachten, zum Beispiel dort, wo ein Sprechakt als rein deklarativ betrachtet wird oder so getan wird, als gehöre er nur einer bestimmten Handlungsschicht an.
Das wird auch besonders wichtig, wenn es um das Menschenbild, bzw. die Identitätsvorstellungen geht. Zwar transportieren häufig einzelne Sprechakte kein adäquates Bild einer Identitätsvorstellung, im Bündel allerdings schon. So sind juristische Urteile samt der vorhergehenden Urteilsfindung immer auf ein gewisses Menschenbild bezogen. Das bedeutet übrigens nicht, dass sie deshalb homogen sein müssen. Die „romantische“ Idee der Frau war zum Beispiel zugleich eine der Idealisierung und der Unterdrückung.
Wir können zum Schluss festhalten:
- Jeder Sprechakt ist zugleich deklarativ (informativ) und performativ.
- Jeder Sprechakt ist situativ.
- Jeder Sprechakt wird von einem Beobachter interpretiert: er transportiert seine Bedeutung nicht mit sich.
- Jeder Sprechakt bezieht sich auf ein Menschenbild.
Literaturempfehlung
Wer sich präziser mit der Sprechakttheorie auseinandersetzen möchte, dem sei von Gisela Harras das Buch Handlungssprache und Sprechhandlung, erschienen bei de Gruyter, empfohlen.
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