27.09.2012

Nicht nur schwache Bauchmuskulatur

Heute Nachmittag hatte ich den Anruf einer Blog-Leserin. Sie lobte meine Ausführungen über die Verknüpfung von Biologie und gender-Theorie und erzählte mir dann folgende, drollige Geschichte:
Sie sei heute dummerweise mit einer Kollegin über die gender-Theorie ins Gespräch gekommen und diese Kollegin habe fürchterlich darüber geschimpft. Das sei alles nicht bewiesen und man wisse doch, dass der Mensch sich fortpflanzen müsse. Auf die Frage, ob sie denn selber Kinder bekommen wolle, antwortete diese Frau dann (und das hat meine Anruferin so erheitert): Ach nein, das käme für sie nicht infrage, das würde ihre Bauchdecke so ausleiern.
Meine Anruferin erzählte dann, dass sie den ganzen Nachmittag lachen musste. Ich übrigens auch.
Was sie in der Theorie ablehnt, praktiziert sie dann doch. Straffe Bauchdecken, die wichtiger als Fortpflanzung sind, sind ein Zeichen für eine nicht-biologische Geschlechtsidentität. (Übrigens habe ich nichts dagegen, dass diese Frau ihre straffe Bauchdecke behalten will. Darf sie.)

2 Kommentare :

LuciaSilva hat gesagt…

Eine straffe Bauchdecke ist kein Zeichen für eine nicht-biologische Geschlechtsidentität sondern eins für Dummheit. Die Grundlage der Geschlechter ist immer biologisch. Ergo ist das Adjektiv biologisch völlig überflüssig. Außerdem konnotiert Geschlecht auch nicht nur Reproduktion, nicht wahr?

Dass die Geschlechtsidentität vor allem im westlichen Kulturkreis von kulturellen Stereotypen beeinflusst wird, ist m. E. das eigentliche Übel.

Frederik Weitz hat gesagt…

Liebe Lucia!

Tendenziell hast du recht.
Ich möchte bloß vier Sachen einwenden: die "straffe Bauchdecke" ist eine Frage des Geschmacks. Ich habe mich ja auch weniger über diesen Wunsch lustig gemacht, als über die komplett widersprüchliche Zusammenstellung der Aussagen dieser Frau. Wenn eine Frau die Schwangerschaft ablehnt, weil sie eine feste Bauchdecke möchte: geschenkt! Aber dann soll sie anderen Frauen nicht eine gegenteilige Praxis aufdrücken.

Du schreibst, das sei eine Dummheit. Kann ich nicht so sehen. Erstmal ist es eine Vorliebe. Ob diese dann dumm oder intelligent eingesetzt wird, ist eine Sache des weiteren Gebrauchs. In diesem Fall stimme ich dir aber zu: so, wie diese Frau argumentiert, ist das völlig dumm. Aber das liegt, wie gesagt, nicht am Bedürfnis, sondern an der Argumentation.

Dass die Grundlage der Geschlechter eine biologische ist, heißt nicht, dass wir diese objektiv erfassen. Wenn Judith Butler schreibt, dass der Körper "allready gendered" sei, dann eben deshalb, weil er immer auch besprochen wird. Zwischen uns und der reinen, objektiven Erkenntnis des Körpers (oder des Geschlechts) liegt immer schon die Sprache und dass wir sprachliche, also kulturelle Wesen sind.
Mein Attribut "nicht-biologisch" ist in gewissem Sinne also eine Tautologie. Geschlechtsidentitäten sind nie nur biologisch. Du kritisierst also zurecht. Ich mag mich aber entschudligen: es war eine gewisse rhetorische Vorsichtsmaßnahme, um den Kurzschluss von Biologie und sozialer Konstruktion deutlich auszuschließen.

Was die Geschlechtsidentität in westlichen Kulturkreisen angeht: diese sind in anderen Kulturkreisen genauso durchgeformt. Siehe zum Beispiel Kristevas großartiges (und teilweise sehr bedrückendes) Buch "Die Chinesin".
Ich erlebe das gerade an einer Freundin aus Thailand, die Literaturwissenschaften studiert. Die hat teilweise ganz großartige Ideen. Aber die erzählt man sich nur unter Freunden. Wissenschaftlich nutzen darf man die nicht. Da macht man das, was von einem verlangt wird. Fleiß also, statt kritische Reflexion.
Interessant an dieser jungen Frau ist, dass sie zwischen diesen Rollen der gehorsamen Tochter und der kritisch-emanzipierten Frau, die sie beide kann, vermitteln muss und damit manchmal arge Probleme hat. Und es ist, in diesem Fall, wunderbar, dass ihr Lebensgefährte, ein eigentlich recht biederer Wirtschaftswissenschaftler, sie zum Konflikt und Widerspruch ermutigt und damit dazu, eigene Wege zu gehen. Obwohl er kaum ein Wort versteht, wenn sie über Literatur spricht.
Trotzdem ist es auch schlimm, wenn man sich die Anforderungen ansieht, die sie "erfüllen möchte": das ist reine Reproduktion. Darin ist nichts gewagtes, nichts eigenständiges, nichts, von dem man sagen könnte: Das war mutig! Das hätte auch ins Auge gehen können! So werden aber typischerweise Mädchen erzogen: Wiederhole, wiederhole, wiederhole! Hör auf, selbst Probleme zu finden und wage es ja nicht, zu diesen eine kreative Lösung zu finden!

Da ist die westliche Kultur, wie ich finde, garnicht mal so schlimm. Da finde ich die asiatischen Kulturen mit ihren ausgeprägten Schamkomplexen und ihrer ritualisierten Höflichkeit wesentlich krasser.